Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

EU beschließt Lockerungen für Landwirte

Die EU-Staaten haben weitere Lockerungen für Landwirte beschlossen. Kritiker befürchten negative Auswirkungen auf die Umwelt und sehen die Glaubwürdigkeit der EU-Kommission gefährdet.

Die Umweltauflagen für Landwirte sollen auf EU-Ebene gelockert werden - das ist nicht unumstritten.
Foto: Marcus Brandt/dpa

Die EU-Staaten werden heute endgültig weitere Lockerungen für Landwirte beschließen. Nach den großen und auch gewaltsamen Bauernprotesten in verschiedenen europäischen Ländern haben sich die EU-Institutionen darauf geeinigt, dass lockerere Umweltauflagen ermöglicht und kleine Betriebe von Kontrollen befreit werden sollen. Die vorgeschlagenen Änderungen der EU-Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen wurden vor knapp drei Wochen vom EU-Parlament gebilligt.

In einem speziellen Ausschuss für Landwirtschaft hatten die EU-Staaten bereits am Mittwoch für die vorgeschlagenen Änderungen gestimmt. Die Entscheidung muss nun noch auf Ministerebene bestätigt werden, bevor die neuen Regeln in Kraft treten können. Deutschland hat sich bei der Abstimmung am Mittwoch enthalten.

Die Maßnahmen sind umstritten. Politikerinnen und Politiker haben parteiübergreifend betont, dass Landwirte unterstützt werden müssen. Viele Höfe in Deutschland kämpfen um ihr Überleben – zwischen 2020 und 2023 haben laut Statistischem Bundesamt allein in Deutschland 7800 Landwirte ihre Betriebe aufgegeben. Kritiker befürchten jedoch, dass die konkreten EU-Erleichterungen negative Auswirkungen auf die Umwelt haben könnten.

Zumindest Verbraucher werden von den neuen Regeln vermutlich zunächst wenig mitbekommen. Der Deutsche Bauernverband (DBV) geht nicht davon aus, dass sich die Lebensmittelpreise groß verändern. Diese hingen vor allem von weltweiten Erntemengen ab. Sebastian Lakner, Agrarprofessor der Uni Rostock, sieht das ähnlich. Die Kosten für die Agrarrohstoffe seien oft nur ein kleiner Teil der Lebensmittelkosten. «Das heißt, selbst wenn Weizenpreise steigen würden, wäre dies im Endprodukt kaum merkbar», sagte Lakner.

Weniger Umweltauflagen für Bauern

Die Änderungen betreffen hauptsächlich die Lockerung der Umweltstandards, die Bauern normalerweise einhalten müssen, um von den milliardenschweren EU-Agrarsubventionen zu profitieren. Es besteht die Möglichkeit, dass mehrere dieser Standards in Zukunft gelockert werden, wobei den EU-Staaten bei der Umsetzung ein gewisser Spielraum bleibt. Dies betrifft insbesondere die Verringerung der Flächen, die für die Bodenschonung brach liegen müssen.

Die EU-Staaten sollen zudem Ausnahmen von Umweltanforderungen erlassen könne, wenn «im Falle unvorhergesehener klimatischer Bedingungen» Landwirte die Regeln nicht einhalten können. Zudem ist vorgesehen, kleine Betriebe mit einer Fläche von weniger als zehn Hektar von Kontrollen und Strafen zu befreien. Lakner sieht diese Änderungen als Rückschritt. Brachen seien für die Biodiversität wichtig, Empfehlungen aus der Wissenschaft seien ignoriert worden. Auch der Verzicht auf Kontrollen sei problematisch, dadurch könne man nicht damit rechnen, dass Umweltregeln eingehalten würden. «Mit diesen Änderungen verliert die EU-Kommission jede umweltpolitische Glaubwürdigkeit», sagte Lakner. 

Der Deutsche Bauernverband (DBV) teilte mit, dass Landwirte auch unabhängig von der EU-Agrarpolitik zu einer umweltverträglichen Landwirtschaft stünden. Der Verband dringt darauf, dass Deutschland seine nationalen Regeln ändert, damit sich umweltfreundliche Maßnahmen von Landwirten – dazu zählen etwa Blühstreifen für Bienen und andere Tiere – mehr lohnen. Auch die FDP-Agrarpolitikerin Carina Conrad pocht auf bessere Anreize für Landwirte. «Effiziente Umweltpolitik funktioniert nicht durch pauschale Flächenstilllegung», sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende.  

Die Bundesregierung hatte den Lockerungen auf EU-Ebene wegen Bedenken mit Blick auf den Umweltschutz nicht zugestimmt. «Nach der regierungsinternen Diskussion, hat sich Deutschland letztlich enthalten, weil die Vorschläge der EU-Kommission eine pauschale Absenkung der Schutzstandards bedeuten», teilte das von den Grünen geführte Bundeslandwirtschaftsministerium mit. 

Bauernvertreter: Dringend benötigte Erleichterung

«Für die landwirtschaftlichen Betriebe bedeuten die beschlossenen Änderungen in erster Linie eine dringend erforderliche erste Erleichterung», teilte DBV-Präsident Joachim Ruckwied mit. Die Bundesregierung sei nun gefordert, den EU-Vorschlag eins zu eins umzusetzen. Weitere Entlastungen müssten von einer neuen EU-Kommission jedoch konsequent fortgesetzt werden. Im Sommer wird nach der EU-Wahl auch die EU-Kommission neu besetzt. Conrad spricht von einem «direkten ökonomischen Vorteil», den Betriebe hätten, wenn sie künftig weniger Flächen brach liegen lassen müssten. 

Lakner erwartet leichte Erleichterungen für Unternehmen. «An den Hauptursachen von Bürokratie in der Landwirtschaft, nämlich den Melde- und Dokumentationspflichten in der Tierhaltung, ändert sich dagegen nichts», sagte er der dpa. Umweltprobleme würden durch die Erleichterungen nicht verschwinden, daher sei damit zu rechnen, dass ähnliche oder strengere Umweltregeln kurz- oder mittelfristig wieder eingeführt würden.

dpa