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Supermärkte der Zukunft: KI-gestützte Überwachung an SB-Kassen

Neue Sicherheitstools mit Künstlicher Intelligenz überprüfen Kundenverhalten an Selbstbedienungskassen und helfen Diebstahl und Fehler zu reduzieren.

In Deutschland gibt es Experten zufolge inzwischen weit über 20.000 Selbstbedienungskassen.
Foto: Oliver Berg/dpa

Im Jahr 2025 in einem deutschen Supermarkt: Kunden scannen Artikel an der Selbstbedienungskasse. Wenige wissen jedoch, dass ihr Verhalten möglicherweise überwacht wird. Bei Fehlern oder Auffälligkeiten beim Scannen kann das Kassenpersonal stillen Alarm erhalten, ohne dass der Kunde etwas davon bemerkt.

Immer mehr Händler in Deutschland setzen neben Aufsichtspersonal und Ausgangsschranken im Kassenbereich auch auf neue Sicherheitstools, die mit Künstlicher Intelligenz arbeiten.

«Viele Unternehmen verwenden KI-gestützte Überwachungs- und Analyse-Tools. Die Zahl der Geschäfte, die entsprechend ausgestattet sind, steigt und wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen», sagt der Experte des Handelsforschungsinstituts EHI, Frank Horst. Die Systeme würden immer besser und könnten dazu beitragen, Diebstahl und Bedienfehler zu reduzieren. 

Warum ist Überwachung für die Händler so wichtig?

Gemäß EHI gibt es in Deutschland mindestens 6.000 Geschäfte mit weit über 20.000 SB-Kassen. Viele Handelsketten wollen an den herkömmlichen Kassen festhalten, aber den Service verbessern – trotz ihrer Mängel.

Handelsexperten beobachten ein zunehmendes Diebstahlrisiko an SB-Kassen. „Es wird angenommen, dass Ladendiebstähle um 15 bis 30 Prozent höher sind als an bedienten Kassen“, sagt Horst. Die Händler erleiden dadurch erhebliche finanzielle Verluste. Das Bedürfnis, sich besser zu schützen, ist entsprechend groß.

Wie funktioniert die intelligente Technik?

Der KI-Algorithmus der Software analysiert das Kundenverhalten in Echtzeit und erkennt Unregelmäßigkeiten. Dazu analysiert er Videoaufnahmen des Kassenbereichs und überprüft die Daten, während der Käufer an der SB-Kasse seine Artikel scannt. Bei Bedarf werden Alarmmeldungen erstellt.

Die intelligente Technik kann zum Beispiel erkennen, wenn Artikel nicht gescannt und direkt in die Tasche gesteckt werden. In solchen Fällen ist es möglich, dass auf dem Kassendisplay ein Hinweis angezeigt wird mit der Frage «Wurde der letzte Artikel gescannt?». Damit sollen Kunden Anreize gegeben werden, einen Fehler zu korrigieren. 

Die KI kann auch weitere Abweichungen erkennen: Zum Beispiel, wenn ein Kunde einen Sekt scannt und dann eine Champagnerflasche in die Schale neben der Kasse legt, oder wenn sich im Wasserkasten Wodkaflaschen befinden. Wenn ein Barcode für Bananen im Wert von 25 Cent eingescannt wird, aber dann ein Produkt mit einem deutlich höheren Gewicht abgelegt wird, wird dies ebenfalls bemerkt.

Die Technologie kann auch feststellen, wenn die Anzahl der Artikel im Warenkorb und auf der Einkaufsliste signifikant voneinander abweicht. Mithilfe von KI kann auch eine automatische Alterskontrolle durchgeführt werden, indem das Gesicht des Kunden gescannt wird, um sein Alter zu schätzen.

Laut Christoph Annemüller, einem Experten für anwendbare KI im Handel, gibt es mehr als 20 verschiedene Fälle von nicht erfassten Artikeln, die am häufigsten versehentlich oder absichtlich sind. Einer der Anbieter von Technologien ist das deutsch-amerikanische Unternehmen Diebold Nixdorf.

Was bringen die Sicherheitstools?

Händler haben die Möglichkeit, die Software an ihre Bedürfnisse anzupassen und festzulegen, was in spezifischen Situationen geschieht – beispielsweise, wann Mitarbeiter einen Alarm erhalten oder die Kasse blockiert wird. Die Integration der Technologie ist zeitaufwendig. Es erfordert, dass das System trainiert wird, bis es zuverlässig funktioniert und eine Vielzahl von Betrugsfällen identifizieren kann.

Während einer ausgedehnten Testphase werden zunächst Daten im Geschäft gesammelt. Danach wird überprüft, ob die KI mit ihren Einschätzungen richtig oder falsch liegt. Anfangs gibt es viele Fehlalarme, doch allmählich verbessern sich die Erkennungsraten. Erst wenn die Fehlerquote niedrig ist, wird die Software aktiviert.

Annemüller sagt, dass die Software die Verluste der Händler um 75 Prozent reduzieren könne. Die fehlerhaften Transaktionen an SB-Kassen würden von 3 auf unter 1 Prozent gesenkt. Diebold Nixdorf arbeitet nach eigenen Angaben weltweit mit über 60 Handelsunternehmen zusammen, darunter selbstständige Edeka-Kaufleute und die französische Handelsgruppe Groupement Mousquetaires.

Wie viele Händler nutzen KI?

Eine Untersuchung der dpa zeigt: Viele Unternehmen wie Rewe, Ikea und Rossmann nutzen oder testen intelligente Technologie. Eine Überprüfung durch Personal wird beispielsweise durchgeführt, wenn ein Kunde Schranktüren scannt, aber keinen Korpus oder einen Korpus, aber keine Innenausstattung hat, sagt eine Sprecherin von Ikea. Bis März plant der Möbelhändler, in allen seinen 54 Filialen in Deutschland eine entsprechende Software an SB-Kassen einzusetzen.

Einige Firmen wie Kaufland, Lidl und die Baumarktkette Obi prüfen die Verwendung von KI. Andere äußern sich zu diesem Thema nur zurückhaltend oder gar nicht. Sie möchten nichts öffentlich tun, was als Anleitung dienen könnte, ihre Sicherheitssysteme zu umgehen und somit indirekt Diebstahl zu fördern. Die meisten Händler möchten einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Ladendiebstähle und den SB-Kassen öffentlich nicht bestätigen.

Wie reagieren Kunden?

Viele Unternehmen geben keine Stellungnahme zu dieser Frage ab. Die Erfahrungen sind positiv, Kunden reagieren in der Regel gelassen, wenn Personal zur Hilfe kommt, um einen Vorgang zu überprüfen, sagt Ikea. Die Checks sollen dazu dienen, Missverständnisse zu vermeiden. Die Verwendung von Kameras in den Kassenbereichen wird über entsprechende Hinweise kommuniziert.

Laut EHI-Experte Horst kommt es an SB-Kassen zu vielen unbeabsichtigten Fehlern. «Vielen Menschen ist das sehr unangenehm, weil sie den Fehler nicht bemerken.» 

Die Überprüfung wird gemäß den Datenschutzbestimmungen durchgeführt, und die Personen bleiben anonym“, versichert Christoph Annemüller von Diebold Nixdorf. Die KI-Technologie soll nicht dazu dienen, jemanden zu überwachen, sondern Kunden und Mitarbeiter zu unterstützen. Daher ist es nicht mehr erforderlich, dass Kameraaufnahmen kontinuierlich überprüft werden müssen.

dpa