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Der Matcha-Boom: Vorreiterin setzt auf deutschen Teeanbau

Influencer-Hype, leere Regale und steigende Preise: Der grüne Tee ist in aller Munde – und wird knapper. Eine deutsche Pionierin hat einen Plan.

Matcha-Anbauerin: Ursprünglich kommt Kühnle aus dem Weinbau.
Foto: Michael Ukas/dpa

Derzeit gibt es kaum ein Getränk, das einen so globalen Hype wie Matcha erlebt. Der leuchtend grüne japanische Tee wird von den sozialen Medien vorangetrieben, in denen Influencer Tipps zur Zubereitung, Bewertungen und Rezepte für den Kult-Tee teilen. Laut dem japanischen Landwirtschaftsministerium entfiel im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte der rund 9.000 Tonnen grünen Tees, die aus Japan exportiert wurden, auf Matcha – doppelt so viel wie noch vor zehn Jahren. Aber wird das Star-Getränk bald knapp?

Trotz des Rückgangs des Verbrauchs von grünem Tee und Matcha in Japan in den letzten Jahrzehnten, trinkt der Rest der Welt so viel Matcha wie noch nie zuvor. Der Touristenboom in Japan trägt auch dazu bei, den Hype anzukurbeln. Dank des schwachen Yens ist Japan auch bei Deutschen als Reiseziel beliebt. Die Nachfrage nach Matcha ist so stark gestiegen, dass die Tee-Industrie in Japan zuletzt nicht mehr Schritt halten konnte. Einige Geschäfte sehen sich oft schon kurz nach der Ladenöffnung von Touristen leer gekauft. Als Folge haben Einzelhändler Beschränkungen eingeführt, wie viel Kunden kaufen dürfen.

Gründe für die Krise

Experten bezeichnen die Situation als Krise. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Hitzewellen haben zu geringen Erträgen geführt. Zudem altert die japanische Gesellschaft rasant. Gemäß Regierungsangaben ist die Anzahl der Landwirte von über 53.000 im Jahr 2000 innerhalb von 20 Jahren auf etwa 12.300 gesunken. Viele Teebauern in Japan sind bereits älter. Oft ist niemand aus der jüngeren Generation bereit, den Betrieb zu übernehmen, wodurch einige Teeplantagen aufgegeben wurden.

Die Herstellung des Pulvers ist ein aufwendiger Prozess: Die Blätter, Tencha genannt, werden mehrere Wochen vor der Ernte beschattet, um Geschmack und Nährstoffe zu konzentrieren. Anschließend werden sie sorgfältig von Hand entstielt, getrocknet und in einer Mühle fein vermahlen. «Es braucht jahrelanges Training, um Matcha richtig herzustellen», betont Masahiro Okutomi in der «Japan Times», dessen Familienbetrieb in der Präfektur Saitama schon in 15. Generation Tee produziert. «Es ist ein langfristiges Unterfangen, das Ausrüstung, Arbeitskraft und Investitionen erfordert.»

Deutsche Teebäuerin will Matcha produzieren

Antje Kühnle, die eine Teefarm in Deutschland angelegt hat, möchte vom Boom profitieren. Seit gut zwei Jahren baut die 37-Jährige in Zossen (Teltow-Fläming) in Brandenburg die Teepflanze Camellia Sinensis an. Ihr Ziel ist es, 6,5 Hektar zu bepflanzen, derzeit ist sie bei knapp der Hälfte.

Kühnle sieht sich als Pionierin. «Also eine Teefarm in der Größe gab es in Deutschland so noch nicht – ein Betrieb, der Tee professionell anbaut, auf kommerzieller Ebene auch und das in Verbindung mit diesem landwirtschaftlichen Konstrukt der Permakultur.» In Nordrhein-Westfalen im Bergischen Land werden im «Tschanara Teegarden» seit 1999 auf etwa 0,4 Hektar Teepflanzen angebaut. 

