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Geld zurück? BGH entscheidet zu unerlaubten Sportwetten

Mehrere Firmen boten vor 2020 jahrelang Sportwetten ohne die erforderliche Lizenz an. Haben Spieler Anspruch auf Rückzahlung? Dazu steht nun eine höchstrichterliche Entscheidung an.

Das höchste deutsche Zivilgericht entscheidet darüber, ob Verluste aus unerlaubten Sportwetten zurückgezahlt werden müssen.
Foto: Monika Skolimowska/dpa

Immer wieder gehen ehemals erfolglose Spieler vor Gericht, um Verluste aus illegalen Sportwetten zurückzufordern. Denn vielen Anbietern fehlte vor 2020 jahrelang die erforderliche Lizenz der zuständigen deutschen Behörde. Nachdem sich zahlreiche deutsche Gerichte bereits mit solchen Spielerklagen befasst haben, steht nun möglicherweise eine höchstrichterliche Klärung an. Der Bundesgerichtshof (BGH) wird entscheiden, ob ein Anbieter von Online-Sportwetten ohne die erforderliche deutsche Lizenz die verlorenen Wetteinsätze eines Spielers erstatten muss. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Seit wann sind Sportwetten in Deutschland erlaubt?

Laut Rechtsanwalt und Glücksspielrechtsexperte Lennart Brüggemann war es bis Mitte 2012 nur staatlichen Anbietern gestattet, in Deutschland Sportwetten zu veranstalten, abgesehen von einigen alten DDR-Lizenzen. Um den Schwarzmarkt einzudämmen, führten die Bundesländer 2012 einen neuen Glücksspielstaatsvertrag ein, der auch private Anbieter vorsah. Allerdings habe in den letzten acht Jahren keinem interessierten privaten Anbieter eine Sportwettenkonzession erteilt werden können, so Brüggemann. Dies sei auf Bedenken der Verwaltungsgerichte bezüglich des behördlichen Verfahrens zurückzuführen.

Anbieter befanden sich daher jahrelang in einer rechtlichen Grauzone. Erst im Jahr 2020 erhielten die ersten eine Lizenz. Im darauffolgenden Jahr wurde der aktuell gültige Glücksspielstaatsvertrag verabschiedet, der Sportwetten unter bestimmten Bedingungen offiziell legalisierte.

Worum geht es im konkreten Fall?

Am Donnerstag wird der BGH über die Klage eines Mannes gegen den Wettanbieter Tipico entscheiden. Der Mann hat zwischen 2013 und 2018 an Sportwetten von Tipico teilgenommen und dabei mehr als 3700 Euro verloren, die er dann zurückforderte. Seiner Meinung nach waren die Sportwetten unzulässig und die Wettverträge ungültig, da der Anbieter nicht die erforderliche Erlaubnis der deutschen Behörde hatte. Tipico hatte zwar eine Konzession beantragt, erhielt sie jedoch erst 2020. Das Klagerecht wurde inzwischen vom Prozessfinanzierer Gamesright vom ursprünglichen Kläger erworben. (Az. I ZR 90/23)

Wie stehen die Erfolgschancen der Klage?

Bisher war die Klage des Spielers erfolglos. Das Landgericht Ulm argumentierte, dass Tipico zwar gegen Vorschriften des damals gültigen Glücksspielstaatsvertrags verstoßen habe, die Wettverträge jedoch weiterhin gültig seien. Ein Hinweisbeschluss des BGH zu einem ähnlichen Fall im April deutete jedoch darauf hin, dass der BGH dies anders sehen könnte und den Spielern den Rücken stärkte – jedoch noch kein endgültiges Urteil gefällt wurde.

Im Fall, der nun vom BGH zu klären ist, äußerte der Vorsitzende Richter Thomas Koch in der Verhandlung im Juni ebenfalls, dass der Senat vorläufig dazu neige, solche Sportwetten-Verträge ohne Konzession als nichtig anzusehen, auch wenn eine Erlaubnis zur Veranstaltung der Sportwetten bereits beantragt worden sei. Spieler könnten dann Anspruch auf eine Rückerstattung haben.

Welche Auswirkungen könnte das haben?

Ein verbraucherfreundliches Urteil des BGH könnte eine noch größere Klagewelle lostreten als ohnehin schon. Tausende ähnliche Verfahren laufen bereits an deutschen Gerichten. Das liegt zum einen daran, dass neben Tipico auch andere Wettanbieter vor Jahren in einer rechtlich unklaren Lage Sportwetten angeboten hatten. Zum anderen haben sich Kanzleien und einige Unternehmen auf diese Art von Klagen spezialisiert – so wie das hier klagende Unternehmen Gamesright. Ein Urteil im Sinne der Spieler könne viele Betroffene ermutigen, ihre Verluste zurückzufordern, sagt Co-Gründer Hannes Beuck. «Wir gehen davon aus, dass wir nach einem positiven Urteil schnellere und höhere Rückzahlungen erreichen können.»

Wäre mit einem BGH-Urteil das letzte Wort gesprochen?

Möglicherweise nicht, denn auch der Europäische Gerichtshof könnte sich noch mit dem Thema befassen. Tipico vertritt die Ansicht, der Klage stattzugeben, stünde «im eklatanten Widerspruch» zur Rechtsprechung des EuGH. Die Anwälte von Tipico appellierten in der BGH-Verhandlung an den Senat, den Luxemburger Richtern und Richterinnen Fragen zu der umstrittenen Thematik vorzulegen. Das sei auch denkbar, erklärte Richter Koch am Ende der Verhandlung. Aber auch, wenn der BGH den Fall nicht selbst dem EuGH vorlegt, könnten das noch andere Gerichte tun. «Nach dem BGH ist vor dem EuGH», hatte Tipico-Anwalt Ronald Reichert vor der Verhandlung gesagt. Die Rechtsfragen würden definitiv vom EuGH geklärt werden.

Wie verbreitet sind Sportwetten heute?

Laut dem aktuellen Glücksspielatlas haben im Jahr 2021 fünf Prozent der Bevölkerung an Sportwetten teilgenommen – eine Verdopplung innerhalb von zwei Jahren. Die Bruttospielerträge bei Sportwetten beliefen sich im Jahr 2022 auf 1,4 Milliarden Euro. Im Vergleich dazu betrugen die Bruttospielerträge bei Lotterien 4,1 Milliarden Euro und bei Geldspielautomaten 4,8 Milliarden Euro. Der Zuwachs bei Sportwetten seit der Legalisierung im Herbst 2020 ist signifikant, heißt es weiter. Laut der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL) haben mittlerweile 30 Anbieter von Sportwetten eine Erlaubnis.

dpa