Die Suche nach einem neuen Bahnchef oder neuer -chefin läuft auf Hochtouren. Der Verkehrsminister ist zuversichtlich, bald jemanden präsentieren zu können. Doch die Kritik an seinem Vorgehen bleibt.
Einer der schwierigsten Jobs: Bahn sucht neue Spitze

Wer leitet künftig einen der am meisten kritisierten Konzerne dieses Landes? Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) ist zumindest zuversichtlich, bald jemanden für die Spitze der Deutschen Bahn präsentieren zu können. «Ich habe den Eindruck, es gibt ausreichend Interessenten dafür und unsere Aufgabe ist es, unter denen, die zur Verfügung stehen, die Beste, den Besten aus unserer Sicht auszuwählen», sagte der CDU-Politiker am Mittwochabend in Kröv in Rheinland-Pfalz am Rande einer Sommerreise vor Journalisten.
Vor etwa einer Woche kündigte der Minister überraschend an, dass der derzeitige Bahnchef Richard Lutz seinen Posten räumen muss. Die neue Regierung ist der Ansicht, dass er nicht der Richtige ist, um die tiefe Krise des bundeseigenen Konzerns zu bewältigen. Schon im Koalitionsvertrag hatten die drei Regierungsparteien daher beschlossen, den Vorstand der Bahn neu aufzustellen.
Neue Strategie am 22. September
Schnieder will am 22. September eine neue Strategie für den kriselnden Konzern vorstellen. In diesem zeitlichen Rahmen solle auch das entsprechende Personal präsentiert werden, sagte Schnieder – «vielleicht ein bisschen früher, vielleicht ein bisschen später». Vor einer Woche hatte der Minister gesagt: «Idealerweise können wir mit der Strategie im September den oder auch die neue Vorstandsvorsitzende präsentieren.»
Lutz soll im Amt bleiben, bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden ist. Die Suche nach geeigneten Kandidaten wird von externen sogenannten Recruitern und Headhuntern durchgeführt, die vom Aufsichtsrat der Bahn beauftragt wurden.
Einige potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger wurden bereits genannt. Dazu gehören unter anderem die Bahn-Regionalverkehrsvorständin Evelyn Palla oder der bisherige Chef der Infrastruktur-Tochter DB InfraGo, Philipp Nagl.
Es wird berichtet, dass bereits Absagen von Peter Füglistaler, dem ehemaligen Chef des Schweizer Bundesamts für Verkehr, und von Andreas Matthä, dem derzeitigen Chef der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), eingegangen sind. Auch der kurzzeitige Finanzminister Jörg Kukies (SPD) hat kein Interesse an der Stelle gezeigt und kürzlich erklärt, nicht zur Verfügung zu stehen.
Verwunderung in der Branche
In der Bahnbranche sind deshalb noch immer einige verwundert, warum Minister Schnieder Lutz Abgang bereits verkündet hat, obwohl noch kein Nachfolger feststeht. «Die Bahn befindet sich in einer dramatischen Lage und ein langes Führungsvakuum kann sich niemand leisten. Weder die Fahrgäste noch das Bahnpersonal und am Ende auch der Verkehrsminister selbst nicht», teilt etwa Martin Burkert, der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) mit. Der Minister müsse jetzt konsequent handeln und einen guten Personalvorschlag machen.
«Der Zeitpunkt der Entscheidung setzt Bundesverkehrsminister Schnieder in jedem Fall unter zusätzlichen Druck, schnell einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu präsentieren», sagt auch Dirk Flege, Geschäftsführer des Interessenverbands Allianz pro Schiene. «In der öffentlichen Debatte sollte es jetzt nicht darum gehen, einen potenziellen Namen nach dem anderen zu nennen und zu verbrennen.»
Schnieder wiederum verteidigte die Entscheidung zu Lutz gegen Kritik, er habe noch keinen Nachfolger präsentieren können. «Man kann einen solchen Prozess der Personalsuche nicht unter der Decke halten. Und ich finde es unfair gegenüber noch im Amt befindlichen handelnden Personen, wenn sie so etwas aus der Presse, aus den Medien erfahren.» Deshalb habe er das direkte Gespräch gesucht.
Einer der schwierigsten Jobs
Der Chef der Bahn sagt: „Das ist einer der anspruchsvollsten Jobs, die derzeit zu besetzen sind. Er oder sie muss im Mittelpunkt von Politik und Öffentlichkeit stehen, die Branche und das Eisenbahnsystem kennen und Führungserfahrung in einem großen Unternehmen haben.“
Schnieder sagte, der Bahnchef oder die Bahnchefin sei eine der herausforderndsten Aufgaben der deutschen Wirtschaft, was auch mit der besonderen Struktur zusammenhänge. Auf die Frage, welche Rolle das Gehalt spiele, sagte er, das, was anderswo in Dax-Konzernen gezahlt werde, werde bei der Bahn nicht gezahlt. «Aber ich habe nicht den Eindruck, dass man als Vorstandsvorsitzender bei der Deutschen Bahn verarmt.»
Nachfolger wird es nicht leicht haben
Wer auch immer die Nachfolge von Lutz antritt, wird es schwer haben. Die Bahn steckt in der tiefsten Krise ihrer Geschichte. Die Pünktlichkeit im Fernverkehr ist so schlecht wie noch nie seit der Bahnreform. Die Infrastruktur wird als marode und völlig überlastet angesehen. Den Konzern belasten außerdem seit Jahren Verluste und ein milliardenschwerer Schuldenberg – auch wenn dieser durch den Verkauf der Logistiktochter DB Schenker etwas reduziert werden konnte.
Mit neuen Mitarbeitern ist daher noch nicht alles abgeschlossen, betonte Schnieder. Der Schalter sei noch nicht umgelegt. Der Minister verwies auf den Koalitionsvertrag und strukturelle Reformen bei der Bahn. Bis Ende des Jahres sollte ein Großteil dessen, was man sich vorgenommen habe, zumindest umgesetzt sein. Die Bahn ist ein sehr komplexes Unternehmen. Davon können die Fahrgäste derzeit ein Lied singen.