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Experte sieht dauerhaften Aufschwung der Rüstungsindustrie

Früher oft verpönt, heute klar im Trend: Ein Job bei einer Rüstungsfirma hat messbar an Beliebtheit gewonnen. Warum ein Arbeitsmarktexperte die Branche gar langfristig im Aufwind sieht.

Rüstungsfirmen wie Rheinmetall verzeichnen deutlich steigende Bewerberzahlen und stellen zudem mehr neue Beschäftigte ein. (Symbolbild)
Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Enzo Weber, Arbeitsmarktforscher, prognostiziert einen langanhaltenden Aufschwung in der deutschen Rüstungsindustrie. Der Experte vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass der positive Trend in der Branche nachhaltig sei und voraussichtlich über viele Jahre anhalten werde.

Die Finanzierungsmöglichkeiten seien durch die Ausnahme bei der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben gesichert, so der Leiter des IAB-Forschungsbereichs für Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen. Laut einer Studie mit Beteiligung des IAB könnten bis zu 200.000 Arbeitsplätze entstehen, wenn Deutschland seine Verteidigungsausgaben schuldenfinanziert von 2 auf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen würde.

Staat soll mit Mitteln Wettbewerb und Innovation schaffen

«Nun kommt es darauf an, ob nur Geld ausgegeben wird, oder auch eine industrielle Erneuerung gelingt», sagte Weber mit Blick auf die Finanzierungsmöglichkeiten des Bundes. Mit den Mitteln müsse der Staat auch Wettbewerb und Innovation schaffen und eine Trendwende in der Industrie anstoßen.

Weber sieht die Rüstungsbranche im Gegensatz zur restlichen Industrie in Deutschland seit rund zwei Jahren im Aufwind mit deutlich steigenden Beschäftigungszahlen. Ebenso steigt die Zahl der Stellenausschreibungen, während sie in der übrigen Industrie deutlich rückläufig ist.

Deutlich mehr Bewerber bei Rüstungsfirmen

Beim Rüstungskonzern Rheinmetall sind die Bewerberzahlen in den letzten Jahren stetig gestiegen, wie ein Sprecher auf Anfrage bestätigte. Im Jahr 2021 gab es noch etwa 59.000 Bewerbungen aus Deutschland, während es 2024 bereits 175.000 waren. In der ersten Hälfte dieses Jahres gingen allein 120.000 Bewerbungen aus Deutschland ein.

Seit Anfang des Jahres hat der Hersteller von Panzern und Flugabwehrsystemen monatlich etwa 500 neue Mitarbeiter eingestellt. Die meisten der neuen Stellen, nämlich fast 2.000, wurden im Bereich Produktion sowie im IT-Sektor geschaffen. Aktuell werden hauptsächlich Mitarbeiter in den Bereichen Produktentwicklung und Produktion gesucht, wie zum Beispiel Ingenieure oder Mechatroniker.

Veränderte Wahrnehmung der Verteidigungsindustrie 

Auch Renk, ein Rüstungszulieferer aus Augsburg, plant, die Anzahl seiner Mitarbeiter in den kommenden Jahren weiter zu erhöhen. Ein Sprecher teilte mit, dass aufgrund der deutlich gesteigerten Effizienz der Produktion nicht so viele Mitarbeiter benötigt werden, wie noch 2023 angenommen.

Auch der Mischkonzern Diehl verzeichnet steigende Bewerberzahlen für seine Rüstungssparte. In den vergangenen Jahren wurden kontinuierlich mehrere Hundert Menschen in der Konzernsparte Defence eingestellt, wie eine Sprecherin mitteilte. Im Jahr 2024 waren es mehr als 1.000. Die Einstellungen sollen in dieser Größenordnung fortgesetzt werden und der Trend wird bis 2026 anhalten.

Laut Angaben des Unternehmens beobachtet es einen Imagewandel der Rüstungsbranche bei Bewerbern und in weiten Teilen der Gesellschaft. Diehl stellt unter anderem das Luftabwehrsystem Iris-T her, das auch in der Ukraine eingesetzt wird.

Strauchelnde Automobil- und Zuliefererindustrie bietet Potenzial

Potenzial für die Rüstungsindustrie sieht der Arbeitsmarktexperte Weber etwa bei den Beschäftigten der strauchelnden Automobil- und Zuliefererindustrie. Deren Fachkräfte seien attraktiv für Rüstungsunternehmen. «Durch Beratung, Vermittlung und gezielte Qualifizierung kann es gelingen, dass sie in einer für sie neuen Branche Fuß fassen.»

Die Rüstungsindustrie sei aber zu klein, um den Abwärtstrend der Industrie in Deutschland im Alleingang aufzuhalten. Derzeit seien in der Rüstungsindustrie im engeren Sinne rund 17.000 Menschen in Deutschland beschäftigt. «Damit sind Unternehmen gemeint, die Waffen und Munition oder Kampffahrzeuge herstellen und nicht reine Zulieferer etwa für Reifen oder Firmen, die zum Beispiel Kommunikationssysteme produzieren, die zivil und militärisch genutzt werden können.»

dpa