Millionen Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten in Teilzeit – vor allem Frauen. Bisher werden sie bei Überstundenzuschlägen schlechter behandelt als Vollzeitbeschäftigte. Das muss sich jetzt ändern.
Überstunden: Gericht beendet Nachteile bei Teilzeitjobs
Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts könnte sich positiv auf das Einkommen vieler Teilzeitbeschäftigter in Deutschland auswirken: Die höchsten deutschen Arbeitsrichter in Erfurt entschieden, dass Teilzeitbeschäftigte bei Überstundenzuschlägen nicht mehr benachteiligt werden dürfen im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten. Somit haben Teilzeitbeschäftigte auch Anspruch auf einen Zuschlag ab der ersten geleisteten Überstunde. Eine Ausnahme wäre nur möglich, wenn die Ungleichbehandlung durch sachliche Gründe gerechtfertigt wäre.
Millionen Arbeitnehmer in Teilzeit
Gemäß einem Urteil (8 AZR 370/20) sind tarifliche Regelungen diskriminierend, wenn Teilzeitbeschäftigte nur dann Überstundenzuschläge erhalten, wenn sie die Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten überschreiten.
Laut Angaben des Statistischen Bundesamts arbeiten in Deutschland mehr als zwölf Millionen Menschen in Teilzeit, wobei der Anteil bei Frauen besonders hoch ist. Arbeitsrechtlern zufolge sind Überstundenzuschläge in vielen Tarifverträgen in der sogenannten Vollzeitquote enthalten.
Oft Frauen benachteiligt
Die Bundesarbeitsrichter entschieden auch, dass beim Fehlen sachlicher Gründe für die bisherige Zuschlagsregelung bei Teilzeit regelmäßig auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen werde. Es liege eine «mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts vor, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind», erklärten sie.
Der Präzedenzfall für das Grundsatzurteil stammt aus Hessen und betrifft einen ambulanten Dialyseanbieter mit über 5.000 Mitarbeitern. Die Klägerin ist in Teilzeit als Pflegekraft tätig und arbeitet 40 Prozent eines Vollzeitbeschäftigten.
Gemäß dem geltenden Tarifvertrag gibt es einen Aufschlag von 30 Prozent für Überstunden, die die monatliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschreiten – und nicht durch Freizeit ausgeglichen werden können. Anstelle der Auszahlung des Zuschlags ist eine entsprechende Zeitgutschrift im Arbeitszeitkonto möglich. Es gab einen Streit über etwa 129 Überstunden, für die die Frau weder einen Zuschlag noch eine Zeitgutschrift erhielt. Sie fühlte sich aufgrund dessen als Teilzeitkraft und als Frau benachteiligt.
Die Klägerin hatte vor dem Bundesarbeitsgericht teilweise Erfolg, das auch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) beschäftigte. Sie erhielt die geforderte Zeitgutschrift auf ihrem Arbeitszeitkonto sowie eine Entschädigung von 250 Euro aufgrund ihrer Benachteiligung als Frau. Ursprünglich hatte sie eine Entschädigung in Höhe eines Vierteljahresverdienstes gefordert, was etwa 4.500 Euro entspricht. Der Arbeitgeber berief sich auf die Regelung im Tarifvertrag, während die Vorinstanzen in Hessen unterschiedlich entschieden hatten.