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EU-Parlament stimmt über Lieferkettengesetz ab

Deutschland unterstützt es nicht, müsste es aber trotzdem umsetzen. Unternehmen sollen zur Rechenschaft gezogen werden bei Menschenrechtsverletzungen.

Ein Mann arbeitet in der Mine Zola Zola bei Nzibira in der ostkongolesischen Provinz Süd-Kivu. Heute stimmt das EU-Parlament in Straßburg darüber ab.
Foto: Jürgen Bätz/dpa

Nach langem Kampf gibt es einen offensichtlich mehrheitsfähigen Kompromiss für ein abgeschwächtes europäisches Lieferkettengesetz. Heute stimmt das EU-Parlament in Straßburg darüber ab. Deutschland unterstützt das Vorhaben zwar nicht, müsste es aber trotzdem umsetzen.

Was ist das Ziel des EU-Lieferkettengesetzes?

Das Ziel des EU-Lieferkettengesetzes besteht darin, die Menschenrechte weltweit zu stärken. Es soll sicherstellen, dass große Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren. Darüber hinaus sollen sie Berichte darüber erstellen, ob ihr Geschäftsmodell mit dem Ziel vereinbar ist, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.

Wie wurde das Gesetz im Verhandlungsprozess abgeschwächt?

Ursprünglich war geplant, dass Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem Umsatz von mindestens 150 Millionen Euro von den Vorgaben betroffen sind. Diese Schwelle wurde jedoch auf 1000 Mitarbeiter und 450 Millionen Euro angehoben, nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren. Nach drei Jahren sollen die Vorgaben zunächst für Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern und einem Umsatz von über 1,5 Milliarden Euro weltweit gelten, nach vier Jahren werden diese Grenzen dann auf 4000 Mitarbeiter und 900 Millionen Euro Umsatz gesenkt.

Inwiefern unterscheiden sich die Lieferkettengesetze?

Einer der signifikantesten Unterschiede besteht in der Haftbarkeit. Im deutschen Gesetz ist es nicht vorgesehen, dass Unternehmen für Verletzungen der Sorgfaltspflicht haftbar gemacht werden können. In der EU-Version hingegen ist dies möglich. Zudem betrifft das deutsche Lieferkettengesetz Unternehmen mit 1000 oder mehr Mitarbeitern. Somit sind in den nächsten Jahren mehr Unternehmen von der deutschen Version betroffen als von der EU-Version.

Was passiert bei Verstößen gegen das Gesetz?

Die EU-Mitgliedsstaaten müssen eine Aufsichtsbehörde benennen, die die Unternehmen überwacht. Diese Behörde soll auch in der Lage sein, Geldstrafen gegen Unternehmen zu verhängen, die sich nicht an die Vorschriften halten. Die Geldstrafen können bis zu 5 Prozent des weltweiten Nettoumsatzes eines Unternehmens betragen.

Wie sehen Wirtschaftsexperten das Vorhaben?

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht das Vorhaben trotz der Änderungen kritisch. Diese seien aus Sicht der Wirtschaft zwar positiv zu bewerten aber «auch leicht abgespeckt bleibt die EU-Lieferkettenrichtlinie wenig praxistauglich und wird viel Bürokratie mit sich bringen», sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. Rechtsunsicherheit bestehe weiter.

Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hat sich nachdrücklich für das Vorhaben ausgesprochen. Ohne eine EU-Version des Gesetzes würde Deutschland einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden erleiden, so seine Aussage.

Welche Rolle spielt Deutschland bei den Verhandlungen?

Deutschland hat sich bei der Abstimmung im Ausschuss der ständigen Vertreter der EU-Mitgliedstaaten enthalten. Dies lag – wie des Öfteren – an Uneinigkeit innerhalb der Bundesregierung. Wichtige EU-Gesetze werden in Brüssel immer wieder ohne deutsche Zustimmung verabschiedet. Wenn sich die Bundesregierung auf keine einheitliche Position einigen kann, schwächt das die Verhandlungsposition Deutschlands in Brüssel.

In diesem Fall hat die FDP darauf bestanden, dass Deutschland dem Gesetz nicht zustimmt, aus Angst vor Bürokratie und rechtlichen Risiken für Unternehmen. Politiker von SPD und Grünen unterstützen jedoch das Vorhaben.

dpa