Jeden Tag kommen etwa 144.000 Pakete mit gefälschter Ware nach Deutschland. Täter bleiben oft straffrei. Neue Zahlen bieten Einblick. Wie lässt sich das Problem wirksam bekämpfen?
Deutschland Hauptziel für Fälschungen – Milliardenschaden
Videospiele, T-Shirts, Kinderspielzeug, Parfüm: Deutschland ist nach Angaben des Markenverbandes größtes Ziel für Fälscherware in der EU. Den Unternehmen entstehe dadurch jedes Jahr ein Milliardenschaden, sagt Präsident Franz-Olaf Kallerhoff. «Wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass unser Markt mit gefährlichen und gefälschten Produkten überschwemmt wird, die unter Missachtung von Umwelt- und Arbeitsstandards produziert sind.»
Der Verband repräsentiert Unternehmen wie Hugo Boss, Haribo, Henkel, Miele und Vileda und organisiert am Donnerstag den Tag der Markenwirtschaft in Berlin. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz wird anwesend sein.
Wie viele gefälschte Artikel gelangen nach Europa?
Die EU-Agentur für geistiges Eigentum (EUIPO) hat kürzlich neue Zahlen veröffentlicht. Im Jahr 2024 wurden an den Außengrenzen und im Binnenmarkt 112 Millionen gefälschte Waren sichergestellt. Obwohl dies weniger als im Vorjahr war, stieg der geschätzte Verkaufswert auf 3,8 Milliarden Euro – ein Rekordwert. Dies ist auf höhere Stückpreise zurückzuführen.
Deutschland war das Ziel für rund ein Viertel des an den Außengrenzen sichergestellten Warenwerts. Das ist mehr als für jeden anderen Mitgliedsstaat. Warum das so ist? «Deutschland ist als größte Volkswirtschaft in Europa besonders betroffen», sagt Markenverbands-Präsident Kallerhoff. Deutsche Marken würden international für ihre Qualität geschätzt, das mache sie für Fälscher so attraktiv. Die EU-Behörde äußerte sich zu möglichen Gründen nicht.
Eine Fälschung ist ein Produkt, das einen Markenartikel imitiert und so ähnlich aussieht, dass es mit dem Original verwechselt werden kann.
Welche Produkte werden besonders oft gefälscht?
Die meisten beschlagnahmten Artikel sind CDs und DVDs, einschließlich Videospielen und Softwareprogrammen. Etwa ein Drittel der konfiszierten Artikel fällt in diese Kategorie. Auf dem zweiten Platz stehen Spielwaren mit 18 Prozent, gefolgt von Kleidung (7,5), Mode-Accessoires (6), Zigaretten und E-Zigaretten (4,5) sowie Parfüm und Kosmetika (3). Der Hauptvertriebsweg sind große Online-Plattformen. Die meisten Waren kommen aus China und der Türkei.
Weder das EUIPO noch die Generalzolldirektion machen Angaben zu den Versendern der gefälschten Ware – aus Datenschutzgründen.
Wie hoch ist der Schaden?
Es ist schwer, den genauen Schaden für Hersteller in Deutschland zu beziffern. Der Markenverband schätzt, dass er aufgrund der hohen Dunkelziffer weit über den offiziellen Zahlen liegt – bei etwa acht Milliarden Euro pro Jahr. Jede Woche gelangen ungefähr 144.000 Pakete mit gefälschten Waren ins Land.
Die meisten Täter bleiben ungestraft, nur 0,74 Prozent der aufgegriffenen Fälschungen endeten zuletzt in gerichtlichen Verfahren. Die beschlagnahmten Waren werden vernichtet.
Laut EUIPO erleichtern technische Fortschritte die Herstellung und Verbreitung immer raffinierterer Fälschungen. Begrenzte Kontrollkapazitäten und der stark wachsende Onlinehandel machten «proaktive Maßnahmen dringend erforderlich».
Was tun gegen Fälschungen?
Der Markenverband und der Handelsverband Deutschland (HDE) setzen sich für verstärkte Kontrollen und eine eindeutige Haftung der Online-Plattformen ein. Sie fordern zusätzlich mehr Personal und eine verbesserte Ausstattung für Zoll und Marktüberwachung, die Abschaffung der Zollfreigrenze von 150 Euro und eine Anmeldepflicht für jedes Paket. Außerdem soll es untersagt werden, entfernte Fälschungen erneut online zu stellen.
«Wer hierzulande Waren verkauft, muss sich an die hiesigen Regeln halten. Ansonsten blutet in diesem unfairen Wettbewerb der heimische Einzelhandel aus», sagt HDE-Präsident Alexander von Preen. Rund 64.000 Arbeitsplätze seien bedroht.
Was können betroffene Verbraucher machen?
Wenn man ein gefälschtes Produkt erhält, hat man die Möglichkeit, Anzeige zu erstatten. Sowohl der Markenverband als auch Verbraucherschützer empfehlen zudem, den Betreiber über den Kauf über eine Online-Plattform zu informieren. Der Erwerb einer Fälschung ist in den meisten EU-Staaten nicht generell strafbar, aber der Weiterverkauf ist untersagt. Markeninhaber können rechtlich gegen Hersteller und Verkäufer vorgehen.
Gefälschte Waren können für Käufer gefährlich sein, da bei der Herstellung möglicherweise gesundheitsschädliche Substanzen zum Einsatz kamen. Es mangelt an Sicherheitsstandards und es besteht keine Produkthaftung.