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Fachkräftemangel in Deutschland 2023 leicht gesunken

Die Fachkräftelücke verringerte sich um 62.000 offene Stellen, jedoch kein Zeichen für Erholung aufgrund der eingetrübten Konjunktur.

Viele Lokführer und Busfahrer gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand.
Foto: Oliver Berg/dpa

Im Jahr 2023 hat sich die Fachkräftelücke in Deutschland leicht verringert. Laut dem Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (Kofa) des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) konnten 570.000 offene Stellen nicht mit qualifizierten Kandidaten besetzt werden. Dies sind 62.000 weniger als im Vorjahr, was einem Rückgang von knapp zehn Prozent entspricht. Im Jahr 2022 erreichte der Fachkräftemangel den höchsten Stand seit Beginn des Beobachtungszeitraums im Jahr 2010.

Dass die Zahlen gesunken sind, ist der Untersuchung zufolge kein Zeichen für Erholung. Aufgrund der eingetrübten Konjunktur habe es mehr arbeitslose qualifizierte Fachkräfte und weniger offene Stellen gegeben. «Trotz ihres Rückgangs ist die Fachkräftelücke weiterhin auf einem sehr hohen Niveau», sagte Studienautor Jurek Tiedemann. Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage sei 2024 erneut mit einer Verringerung zu rechnen, bei einem Aufschwung dagegen mit einem rapiden Anstieg. 

Der Mangel an Fachkräften hat besonders in Verkehrsberufen in letzter Zeit zugenommen. Den höchsten prozentualen Anstieg verzeichneten Bus- und Straßenbahnfahrer. Es gab einen Mangel an 3594 Beschäftigten, fast 90 Prozent mehr als im Vorjahr. Bei Lokführern waren mehr als 4000 Stellen unbesetzt. Die größten Lücken bestehen jedoch weiterhin im Bereich Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung. Hier konnten im Durchschnitt sechs von zehn offenen Stellen nicht besetzt werden.

In der Gesundheits- und Krankenpflege fehlten im vergangenen Jahr 17.656 Fachkräfte, in der Kinderbetreuung und -erziehung waren 30.311 Stellen unbesetzt – so viele wie in keinem anderen Beruf. «Um mehr Menschen für eine Tätigkeit in diesem Berufsbereich zu gewinnen, ist es wichtig, die Berufe attraktiver zu gestalten», so Tiedemann. Erhebliche Engpässe gebe es auch im Handwerk sowie in Berufen, die für das Erreichen der politischen Klimaziele, den Wohnungsbau und den digitalen Wandel relevant sind.

Frauenberufe stärker betroffen

Gemäß einer kürzlich veröffentlichten Studie des IW sind Frauen in der deutschen Wirtschaft eher vom Fachkräftemangel betroffen. Berufe wie Kinderbetreuung, Erziehung und Sozialpädagogik, die typischerweise von Frauen ausgeübt werden, leiden demnach stärker unter den Auswirkungen. Die Forscher stellen fest, dass es bisher nur teilweise gelungen ist, diese Berufe auch für Männer attraktiver zu gestalten.

Dem Statistischen Bundesamt zufolge waren Ende 2023 in Deutschland mit rund 46,2 Millionen so viele Menschen erwerbstätig wie noch nie. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat angesichts des Fachkräftemangels kürzlich dennoch zu verstärkter Beschäftigung unter anderem von Frauen, Älteren und Ausländern aufgerufen. Deutschland brauche mehr Fach- und Arbeitskräfte, um das Potenzial «als drittstärkste Volkswirtschaft voll auszuschöpfen».

Laut dem Statistischen Bundesamt wird der Bedarf an zusätzlichen Pflegekräften bis 2049 auf mindestens 280.000 steigen. Aufgrund des demografischen Wandels ist Deutschland für die Zuwanderung von Fach- und Arbeitskräften aus dem Ausland angewiesen. In Reinigungsberufen haben sechs von zehn Erwerbstätigen eine Einwanderungsgeschichte, in der Gastronomie fast jeder Zweite.

Umfrage: Wohnungsnot verschärft Mangel

Die Studienautoren des Kofa empfehlen, um die Lücke zu schließen, An- und Ungelernte zu qualifizieren und ausländische Fachkräfte zu rekrutieren. Darüber hinaus seien zusätzliche Anreize erforderlich, um ältere Arbeitnehmer länger in Beschäftigung zu halten.

Die Bundesregierung hat kürzlich die Vorschriften gelockert, um mehr Nicht-EU-Bürger auf den Arbeitsmarkt zu ziehen. Am 1. März trat das Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung in Kraft. Personen aus Drittstaaten können nun in Deutschland arbeiten, wenn sie mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Herkunftsland staatlich anerkannten Berufs- oder Hochschulabschluss haben. Es ist nicht erforderlich, eine in Deutschland anerkannte Ausbildung nachzuweisen.

Eine Hürde im Ringen um Fachkräfte sind auch die hohen Mieten in vielen deutschen Großstädten. Das zeigt eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC. Viele Menschen sehen das teure Wohnen demnach als zentrales Manko für das Leben in der Großstadt. «Für Arbeitgeber wird es in Ballungsräumen damit immer schwieriger, Fachkräfte zu finden und zu halten», schreiben die Autoren.

dpa