Im Supermarkt dürfen künftig genveränderte Lebensmittel ohne spezielle Kennzeichnung liegen. Das sieht ein Deal von EU-Staaten und Europaparlament vor. Die finale Annahme ist nun einen Schritt weiter.
EU-Staaten stimmen für lockerere Gentechnik-Vorgaben

Es gibt eine Mehrheit unter den EU-Staaten, die dafür ist, dass Lebensmittel in Zukunft ohne spezielle Kennzeichnung im Supermarkt verkauft werden dürfen. Im Ausschuss der Ständigen Vertreter haben genügend EU-Staaten ihre Unterstützung für die Lockerung der entsprechenden Gentechnikvorgaben signalisiert.
Deutschland enthielt sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bei der Aussprache. Auch acht weitere Länder stimmten dem Vorhaben nicht zu, eine ausreichende Mehrheit gab es trotzdem. «Mit dieser Vereinbarung haben wir einen großen Schritt zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Agrar- und Lebensmittelsektors getan», teilte die dänische EU-Ratspräsidentschaft mit.
Die Dänen sagen, dass Landwirte neue und sichere Instrumente erhalten haben, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Außerdem wird die Landwirtschaft nachhaltiger und widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel. Dänemark wird den Vorsitz unter den EU-Staaten noch bis Jahresende innehaben.
Vor etwa zwei Wochen hatten Unterhändler des Europaparlaments und der Mitgliedsstaaten vereinbart, dass es in Zukunft zwei Kategorien von Gentechnik geben soll. Lebensmittel, die weniger stark genetisch verändert wurden, sollen ohne spezielle Prüfung und Kennzeichnung in den Supermarkt gelangen dürfen. Für Lebensmittel mit größeren genetischen Veränderungen gelten weiterhin strengere Vorschriften.
Verbraucher müssen künftig genauer hinschauen
Sollten die neuen Vorgaben auch offiziell bestätigt werden, werden Verbraucher zukünftig nicht mehr auf den ersten Blick erkennen können, ob sie genetisch veränderte Lebensmittel durch moderne Gentechnikverfahren konsumieren.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband sieht darin eine «herbe Enttäuschung». Die Verbraucherorganisation Foodwatch spricht von einem Geschenk an die Agrar-Lobby. Produkte, in denen gekennzeichnete gentechnisch veränderte Pflanzen verarbeitet sind, haben in Deutschland im Verkauf derzeit keine Bedeutung.
Wer die neuen Züchtungsmethoden auch künftig nicht auf dem Teller haben will, kann sich an dem Label «Ohne Gentechnik» orientieren. Das soll laut dem dahinterstehenden Verband auch künftig Gentechnikfreiheit garantieren.
Gentechnikfrei soll in Zukunft auch weiterhin die Biolandwirtschaft bleiben. Jedoch soll es laut Parlament keinen Verstoß darstellen, wenn es um ein «technisch unvermeidbares Vorhandensein» von Gentechnik geht. Eine Kennzeichnungspflicht für Saatgut soll es ermöglichen, weiterhin gentechnikfrei zu arbeiten.
Die nächsten Schritte
Nachdem die EU-Staaten ihre Zustimmung zum ausgehandelten Kompromiss gegeben haben, wird der Umweltausschuss des Europaparlaments bei seiner nächsten Sitzung im Januar über die Einigung abstimmen. Danach werden die Texte übersetzt und von den EU-Staaten formell angenommen. Abschließend muss auch das Europaparlament sein endgültiges grünes Licht geben.
«Zum jetzigen Zeitpunkt können wir Ihnen noch keine genaueren Angaben zum Zeitplan machen», heißt es aus dem Europaparlament mit Blick auf ein mögliches Datum für die endgültige Annahme. Wenn alle formellen Schritte abgeschlossen sind, wird der Rechtstext im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt 20 Tage später in Kraft. Angewendet werden sollen die neuen Vorgaben nach einer Übergangszeit von zwei Jahren.
Neue Sorten unterliegen weiterhin einer Prüfung
Neue Sorten werden auch weiterhin gemäß den gesetzlichen Vorschriften für Sortenprüfung und -zulassung überprüft. Das bedeutet: Auch in Zukunft werden genetisch veränderte Pflanzen nicht ohne Prüfung auf den Markt kommen. Denn auch bei herkömmlichen Züchtungsmethoden bestehen Risiken.
Ein bekanntes Beispiel ist die konventionell gezüchtete Lenape-Kartoffel. Durch die Einkreuzung einer schädlingsresistenten Wildkartoffel enthielt sie einen erhöhten Gehalt an natürlichen giftigen Glykoalkaloiden. Die Sorte musste daraufhin vom Markt genommen werden.
Befürworter sehen hohes Potenzial
Viele Wissenschaftler erkennen ein großes Potenzial. Es wird gehofft, eine Weizensorte zu züchten, die gegen den Pilz Mehltau resistent ist. Ebenso sind stressresistente Maispflanzen oder allergenfreie Erdnüsse möglich. Befürworter erwarten auch positive Auswirkungen von besonders widerstandsfähigen Pflanzen im Hinblick auf Hunger und Klimakrise.
Befürworter erwarten außerdem, dass europäische Landwirte wettbewerbsfähiger werden. In anderen Ländern gibt es bereits weniger strenge Regeln für moderne Gentechnikverfahren.
Kritiker warnen vor Risiken
Unter anderem steht die Befürchtung im Raum, dass neue Gentechnik-Methoden weitreichend genutzt werden – also für deutlich mehr als Veränderungen, die auch herkömmlich entstehen könnten. Die Ökologin Katja Tielbörger warnte in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» davor, dass sich gentechnisch veränderte Pflanzen in der Wildnis ausbreiten könnten. Dies berge Risiken für das Gleichgewicht eines Ökosystems.








