Münchner Unternehmen kooperiert mit Behörden. Vorstände sollen Finanzlage falsch dargestellt haben. Aktionäre fordern Aufsichtsratserneuerung.
Baywa: Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bilanzfälschung

Nach der Fast-Pleite des Mischkonzerns Baywa im vergangenen Jahr ermittelt nach Angaben des Aufsichtsrats die Münchner Staatsanwaltschaft. Die Ermittlungsbehörde prüft, ob Vorstände im Jahresabschluss 2023 die Finanzlage des Unternehmens falsch dargestellt haben. Das berichtete Aufsichtsratschef Gregor Scheller zu Beginn der Hauptversammlung in München. «Die Baywa wird eng mit der Staatsanwaltschaft kooperieren.»
Einst stocksolide, heute ein Sanierungsfall
Nach Anfrage gab es zunächst keine Stellungnahme von der Münchner Ermittlungsbehörde. Das im Jahr 1923 gegründete Unternehmen aus München ist der größte Agrarhändler in Deutschland und spielt eine wichtige Rolle für die Landwirtschaft im Süden und Osten des Landes. Zu den weiteren Geschäftsfeldern gehören unter anderem erneuerbare Energien und der Baustoffhandel.
Scheller sagte vor den gut 900 Aktionären nicht, gegen wen sich die Ermittlungen richten. Der Jahresabschluss 2023 wurde unter anderem von Marcus Pöllinger, dem damaligen Vorstandsvorsitzenden, und dem Finanzvorstand Andreas Helber unterzeichnet, die mittlerweile beide das Unternehmen verlassen haben – beziehungsweise verlassen mussten.
900 Millionen Euro Abschreibungen
Die Baywa hatte im Jahresabschluss 2024 einen Verlust von 1,6 Milliarden Euro gemeldet. Ein Hauptgrund waren Abschreibungen in Höhe von 900 Millionen Euro auf in der Bilanz verbuchte Unternehmensbeteiligungen des Konzerns. Im Jahresabschluss 2024 seien die «nicht werthaltigen Beteiligungen» auf ein marktgemäßes Niveau korrigiert worden, sagte der heutige Vorstandschef Frank Hiller, der erst seit 1. März amtiert. Er arbeitete 2023 noch nicht für die Baywa und ist daher nicht von den Ermittlungen betroffen.
Vorstand prüft Schadenersatzansprüche gegen Manager und Prüfer
Bei den Ermittlungen geht es offenkundig darum, ob Buchwerte der Bilanz im Vorjahr zu hoch angesetzt waren. «Wir werden diese Vorgänge aufklären und Konsequenzen ziehen», sicherte Hiller den Aktionären zu. Der heutige Vorstand hat eine eigene Untersuchung der Vorgänge in die Wege geleitet, die noch nicht abgeschlossen ist. Der Vorstand prüft nach Hillers Worten außerdem Schadenersatzansprüche sowohl gegen frühere Manager als auch gegen die Wirtschaftsprüfer, die die möglicherweise geschönte Bilanz 2023 absegneten.
Die interne Untersuchung betrifft auch den langjährigen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Klaus Josef Lutz, der als Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK) zu den prominenten Vertretern der Wirtschaft im Freistaat zählt. Nach Hillers Worten wird geprüft, ob die Millionenabfindung von Lutz zurückgefordert werden könnte. Der BIHK-Präsident war bis zum Frühjahr 2023 als Vorstandsvorsitzender maßgeblich an einer auf Kredit finanzierten internationalen Expansionsstrategie beteiligt, deren Scheitern zu den wesentlichen Ursachen der Krise zählt.
Wasser und Brezen für die Aktionäre
Vor Beginn der Sanierung belief sich der Berg der lang- und kurzfristigen Bankschulden auf über fünf Milliarden Euro. Die Zinskosten konnte das Unternehmen aufgrund der schlechten Konjunktur nicht mehr stemmen.
Der heutige Vorstand hat bereits mehrere Auslandsbeteiligungen wieder verkauft. «Wir wollen die Baywa um vier Milliarden Euro entschulden», sagte Hiller. Die Aktionäre bekamen den Sparkurs auf der Hauptversammlung auch am eigenen Leib zu spüren: Anstelle des gewohnten warmen Mittagessens gab es nur Wasser und Brezen.
Aufsichtsräte «mit Pattex festgeklebt»
Von den Kleinaktionären kam scharfe Kritik vor allem an langjährigen Aufsichtsräten, die noch in Amt und Würden sind: «Warum sitzt der verantwortliche Aufsichtsrat heute bis auf eine Ausnahme an seinen Stühlen wie mit Pattex festgeklebt?», fragte Daniela Bergdolt, Vizepräsidentin der Anlegergemeinschaft DSW. Den erst seit gut einem Jahr amtierenden Aufsichtsratvorsitzenden Scheller nahm die Anwältin ausdrücklich aus.
Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) hat ebenfalls eine Neubesetzung des Aufsichtsrats gefordert. Zwei prominente Namen unter den kritisierten Mitgliedern des Kontrollgremiums sind Bauernpräsident Joachim Rukwied und die CSU-Politikerin Monika Hohlmeier.