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Historischer Streik bei Ford Köln, IG Metall kämpft für Beschäftigte

IG Metall fordert Kurskorrektur und hohe Abfindungen. Betriebsbedingte Kündigungen bis 2032 ausgeschlossen.

Es ist nicht zu übersehen: Die Kölner Ford-Werke werden bestreikt.
Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Zum ersten Mal in ihrer fast hundertjährigen Geschichte hat ein Streik die Kölner Ford-Werke getroffen und die Arbeit weitgehend zum Erliegen gebracht. Am Morgen errichtete die IG Metall Streikposten an den Werkstoren, Frühschichten fielen aus. Von den derzeit etwa 11.500 Arbeitsplätzen plant das Unternehmen bis Ende 2027 2.900 Stellen abzubauen, was zu scharfem Protest geführt hat.

Die IG Metall verlangt eine Kurskorrektur und großzügige Abfindungen für die Mitarbeiter, die freiwillig ausscheiden oder deren Stellen an andere Unternehmen übertragen werden. Betriebsbedingte Kündigungen sind bis 2032 ausgeschlossen.

«Die Arbeit ruht hier komplett», sagte der IG-Metall-Sprecher bei Ford Köln, David Lüdtke, nachdem die ersten Frühschichten ausgefallen waren. Die Arbeitsniederlegung betreffe den ganzen Standort – also Produktion, Entwicklung, Verwaltung und andere Bereiche. «Wir lassen niemanden rein.» 

Nur wenige Streikbrecher

Ausnahmen gibt es allerdings: An einem Notdienst-Tor haben bestimmte Mitarbeitende Zutritt. «Und wer unbedingt Streikbrecher sein will, der käme auch rein – aber mit dem werden wir vorher noch sprechen», sagte Lüdtke. Am Notdienst-Tor berichtete der Streikposten gegen neun Uhr, dass bislang nur drei Streikbrecher hineingegangen seien. Am Donnerstagmorgen soll die Arbeitsniederlegung mit dem Ende der letzten Nachtschichten vorbei sein.

Die Ford-Werke GmbH wurde 1925 in Berlin gegründet, seit 1930 hat sie ihren Stammsitz in Köln. Auf dem Kölner Ford-Standort gibt es mehrere Produktionsstätten, etwa für Elektroautos und für Nutzfahrzeug-Getriebe, daher spricht man von Ford-Werken. Außerdem gibt es ein Ersatzteilzentrum.

Erster Gewerkschaftsstreik

Einen Streik einer Gewerkschaft haben die Ford-Werke noch nie gehabt. 1973 war es zu einer «wilden» – also nicht gewerkschaftlich organisierten – Ausstand von türkischen Mitarbeitern gekommen, die sich gegen die Entlassung von 300 Landsleuten und generell gegen Diskriminierung wehrten. Ihr Protest blieb damals ergebnislos, weder Betriebsrat noch Gewerkschaft unterstützten sie.

Der gegenwärtige Streik hat nichts mehr mit dem früheren Arbeitskampf zu tun. Die IG Metall führte Anfang Mai eine Urabstimmung durch, bei der 93,5 Prozent der IG Metall-Mitglieder bei Ford für einen Streik stimmten. Jetzt hat der erste eintägige Arbeitskampf begonnen.

Betriebsrat droht mit weiteren Streiks

Nach Einschätzung des Betriebsratschefs von Ford Deutschland, Benjamin Gruschka, erhöht sich der Druck auf den Arbeitgeber durch den Streik nun deutlich. «Das tut schon weh, das kostet ihn ein paar Millionen heute», sagte der Betriebsrat. Sollte sich das Management inhaltlich nicht bewegen, werde es weitere Ausstände geben. «Dann werden wir weitere Streiktage anlegen und dann tut es immer mehr weh.»

Gruschka betonte die Bedeutung des Arbeitskampfes. Er verwies darauf, dass der US-Mutterkonzern eine Patronatserklärung – eine Art Bürgschaft für die Ford-Deutschlandtochter – gekündigt und dadurch «den Finger an den Knopf einer möglichen Insolvenz» gelegt habe. «Die Kollegen wissen, dass es um alles oder nichts geht.» Durch das Ende der Patronatserklärung ist eine Insolvenz der Ford-Werke GmbH theoretisch möglich, vorher war sie es nicht.

Die IG Metall besteht darauf, dass die US-Mutter einen finanziellen Schutzschirm für die Beschäftigten bereitstellt, der im Falle einer Insolvenz greifen würde. Derzeit ist eine Insolvenz nur eine Theorie, da die Schulden von Ford Deutschland nach einer Finanzspritze aus den USA zuletzt deutlich reduziert wurden.

Ein Ford-Sprecher gab sich nach dem Streikbeginn optimistisch: «Wir sind zuversichtlich, im gemeinsamen Gespräch mit unseren Sozialpartnern zu einer Einigung zu kommen.»

SPD-Politiker kritisiert Ford-Management 

Die Streikenden bekamen auch Besuch aus der Politik. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im NRW-Landtag, Jochen Ott, warf dem Ford-Management einen «unsäglichen Umgang» mit den Beschäftigten vor. «Die Beschäftigten haben einen Anspruch darauf, vernünftige soziale Angebote zu bekommen – für den Fall, dass bestimmte Arbeitsplätze wegfallen.» 

Ford hat in Köln zwar vollständig auf die Produktion von Elektroautos umgestellt, ist jedoch spät dran im Bereich der E-Mobilität. Die Fertigung des Verbrennermotor-Kleinwagens Fiesta wurde 2023 eingestellt, jetzt werden zwei Elektro-Geländewagen produziert.

Sozialdemokrat Ott erinnert sich an seine Anfangszeit als Landtagsabgeordneter, 2010 war er in das Parlament gewählt worden. Ein damaliger Ford-Manager habe im Gespräch mit ihm Elektroautos als «Quatsch» abgetan. «Ich habe ihm gesagt, „Wir brauchen eine Elektro-Fiesta, der für die breite Masse der Menschen erschwinglich ist“. Das wurde vom Tisch gewischt», sagt Ott. «Ford hat die vollkommen falsche Strategie gefahren und die Beschäftigten müssen die Suppe, die das Management ihnen eingebrockt hat, jetzt auslöffeln.»

Hoffnungsschimmer am Horizont

Der Mutterkonzern Ford aus den USA ist im Bereich Nutzfahrzeuge und Pick-ups erfolgreich, jedoch werden diese nicht in Deutschland produziert. Die Fahrzeuge, die auf den europäischen Markt ausgerichtet sind, verursachen Verluste für Ford. Es ist allen Beteiligten bewusst, dass der Standort in Köln nur dann eine Zukunft hat, wenn sich dies ändert.

Im deutschen Autogeschäft lag der Marktanteil von Ford im Jahr 2024 nur noch bei 3,5 Prozent, was 1,5 Punkte niedriger als 2022 war. Der Verkauf der neuen Elektroautos blieb bisher hinter den Erwartungen zurück. Es gab jedoch einen leichten Hoffnungsschimmer: Im April stieg die Anzahl der neu zugelassenen Ford-Pkw im Vergleich zum Vorjahresmonat um 15,2 Prozent, wodurch der Marktanteil auf 3,9 Prozent stieg.

dpa