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Europaparlament gibt grünes Licht für neue EU-Schuldenregeln

Monatelang wurde über Europas neue Regen für Haushaltsdefizite und Staatsschulden diskutiert. Die EU-Abgeordneten sprechen sich nun für einen umstrittenen Kompromiss aus. Zufrieden sind nicht alle.

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Foto: ---/dpa-Infografik/dpa

Das Europäische Parlament hat den Weg für neue Regeln für Haushaltsdefizite und Staatsschulden in der EU frei gemacht. Die Abgeordneten stimmten in Straßburg mehrheitlich einem umstrittenen Kompromiss für die Reform des sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakts zu. Demnach sollen künftig etwa klare Mindestanforderungen für das Senken von Schuldenstandsquoten für hoch verschuldete Länder gelten. Gleichzeitig soll bei EU-Zielvorgaben die individuelle Lage von Ländern stärker berücksichtigt werden.

Im Grunde soll in der EU unter den neuen Vorschriften weiterhin gelten, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Außerdem soll das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit – also die vor allem durch Kredite zu deckende Lücke zwischen den Einnahmen und Ausgaben des öffentlichen Haushalts – unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gehalten werden.

Auch Schutzmaßnahmen geplant

Zusätzlich sind geplante Schutzmaßnahmen: Länder mit einer hohen Verschuldung (über 90 Prozent) müssen ihre Schuldenquote jährlich um einen Prozentpunkt reduzieren, während Länder mit Verschuldungen zwischen 60 und 90 Prozent um 0,5 Prozentpunkte senken müssen.

Die EU-Kommission, die für die Aufsicht zuständig ist, sollte während einer Übergangszeit den Anstieg der Zinszahlungen bei der Berechnung der Anpassungsanstrengungen berücksichtigen können. Falls Mitgliedstaaten überzeugende Reform- und Investitionspläne vorlegen, die die Widerstandsfähigkeit und das Wachstumspotenzial verbessern, könnte auch der Zeitraum zur Schuldenverringerung verlängert werden.

Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber, wirtschaftspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, äußerte seine Zustimmung. «Mit den neuen EU-Schuldenregeln kehren wir zu einer verantwortungsvollen EU-Haushaltspolitik zurück.» Das neue Regelwerk sorgt für mehr Transparenz und festigt die Wirtschafts- und Währungsunion auf einem soliden Fundament.

Kritiker haben immer wieder betont, dass die Regeln notwendige Investitionen in Bereiche wie den Klimaschutz oder das Sozialwesen einschränken. Eine Analyse des Europäischen Gewerkschaftsbunds (EGB) und der New Economics Foundation (NEF) ergab Anfang April, dass ab 2027 nur noch Dänemark, Schweden und Irland in der Lage sein werden, die erforderlichen Ausgaben zu tätigen, wenn die geplanten Regeln eingehalten werden. Auch in Deutschland würden Investitionen stark behindert, so die Aussage.

Kritik auch von den Grünen

Auch die Grünen kritisierten die Reformpläne. «Anstatt Schuldentragfähigkeit, nachhaltige Finanzen und ausreichend Raum für Investitionen in die grüne Transformation zusammenzurechnen, setzten die neuen Regeln trotz gebotener Vorsicht beim Thema Gegenfinanzierung auf einen Schuldenabbau, der den Bedürfnissen dieser Zeit nicht gerecht wird», sagte die Europaabgeordnete Henrike Hahn nach der Abstimmung.

Der Chef der christdemokratischen EVP-Fraktion, Manfred Weber, sagte, die Grünen spielten mit dem Feuer. «Sie haben nichts aus der Euro-Krise gelernt.» Es reiche nicht, nur bei Sonntagsreden pro-europäisch zu reden, entscheidend sei das politische Handeln.

Vertreter des Europaparlaments und der Regierungen der Mitgliedstaaten haben sich Anfang Februar nach einer langen Debatte auf den umstrittenen Kompromiss geeinigt. Nach der Abstimmung im Plenum des Europaparlaments müssen auch die EU-Staaten die neuen Regeln noch bestätigen. Dies ist in der Regel eine Formalität und für die kommende Woche geplant.

Kritiker: Bisheriges Regelwerk zu kompliziert

Das bisherige Regelwerk zur Überwachung und Durchsetzung dieser Vorgaben wird von Kritikern seit langem als zu kompliziert und zu streng angesehen. Deswegen soll es reformiert werden. Bei Übertreten der Obergrenzen können Schulden-Strafverfahren, sogenannte Defizitverfahren, eingeleitet werden. Dann muss ein Land Gegenmaßnahmen einleiten, um Verschuldung und Defizit zu senken. Damit soll vor allem die Stabilität der Eurozone gesichert werden.

Die Strafverfahren wegen der Corona-Krise sowie der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine waren zuletzt ausgesetzt. Insbesondere im Jahr 2020 lagen die Defizite in fast allen EU-Ländern deutlich über der Drei-Prozent-Marke. Ab diesem Frühjahr sollen die Defizitverfahren wieder eröffnet werden können. Laut den neuesten Daten des EU-Statistikamtes Eurostat haben mehrere Länder im vergangenen Jahr die Regeln gebrochen.

Die Einigung für die Reform der aus den 1990er Jahren stammenden Regeln basierte auf Vorschlägen der EU-Kommission. Obwohl die Bundesregierung sie als zu weitreichende Aufweichung des sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakts kritisiert hatte, hatten sich die Regierungen der EU-Staaten nach monatelangen Verhandlungen auf zahlreiche Veränderungen verständigt.

dpa