Immer mal wieder hebt der Zoll illegale Zigarettenfabriken aus oder stellt geschmuggelte Kippen sicher. Nun warnen legale Tabakfirmen: Zukünftig könnte der Schwarzmarkt noch viel schlimmer werden.
Droht ein Schwarzmarkt-Boom? Tabaklobby schlägt Alarm

In Deutschlands Tabakbranche gibt es Befürchtungen, dass der geplante Steuer-Aufschlag den Schwarzmarkt ankurbeln könnte. Die EU-Kommission schlug vor, den Mindeststeuersatz für Zigaretten pro 1000 Stück von 90 auf 215 Euro anzuheben. Branchenschätzungen zufolge könnte der Preis für eine Packung Markenzigaretten in Deutschland von etwa 8,50 Euro auf über 12 Euro steigen. Dies könnte dazu führen, dass viele Raucher nach günstigeren Alternativen suchen und illegale Ware auf dem Schwarzmarkt erwerben. Besonders stark betroffen wäre der Tabak zum Selbstdrehen (Feinschnitt), bei dem die Mindeststeuer pro Kilo von 60 auf 215 Euro steigen soll.
Bei der nun in Dortmund begonnenen Messe Intertabac sorgte dieses Vorhaben für scharfe Kritik. «Das wäre ein Konjunkturprogramm für kriminelle Netzwerke», sagt Jan Mücke vom Branchenverband BVTE. «Wer den legalen Markt schwächt, stärkt den illegalen Markt», sagt Michael von Foerster vom Verband der deutschen Rauchtabakindustrie (VdR). «Wer die Schraube überdreht, zerstört das Gewinde.»
Ähnlich sieht es Philip-Morris-Lobbyist Torsten Albig. Mit Blick auf die Niederlande und Frankreich, wo Zigaretten wegen bereits erfolgter Steuererhöhungen deutlich teurer geworden sind, sagt der frühere SPD-Politiker: «Wer Steuern falsch austariert, überlässt das Feld den Kriminellen – mit gravierenden Folgen.» Nach Branchenangaben hat sich der durchschnittliche Preis einer Packung mit 20 Zigaretten in den Niederlanden seit 2019 von sieben auf 13 Euro erhöht, in Frankreich ging es von 8,60 Euro auf 12,50 Euro hinauf.
Jede zehnte Zigarette in den Niederlanden ist gefälscht
Gemäß einer Studie des niederländischen Zolls werden in dem Land mittlerweile nur noch 55 Prozent der dort konsumierten Zigaretten auch dort besteuert. 30 Prozent tragen Steuerzeichen aus dem Ausland – ob sie legal im Rahmen von Freigrenzen eingeführt wurden oder illegal ins Land gelangten, ist unklar. 10 Prozent sind Fälschungen und der Rest stammt unter anderem aus dem Duty-Free-Bereich. Im Vergleich dazu liegt der Anteil der in Deutschland nicht versteuerten Zigaretten schätzungsweise bei 20 Prozent.
Für Zigarrenhersteller, von denen es in Deutschland noch sieben gibt, sind die Brüsseler Pläne besonders starker Gegenwind, die Steuer auf ihre Produkte würde ich mehr als verzehnfachen. «Es ist ein Vernichtungsfeldzug der EU-Kommission gegen unsere Industrie, gegen unseren Mittelstand», sagt Bodo Mehrlein vom Bundesverband der Zigarrenindustrie.
Was passiert bei steigenden Preisen?
Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) hält von der Argumentation der Tabaklobbyisten wenig. Aus ihrer Sicht ist es überfällig, dass die krebserregenden Produkte in Deutschland endlich teurer werden, auch im EU-Vergleich seien sie viel zu billig. «Tabaksteuererhöhungen, die zu einer deutlichen Erhöhung des Preises führen, sind die wirksamste Maßnahme, junge Leute vom Einstieg ins Rauchen abzuhalten und rauchende Leute zum Ausstieg zu motivieren.»
Die Branchenvertreter sehen es anders – sie schätzen, dass Deutschlands Raucher weiter rauchen würden, dann aber auf günstigere Ware aus illegalen Kanälen setzten. BVTE-Chef Mücke, dessen Branche gesundheitsschädliche Produkte verkauft, bemüht ein Gesundheitsargument: «Illegale Zigaretten sind besonders gefährlich, denn ihre Inhaltsstoffe wurden nicht staatlich geprüft – bei Proben aus illegalen Funden wurden Rattenkot und Kunststoff gefunden, zudem kann der Nikotingehalt viel zu hoch sein.»
Für den Bund ist die Tabaksteuer wichtig
Etwa 20 Milliarden Euro erhält der deutsche Staat jedes Jahr aus dem Verkauf von Tabakprodukten in Deutschland. In finanziell schwierigen Zeiten wäre dies eine willkommene Einnahmequelle für den Bund, die durch Steuererhöhungen erzielt werden könnte. Allerdings hegen die Vertreter der Branche Zweifel daran: Sie befürchten, dass der Staat trotz höherer Steuern weniger Einnahmen erzielen würde, da der legale Absatz zurückgehen könnte. Ein Beispiel hierfür sei die Niederlande, wo die Steuereinnahmen aus Zigaretten seit 2019 um etwa ein Viertel gesunken seien.
Es ist wenig überraschend, dass Kaufleute klagen, wenn sie mehr Steuern zahlen sollen. Daher sollte man die Äußerungen der Tabak-Lobbyisten mit Vorsicht betrachten. Es würde wohl etwa zwei Jahre dauern, bis das Brüsseler Vorhaben umgesetzt werden könnte und die einstimmige Zustimmung aller EU-Mitgliedstaaten erforderlich wäre. Selbst wenn das Regelwerk tatsächlich beschlossen wird – vielleicht auch nur in abgeschwächter Form -, würde der Schwarzmarkt in Deutschland wirklich so stark wachsen, wie von der Industrie behauptet?
Zollgewerkschaft warnt schon jetzt vor dem Schwarzmarkt
Durchaus möglich, warnt die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ). Schon jetzt nehme der illegale Handel mit Zigaretten und E-Zigaretten zu und die Tabakschmuggler hätten Deutschland als «Goldgrube» entdeckt, sagt der BDZ-Bundesvorsitzende Thomas Liebel. Regelmäßig nimmt der Zoll illegale Fabriken hoch, in denen gefälschte Kippen produziert werden. «Es ist verheerend, dass der Staat kriminellen Netzwerken so leicht eine sprudelnde Einnahmequelle sichert und zuschaut, wie sie ihre Macht ausbauen.»
Liebel fordert, dass man vom bisherigen Hinterherlaufen zur proaktiven Bekämpfung übergeht. «Nur wenn der Zoll mit modernster Technik und ausreichend Personal ausgestattet wird, können wir kriminelle Netzwerke nachhaltig zerschlagen.» Außerdem müsse die Regulierung vereinfacht werden. Die aktuellen Tabak-Gesetze seien so komplex, dass sie viel zu viele Schlupflöcher für die Kriminellen böten.








