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Gekürzte Betriebsratsvergütung: Beweislast liegt bei VW

Die Höhe der Betriebsratsvergütungen im Volkswagen-Konzern sorgt seit Jahren für Arbeitsgerichts- und Strafverfahren. Nun hat das Bundesarbeitsgericht erste Pflöcke eingeschlagen.

Wie viel Geld darf ein Unternehmen einem freigestellten Betriebsrat zahlen? Das Bundesarbeitsgericht hat dazu geurteilt. (Archivbild)
Foto: Martin Schutt/dpa

Im Streit um gekürzte Vergütungen für freigestellte Betriebsräte im Volkswagen-Konzern hat das Bundesarbeitsgericht dem Unternehmen eine Beweispflicht verordnet. Korrigiere der Arbeitgeber eine vorgenommene Anhebung der Betriebsratsvergütungen, habe er «darzulegen und zu beweisen, dass die Vergütungserhöhung fehlerhaft war», die Zurückstufung richtig sei, sagte die Vorsitzende Richterin Kristina Schmidt in der Urteilsverkündung in Erfurt (7 AZR 46/24). 

Fall zurück zur Verhandlung in Niedersachsen 

Der Präzedenzfall, bei dem ein freigestelltes Betriebsratsmitglied die Rücknahme einer vorgenommenen Kürzung verlangte, wurde vom Bundesarbeitsgericht nicht entschieden. Aufgrund von Rechtsfehlern wurde der Fall an das Landesarbeitsgericht in Niedersachsen zurückverwiesen. Dort lag es beim Kläger, die Beweislast dafür zu erbringen, warum ihm eine bestimmte Entgeltstufe zusteht.

Erstmals nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) von 2023, nach der sich Unternehmensvorstände des Untreueverdachts aussetzen, wenn sie Betriebsräten überhöhte Vergütungen gewähren, wurden insgesamt vier VW-Fälle vom Bundesarbeitsgericht verhandelt. Dem Kläger, der den Präzedenzfall lieferte, hatte der Autobauer nach einer Überprüfung infolge der BGH-Entscheidung die Vergütung laut Anwalt von knapp 7.093 Euro auf 6.454 Euro brutto monatlich verringert.

Was Betriebsrat und Unternehmen sagen  

Nach der Urteilsverkündung sagte ein Sprecher des Konzernbetriebsrates, dass die mündliche Begründung des Bundesarbeitsgerichts hoffen lasse, dass endlich ein Schlusspunkt hinter die langjährige Unsicherheit bezüglich der Betriebsratsvergütung gesetzt werden könne. 98 Prozent der Betriebsratsmitglieder in der Volkswagen AG werden tariflich vergütet.

«Die Volkswagen AG begrüßt, dass durch diese Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ein erster wichtiger Beitrag für die Klärung einer Vielzahl grundsätzlicher, bislang nicht durch das Bundesarbeitsgericht entschiedener Rechtsfragen in diesem komplexen Rechtsgebiet geleistet wird», erklärte eine Unternehmenssprecherin. 

Die Höhe der Zahlungen von VW an freigestellte Betriebsräte hatte bundesweit für Diskussionen gesorgt, für Arbeitsgerichtsklagen und Strafverfahren – in diesem Jahr auch gegen Ex-Betriebsratschef Bernd Osterloh. Auch in anderen Unternehmen würde auf den Ausgang des Verfahrens geschaut, sagte ein Arbeitsrechtler.

Der Präzedenzfall aus Wolfsburg

Der Kläger im ersten Verfahren am Donnerstag war ein seit 2002 freigestelltes Betriebsratsmitglied, das von Beruf Kfz-Mechaniker und Industriemeister mit der Befähigung zur Ausbildung ist und seit 1984 bei VW als Anlagenführer arbeitete. Sein Arbeitgeber forderte außerdem nach seiner Ansicht zu viel gezahlte Gelder in Höhe von knapp 2.600 Euro zurück. Er wurde von der Entgeltstufe 20 in die 18 zurückversetzt. Der Kläger argumentierte auch, dass er aufgrund seiner Betriebsratsarbeit eine Karrierechance verpasst habe – ihm wurde eine Stelle als Fertigungskoordinator angeboten – das Angebot lehnte er ab, obwohl er als Idealbesetzung galt, wie es in der Verhandlung hieß.

Die Regeln für Betriebsratsvergütungen 

Bundesrichterin Schmidt verwies auf das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot für Arbeitnehmervertreter. Freigestellte Betriebsrate würden nicht für ihr ehrenamtliches Engagement bezahlt, sondern dafür, «was sie nicht tun». Laut Betriebsverfassungsgesetz sollen sie nicht geringer vergütet werden als vergleichbare Arbeitnehmer mit einer im jeweiligen Betrieb üblichen beruflichen Entwicklung. Ein anderer Passus beschäftigt sich mit hypothetischen Karriereschritten des einzelnen Betriebsrats und deren Auswirkungen auf die Vergütung. Diese allgemeinen Regeln sorgen häufig für Konfliktstoff – nicht nur bei VW, wo es laut Anwältin des Unternehmens allein 85 strittige Fälle gibt.

dpa