Kühnles Mission: Dass Deutschland eine Teebau-Nation wird. «Ich verwende Saatgut, das sich besonders gut für Grüntee und Matcha eignet», sagt Kühnle, die ursprünglich aus dem Weinbau kommt. «Die meisten Genome, die in Europa wachsen, sind tatsächlich Genome, die für die Schwarzteeproduktion bestens geeignet sind», sagte die Teebäuerin. «Dass wir jetzt hier diese Genome gewählt haben, die für den Grüntee geeignet sind, das ist auch noch ein zusätzlicher Pionierfaktor.»

Matcha ist «Königsdisziplin»

Kühnles Ziel ist es, hochwertigen Matcha herzustellen – das sei im Teebau die «Königsdisziplin». Allein beim Anbau gibt es schon einiges zu beachten: «Tee braucht viel Wasser. Das Klima hier ist relativ trocken und die Luftfeuchtigkeit zu gering, deswegen muss ich das passende Klima hier schaffen», sagt Kühnle. Zur Bewässerung sammelt sie Regenwasser und schützt den Boden mit Mulch vor Verdunstung. Ein Gewächshaus mit Fußbodenheizung, betrieben durch eine Photovoltaikanlage, sorgt für die richtige Umgebung während der Anzucht.

Später setzt die Teebäuerin die Pflanzen ins Freie. «Von meinen 200.000 Anzüchtungen habe ich schon 40.000 umpflanzen können.» Das funktioniert aus einem Grund in Brandenburg besonders gut: Die Pflanzen brauchen einen niedrigen pH-Wert, und der Boden in der Region ist aufgrund der vielen Nadelbäume von Natur aus sauer. Damit die Pflanzen auch Winterfröste überstehen, nutzt sie Saatgut aus dem Himalaya und Nordchina. Die erste vermarktbare Ernte wird Kühnle voraussichtlich im Frühjahr 2026 einfahren.

Deutschland wichtiger Abnehmer für japanischen Tee

In Deutschland ist die Nachfrage nach Matcha deutlich gestiegen. «Wir nehmen in der Tat wahr, dass Matcha-Tee derzeit einen großen Trend in Deutschland erlebt», sagt der Geschäftsführer des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH), Philipp Hennerkes. Dies betreffe nicht nur den klassischen Konsum als Tee, sondern zeige sich auch in unterschiedlichsten Produktkategorien – von Matcha-Schokoriegeln bis hin zu Getränken wie Matcha-Latte.

Zwischen Januar und August 2024 wurden nach japanischen Importzahlen mehr als 240 Tonnen pulverisierter Grüntee nach Deutschland geliefert – ein Anstieg um 240 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Es gibt keine neuen Zahlen, so der Deutsche Tee & Kräutertee Verband. Die steigende Nachfrage nach gesunder Ernährung und natürlichen Produkten wird voraussichtlich weiterhin bestehen. Es ist möglich, dass die Preise steigen. Ein Exportstopp ist derzeit nicht geplant, Deutschland bleibt nach den USA der wichtigste Exportmarkt für japanischen Tee.

Preise gestiegen

Letzteres dürfte zumindest eine gute Nachricht für Unternehmen wie Keiko sein. Das Unternehmen importiert Tencha aus Japan und vermahlt ihn in Diepholz in Niedersachsen zu Matcha. «Seit wir mit dem Verkauf von Matcha und Grünteepulver vor über 30 Jahren begonnen haben, stieg der Verkauf kontinuierlich an und bekam durch die vegane Bewegung um 2014 herum zusätzlichen Schwung», sagte eine Sprecherin des Unternehmens. 

In den vergangenen zwei Jahren sei die Nachfrage rasant angestiegen. «Schwankungen bei den Erntebedingungen gab es schon immer, das ließ sich aber bisher immer ausgleichen», sagte die Sprecherin. «Nun stehen wir erstmals vor der Situation, dass die stark gestiegene Nachfrage die verfügbare Erntemenge übersteigt.» Durch die daraus resultierende Knappheit seien zudem die Einkaufspreise extrem gestiegen, somit auch die Preise für Kunden.

dpa