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Deutschlands Wirtschaft schrumpft leicht, EU-Prognose warnt vor Abwärtsrisiken

Europäische Wirtschaft wächst wieder, aber mit erheblichen Unsicherheiten und Risiken. Deutschland nicht mehr Wachstumsmotor.

Für das laufende Jahr rechnen die Experten mit einem Wachstum der Wirtschaft der Europäischen Union von 0,9 Prozent. (Archivbild)
Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Laut einer Prognose der EU-Kommission wird die Wirtschaft Deutschlands in diesem Jahr leicht schrumpfen. Die Behörde prognostiziert einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,1 Prozent. Europaweit wird ein etwas langsameres Wachstum erwartet: Für 2024 wird ein Wirtschaftswachstum der EU von 0,9 Prozent prognostiziert – im Vergleich zu den zuvor erwarteten 1,0 Prozent im Mai. Für die Eurozone wird weiterhin ein Plus von 0,8 Prozent vorhergesagt.

«Nach der Stagnation, die wir im Jahr 2023 hatten, wächst die europäische Wirtschaft wieder», sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni bei der Vorstellung der Herbst-Prognose. Allerdings bleibe das Wachstum bescheiden und sei erheblichen Abwärtsrisiken ausgesetzt. «Die Aussichten sind nach wie vor höchst unsicher», so Gentiloni weiter. Er verwies etwa auf den anhaltenden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, den Konflikt im Nahen Osten als auch auf zunehmende Umweltrisiken, wie die jüngsten Überflutungen in Spanien zeigten. 

Schwächelnder Wachstumsmotor

Deutschland war lange Zeit der Wachstumsmotor in Europa – das ist jedoch nicht mehr der Fall. Es wäre das zweite Jahr in Folge, in dem die deutsche Wirtschaft schrumpft, nach einem Minus von 0,3 Prozent im letzten Jahr. Gründe für den Rückgang sind unter anderem eine schwache Nachfrage nach Industriegütern, hohe Unsicherheit, Arbeitskräftemangel und eine hohe Sparquote der Verbraucher aufgrund schlechter Konsumlaune. Die EU-Kommission hatte in ihrer vorherigen Prognose im Mai noch ein minimales Wachstum von 0,1 Prozent für Deutschland im Jahr 2024 erwartet.

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wird nur in Estland (-1 Prozent), Irland (-0,5 Prozent), Österreich (-0,6 Prozent) und Finnland (-0,3 Prozent) ein Rückgang des BIP für dieses Jahr prognostiziert. Brüssel erwartet hingegen ein Wachstum in anderen großen Volkswirtschaften wie Frankreich (1,1 Prozent) oder Spanien (3 Prozent).

Der deutsche Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat kürzlich seine Schätzung gesenkt und prognostiziert, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 0,1 Prozent schrumpfen wird. Für das nächste Jahr erwartet er nur ein Mini-Plus des Bruttoinlandsprodukts von 0,4 Prozent, während die EU-Kommission von einem Plus von 0,7 Prozent ausgeht.

Wachsende Unsicherheit nach Ampel-Aus?

Im Oktober senkte die Bundesregierung ihre Konjunkturprognose und prognostiziert für 2024 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent. Ein Grund dafür ist die Unsicherheit bei Unternehmen und Bürgern, die Investitionen zurückhalten. Diese Unsicherheit könnte nach dem Scheitern der Ampelkoalition noch weiter zunehmen. Für das kommende Jahr wird in Berlin ein Wachstum von 1,1 Prozent erwartet. Die Bundesregierung setzt dabei auch auf eine geplante Wachstumsinitiative, die unter anderem Steuererleichterungen vorsieht. Ob diese Maßnahmen zumindest teilweise bis zum Jahresende umgesetzt werden, ist nach dem Bruch der Regierung völlig ungewiss.

Die schwache Konjunktur in Deutschland macht sich auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Laut Daten des Statistischen Bundesamts sinkt die Anzahl der Unternehmen und der Pessimismus unter den Firmen nimmt zu.

Kommission rechnet im nächsten Jahr mit Plus

Im nächsten Jahr wird in Brüssel dennoch mit einem Wirtschaftswachstum der EU von 1,5 Prozent und der Eurozone von 1,3 Prozent gerechnet. Für das Jahr 2026 erhöht die Kommission ihre Prognose weiter und erwartet ein Wachstum von 1,8 Prozent in der EU und 1,6 Prozent in der Eurozone. Die EU-Kommission prognostiziert für Deutschland im Jahr 2026 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 1,3 Prozent.

Laut der Schätzung der Kommission wird sich die jährliche Inflation in der Eurozone von 5,4 Prozent im Jahr 2023 in diesem Jahr auf 2,4 Prozent mehr als halbieren. Die Experten erwarten, dass sie in den Jahren 2025 (2,1 Prozent) und 2026 (1,9 Prozent) weiter abnehmen wird.

Geopolitische Herausforderungen für Europa wachsen

Die Beziehungen zum wichtigen Handelspartner USA unter dem künftigen Präsidenten Donald Trump stellen eine weitere Herausforderung für die EU dar. Noch vergangene Woche hatten die EU-Staats- und Regierungschefs es als oberste Priorität bezeichnet, einen Wirtschaftskrieg mit den Vereinigten Staaten zu vermeiden. Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, auf Importe neue Zölle in Höhe von 10 bis 20 Prozent einführen zu wollen, um den Produktionsstandort USA zu stärken. «Die Kommission wird mit der neuen US-Regierung zusammenarbeiten, um eine starke transatlantische Agenda voranzutreiben und sicherzustellen, dass die internationalen Handelskanäle offen bleiben und gleichzeitig sicherer werden», sagte Gentiloni nun.

Auch im Handelsstreit mit China befindet sich die EU in einer schwierigen Situation. Seit Ende Oktober gelten Zusatzzölle für Elektroautos, die aus China importiert werden. Die Kommission betrachtet sie als notwendig, um die Zukunft der Autoindustrie in der EU langfristig zu sichern. Die Regierung in Peking wirft der EU Protektionismus vor und hat in der Vergangenheit mit höheren Zöllen gedroht, insbesondere für die Einfuhr von Verbrennungsmotoren mit großem Hubraum aus der EU in die Volksrepublik. Besonders deutsche Autobauer wären davon betroffen.

dpa