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Hängepartie ums Verbrenner-Aus – EU-Abstimmung verschoben

Eigentlich sollte es nur noch eine Formalie sein: die endgültige Abstimmung der EU-Staaten über das pauschale Verbot neuer Verbrenner. Deutsche Forderungen verzögern das Verfahren nun jedoch.

Ein Pkw mit doppeltem Auspuff.
Foto: Oliver Berg/dpa

Die EU-Entscheidung über das geplante Aus für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 wird zu einer Hängepartie. Vor dem Hintergrund von Nachforderungen Deutschlands wurde eine endgültige Abstimmung auf unbestimmte Zeit verschoben, wie ein Sprecher des zuständigen schwedischen EU-Ratsvorsitzes in Brüssel mitteilte.

Kurz zuvor hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) in Berlin gesagt, dass Deutschland dem geplanten pauschalen Verbrenner-Aus ab 2035 zum derzeitigen Zeitpunkt nicht zustimmen kann.

Wissing bekräftigte die Forderung, die EU-Kommission müsse einen Vorschlag unterbreiten, wie «klimaneutrale» synthetische Kraftstoffe nach 2035 in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden können. Die Brüsseler Behörde müsse eine entsprechende Zusage erfüllen.

Auch Italien, Polen und Bulgarien wollen Plänen nicht zustimmen

Ohne die Zustimmung Deutschlands hätte die eigentlich für Dienstag geplante Abstimmung scheitern können. Notwendig für die Annahme des Gesetzes ist die Zustimmung durch 15 von 27 Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen müssen. Neben Deutschland wollten zuletzt auch Länder wie Italien, Polen und Bulgarien den Plänen so nicht zustimmen. Die 65-Prozent-Hürde würde dann ohne Deutschland nicht erreicht.

Eine Sprecherin der EU-Kommission erklärte am Freitag, man werde sich nun noch einmal genau anschauen, was von ihr gefordert werde. Die Behörde vertrat nach Angaben von Diplomaten bislang den Standpunkt, dass sie nach dem derzeitigen geplanten Gesetzestext keine Ausnahmeregelungen für normale Autos mit Verbrennermotor vorschlagen kann. Diese könnte es demnach nur für Spezialfahrzeuge wie zum Beispiel Feuerwehrautos geben.

Eigentlich hatten Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten sich bereits im Oktober darauf verständigt, dass in der EU ab 2035 nur noch Neuwagen verkauft werden dürfen, die im Betrieb keine Treibhausgase ausstoßen. Die ausstehende Abstimmung der EU-Staaten ist der allerletzte Schritt im Gesetzgebungsverfahren und eigentlich eine Formalie.

«Konflikt» mit der EU-Kommission

Wissing hatte jedoch bereits Anfang der Woche Widerstand gegen das Vorhaben angekündigt. Er begründete dies damit, dass die EU-Kommission bislang noch keinen Vorschlag dazu vorgelegt habe, wie nach 2035 nur mit klimaneutralen Kraftstoffen wie E-Fuels betankte Fahrzeuge zugelassen werden können. Dies war Teil der Einigung im Rat der EU-Staaten im Juni 2022, mit der die FDP zu einer Zustimmung innerhalb der Bundesregierung bewegt werden konnte.

Wissing berichtete von einem Gespräch mit dem zuständigen Kommissionsvize Frans Timmermans. «Das Gespräch hatte zu dem Ergebnis, dass Herr Timmermans keine Perspektive für sich gesehen hat, innerhalb der jetzt kurzen Zeit die Zusage der EU-Kommission zu erfüllen.» Wissing fügte hinzu: «Uns ist natürlich auch nicht entgangen, dass die EU-Kommission sich dahingehend geäußert hat, dass das Interesse, einen entsprechenden Vorschlag zu machen, nur eingeschränkt vorhanden ist.» Im Bundestag sprach Wissing von einem «Konflikt» mit der EU-Kommission.

Am Sonntag wird EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einer Klausur des Bundeskabinetts auf Schloss Meseberg erwartet, dem Gästehaus der Bundesregierung in Brandenburg. Dabei könnte es zu Gesprächen auch über das Verbrenner-Aus kommen. Das offizielle Thema beim Besuch von der Leyens sind wirtschaftliche Perspektiven Deutschlands und Europas.

Das Bundesumweltministerium von Ressortchefin Steffi Lemke (Grüne) hatte mit Blick auf Wissing erklärt, die EU-Mitgliedstaaten hätten schon im Juni mit überdeutlicher Mehrheit dafür gestimmt, dass ab 2035 nur noch Autos und leichte Nutzfahrzeuge neu zugelassen werden, die kein CO2 ausstoßen: «Deutschland steht hier auch in europäischer Verantwortung.» Die Autokonzerne bräuchten Planungssicherheit: «Viele Autokonzerne wollen die Umstellung auf E-Mobilität bereits wesentlich früher erreichen als 2035.»

Noch deutlich kritischer äußerten sich eutsche Europaabgeordnete. «Die heutige Verschiebung der Abstimmung zum Verbrenner-Aus ist eine Blamage für Deutschland, vor der EU und global. Wir schaffen Chaos, machen uns komplett unglaubwürdig und werden zum Bremsklotz beim Klimaschutz», kommentierte der Grünen-Politiker Michael Bloss. Der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Gruppe sagte: «Die Bundesregierung präsentiert sich in Brüssel als Chaostruppe.» Er unterstütze den Kurs von Wissing, man dürfe allerdings Zweifel daran haben, ob dieser seine Position innerhalb der Bundesregierung mehrheitsfähig machen könne.

Die FDP fordert seit langem den Einsatz von E-Fuels und Technologieoffenheit und betont, man dürfe nicht nur auf Elektroautos setzen. «Wir brauchen synthetische Kraftstoffe für die Bestandsflotte», sagte Wissing.

E-Fuels sind künstlich hergestellte Kraftstoffe. Technisch wird in der Regel aus Wasser mit Strom Wasserstoff hergestellt. Mit Kohlendioxid verbunden kann der Kraftstoff – nach Art der chemischen Verbindung – die Eigenschaft von Diesel, Benzin oder Kerosin haben. E-Fuels sind aber wegen hoher Wirkungsverluste und Kosten bei der Herstellung umstritten.

Audi-Chef Markus Duesmann warnte vor einer Abkehr vom geplanten Verbrenner-Aus für Pkw. Er sagte dem «Spiegel», im Pkw-Segment würden synthetische Kraftstoffe mittelfristig keine große Rolle spielen. «Audi hat eine klare Entscheidung getroffen: Wir steigen 2033 aus dem Verbrenner aus, weil das batterieelektrische Fahrzeug die effizienteste Methode für Individualmobilität ist.» E-Fuels seien in der Herstellung deutlich ineffizienter und dadurch erheblich teurer. Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan sprach von einem «Erpressungsversuch» Wissings. Dadurch seien zentrale Fortschritte im europäischen Klimaschutz in Gefahr.

dpa