Dänemark schließt das Kapitel Briefzustellung und entfernt sämtliche Briefkästen aus dem Stadtbild. Der digitale Wandel macht die klassische Briefpost überflüssig.
Das Ende der Briefkästen in Dänemark

Wer noch eine letzte Ansichtskarte aus dem winterlichen Kopenhagen-Urlaub in einen der öffentlichen roten Briefkästen werfen möchte, muss sich beeilen. Als wohl erstes Land Europas stellt das hoch digitalisierte Dänemark die öffentliche Briefzustellung ein und entfernt sämtliche Briefkästen aus dem Stadtbild.
Postnord, das staatliche Postunternehmen, wird heute die letzten Briefe verteilen, danach ist Schluss. Seit dem 18. Dezember werden keine Briefmarken mehr verkauft, und bis zum Jahresende sollen alle öffentlichen Briefkästen aus dem deutschen Nachbarland verschwunden sein. Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang: Der Weltpostverein teilt mit, ihm sei nicht bekannt, dass ein anderes Land unlängst einen ähnlichen Schritt gemacht habe.
Seit Jahren werden kaum noch Briefe verschickt
«Die Dänen sind immer digitaler geworden, und das, was früher als Brief verschickt wurde, erhalten die allermeisten heute digital», heißt es von Postnord. Seit der Jahrtausendwende sei die Briefmenge im Land um mehr als 90 Prozent gefallen, Tendenz weiter sinkend.
Viele der rund 1.500 roten Briefkästen im Land wurden bereits seit dem Sommer nach und nach abgenommen. Auf dem Schrottplatz sind sie aber nicht gelandet: Seit Mitte Dezember konnten Interessierte einen von 1.000 der Kästen – «ein kleines Stück dänisches Kulturerbe», wie es von Postnord hieß – online erwerben. Je nach Gebrauchsspuren kosteten sie umgerechnet 200 bis 270 Euro. Die Einnahmen sollen einem guten Zweck zugutekommen. Innerhalb weniger Tage waren alle Briefkästen verkauft.
Im Januar sollen zusätzliche 200 Exemplare versteigert werden, darunter auch einige, die von dänischen Künstlern gestaltet wurden. Weitere Exemplare der Postkästen, die mehr als 170 Jahre lang einen Teil des dänischen Stadtbildes ausmachten, dürften einen Platz im Museum finden.
Hoch digitalisiertes Dänemark
Dänemark wird in Bezug auf die Digitalisierung als Vorreiter angesehen – insbesondere im scharfen Kontrast zu seinem südlichen Nachbarn Deutschland. Die Mehrheit der Korrespondenz mit öffentlichen Stellen erfolgt für die Dänen bereits über digitale Plattformen. In ihren privaten Briefkästen landet hauptsächlich Werbung. Es gibt jedoch Ausnahmen für diejenigen, die von der sogenannten Digital Post ausgeschlossen sind: Dies betrifft etwa 300.000 der knapp sechs Millionen Einwohner, darunter einige ältere Menschen auf dem Land.
Die Auswirkungen der Digitalisierung machten sich auch bei Postnord bemerkbar. Das staatliche Unternehmen, das 2009 durch den Zusammenschluss der dänischen und schwedischen Post entstand, verzeichnete in den letzten Jahren immer geringere Einnahmen aus der Briefzustellung.
In Zukunft wird sich Postnord vor allem auf die Zustellung von Paketen konzentrieren, um der bevorzugte Paketlieferant der dänischen Verbraucher zu werden. Dies wurde im Frühjahr angekündigt, als das Unternehmen die Einstellung der Briefzustellung und die Streichung von 1.500 Stellen bekannt gab.
Werden bald auch die Briefkästen in Deutschland abgebaut?
Auch das Briefgeschäft der Deutschen Post schrumpft von Jahr zu Jahr. Trugen die Postboten hierzulande 2001 noch 22,7 Milliarden Briefsendungen aus, so waren es 2024 nur noch 12,2 Milliarden. Dennoch betont ein Sprecher des Bonner Logistikers: «Die dänische Post ist nicht die Deutsche Post, beide Briefmärkte sind nur bedingt miteinander vergleichbar.» Trotz Mengenrückrangs bleibe der Brief in Deutschland wichtig. «Wir gehen davon aus, dass wir auch noch viele Jahre in Deutschland Briefe bearbeiten und zustellen werden.»
Die gelben Briefkästen werden weiterhin im deutschen Straßenbild zu sehen sein, da eine staatliche Pflicht aus dem Jahr 2024 für ein dichtes Netz an Briefkästen sorgt. Trotz dieser Pflicht hat die Post einen gewissen Spielraum genutzt, um die Anzahl der Standorte leicht zu reduzieren: Im Jahr 2015 gab es in Deutschland 110.000 Briefkästen, heute sind es noch 108.200.
Großer Aufschrei in Dänemark bleibt aus
In Dänemark beendet der staatliche Postdienst jedoch das Kapitel der Briefkästen und Briefzustellung. Es gab dort kaum Kritik an diesem Schritt. Die Seniorenvereinigung Faglige Seniorer bemängelte, dass eine Ära zu Ende geht. Man hatte jedoch bereits seit Inkrafttreten eines neuen Postgesetzes Anfang 2024 eine solche Entwicklung kommen sehen. Der ländliche Interessenverband Landdistrikternes Fællesråd forderte, dass Briefe auch weiterhin alle Landesteile unter gleichen Bedingungen erreichen müssten. Doch der große Aufschrei blieb aus.
Den dänischen Verbrauchern bleibt nun hauptsächlich eine private Zustellungsfirma namens Dao, um Briefe zu verschicken. Die Vorzeichen sind positiv: In Bezug auf die Pünktlichkeit bei der Briefzustellung schnitt das Unternehmen in einer Untersuchung der dänischen Verkehrsbehörde deutlich besser ab als Postnord. Auch der Preis ist attraktiver: Ein Standardbrief innerhalb Dänemarks kostete bei Postnord umgerechnet knapp 3,90 Euro, bei Dao rund 3,10 Euro. Gegen einen Aufpreis können Kunden den Weg zum Dao-Shop sparen und ihre Briefe sogar von zu Hause abholen lassen.
«Der Brief lebt weiter»
Für deutsche Verbraucher mögen diese Preise absurd hoch wirken – doch das sind bloß die Inlandspreise. Wer einen Brief oder eine Postkarte ins Ausland – etwa nach Deutschland – verschicken wollte, der bezahlte dafür bei Postnord zuletzt umgerechnet stolze 6,70 Euro. Mit Dao werden es nach jetzigem Stand immer noch umgerechnet knapp 6,20 Euro sein. Deutsche Urlauber, die einen Gruß per Karte aus Dänemark loswerden wollen, sollten das Kärtchen daher vielleicht am besten nach der Rückkehr zu Hause selbst überreichen.
Wer möchte, kann auch weiterhin Post von Deutschland nach Dänemark schicken. Das dänische Transportministerium hat Dao beauftragt, ab dem 1. Januar 2026 Briefe aus dem Ausland innerhalb Dänemarks zu verteilen.
Und dann wäre da noch die Sache mit den Briefkästen. Dao verwies darauf, selbst 1.500 Postkästen im ganzen Land platziert zu haben. Auch diese sind rot, allerdings stehen sie in bestimmten Paketshops und nicht an der Straße. Man habe keine Pläne, sich wie Postnord vom Briefmarkt zu verabschieden, erklärte Dao: «Der Brief lebt weiter.»








