Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

EuGH kippt zentrale Vorgaben der EU-Mindestlohnrichtlinie

Darf die EU Kriterien für die Festsetzung von angemessenen Mindestlöhnen vorgeben? Das höchste europäische Gericht sagt in einem neuen Urteil Nein. Der Kläger bekommt aber nur teilweise recht.

Der Europäische Gerichtshof hat ein mit Spannung erwartetes Urteil zur EU-Mindestlohnrichtlinie gesprochen. (Archivbild)
Foto: Harald Tittel/dpa

Die EU hat ihre Befugnisse überschritten, als sie einheitliche Standards für Mindestlöhne festlegte. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg erklärte zwei Bestimmungen in der EU-Mindestlohnrichtlinie für nichtig. Dabei handelt es sich einerseits um Kriterien für die Festlegung und Aktualisierung der Löhne und andererseits eine Vorschrift, die eine Senkung der Löhne unterbindet, wenn sie einer automatischen Indexierung unterliegen. Dänemark hatte gegen das 2022 von den EU-Staaten per Mehrheitsentscheidung beschlossene Regelwerk geklagt. Der Gerichtshof gab dem Land damit teilweise recht.

Die Richterinnen und Richter urteilten, dass es ein direkter Eingriff in die Festlegung des Arbeitsentgelts sei, dass der EU-Gesetzgeber Kriterien für die Festlegung der Mindestlöhne aufgeführt habe. Die Höhe der Löhne ist jedoch gemäß den EU-Verträgen Sache der Mitgliedstaaten. Die EU kann lediglich mit Richtlinien beispielsweise Arbeitsbedingungen regeln. Das Gleiche gilt für die Vorschrift, die eine Senkung der Löhne unterbindet, wenn sie einer automatischen Indexierung unterliegen.

Richtlinie muss nicht abgeschafft werden

Die Mindestlohnrichtlinie bleibt laut Urteil bestehen. Die Länder sind weiterhin verpflichtet, auf hohe Tarifvertragsabdeckungsraten hinzuwirken. Der EuGH hat festgestellt, dass dies kein direkter Eingriff in das Koalitionsrecht ist, das ebenfalls in der Zuständigkeit der EU-Länder liegt. Die Bestimmung zwingt die Mitgliedstaaten nicht dazu, mehr Arbeitnehmer dazu zu bringen, einer Gewerkschaft beizutreten.

Das bedeutet für Deutschland, dass das Land weiterhin einen Aktionsplan zur Erhöhung der Tarifbindung vorlegen muss. Die Verpflichtung ergibt sich aus der Mindestlohnrichtlinie, wenn weniger als 80 Prozent der Beschäftigten durch Tarifverträge abgedeckt sind. Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat Deutschland dies bisher noch nicht getan, obwohl der Schwellenwert nicht erreicht wird. Dies soll bis zum 31. Dezember erfolgen. Es wurden bereits Stellungnahmen der Sozialpartner eingeholt.

«Entgegen dem europäischen Trend ist die Tarifabdeckung in Deutschland in den letzten zwei Dekaden rapide gesunken, auf um die 50 Prozent», sagte der Politikwissenschaftler Martin Höpner vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung. Das sei dramatisch, der deutsche Gesetzgeber sollte hier unbedingt mehr tun, so Höpner. Dies könne er jedoch sowohl mit als auch ohne EU-Richtlinie.

Keine direkte Auswirkung auf deutschen Mindestlohn

Die Entscheidung hat keine direkte Auswirkung auf die Höhe des Mindestlohns in Deutschland. Die Bundesregierung hatte kürzlich beschlossen, dass der aktuelle Mindestlohn von 12,82 Euro zum 1. Januar auf 13,90 Euro pro Stunde und ein Jahr später um weitere 70 Cent auf 14,60 Euro pro Stunde steigt.

Es ist immer noch unklar, ob und in welchem Ausmaß die nationalen Regelungen im Mindestlohngesetz, die seit elf Jahren gelten, an EU-Recht angepasst werden müssen. Im Zusammenhang mit der EU-Mindestlohnrichtlinie wurde schon lange gefordert, dass Arbeitgeber mindestens 60 Prozent des mittleren Bruttolohns in Deutschland zahlen sollten. Der mittlere Bruttolohn ist der Lohn, bei dem die eine Hälfte der Beschäftigten mehr verdient und die andere Hälfte weniger. Die Mindestlohnrichtlinie sieht vor, dass bei der Bewertung der Angemessenheit des Lohns solche Referenzwerte herangezogen werden sollen. Wenn der mittlere Lohn verwendet worden wäre, hätte der Mindestlohn in Deutschland laut Gewerkschaftsangaben eigentlich auf über 15 Euro angehoben werden müssen.

dpa