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Halbleitermangel bringt Industrie und Regierung in Zugzwang

Die Halbleiterindustrie ist auf internationale Lieferketten angewiesen. Während die Niederlande und China um den Hersteller Nexperia streiten, suchen Unternehmen hierzulande nach Alternativen.

Zwischenprodukte der Halbleiterproduktion, sogenannte Wafer, liegen in einer Box. (Archivbild)
Foto: David Hammersen/dpa

Hannover/Hamburg – Die Autohersteller und die Bundesregierung sind besorgt über Lieferprobleme bei Halbleitern. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) und der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) warnen vor einer Krise. Produktionsstopps werden als möglich angesehen. Unternehmen erkunden laut Branchenangaben alternative Quellen.

Es gibt Lieferprobleme bei Nexperia, einem niederländischen Halbleiterhersteller, nachdem die niederländische Regierung die Kontrolle über das Unternehmen übernommen hatte, das von einer chinesischen Konzernmutter geführt wird. Als Reaktion darauf stoppte China die Ausfuhr von Nexperia-Produkten für die Autoindustrie.

Der Vorsitzende der ZVEI-Geschäftsführung, Wolfgang Weber, sagte der Deutschen Presse-Agentur: Die Mitgliedsfirmen des Verbandes arbeiteten an Ersatzlösungen. Es gebe Signale, die Anlass zur Hoffnung gäben. «Ein Problem liegt jedoch in der notwendigen Qualifizierung der Ersatzbauteile – wir können also keine Entwarnung geben.» Die Krise müsse schnell politisch gelöst werden.

Deutschland und Niederlande suchen Kontakt zu China 

Die Bundesregierung ist auf der Suche nach Lösungen. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte in Berlin, dass man besorgt sei und in engem Austausch mit den verschiedenen Beteiligten stehe – auch mit der chinesischen Regierung. Laut dpa fand am Abend eine Schalte des Bundeswirtschaftsministeriums mit Verbänden und Unternehmen aus der Automobil- und Elektronik-Industrie zur Krise bei Nexperia statt.

Vincent Karremans, der geschäftsführende niederländische Wirtschaftsminister, gab an, dass er am Dienstag mit seinem chinesischen Kollegen Wang Wentao telefoniert hatte.

Autobauer und Zulieferer sind alarmiert

Laut Angaben des Unternehmens blieb die Produktion bei Volkswagen in Wolfsburg heute ungestört. Allerdings könnten kurzfristige Auswirkungen aufgrund der dynamischen Situation nicht ausgeschlossen werden, wie es in einem Eintrag im Intranet des Konzerns heißt.

Mercedes-Benz aus Stuttgart gab bekannt, dass kurzfristig keine Ausfälle erwartet werden. Dank der Zusammenarbeit mit den Zulieferern und den Lehren aus der Chipkrise ist das Unternehmen kurzfristig abgesichert. Die Situation wird jedoch weiterhin beobachtet. Es ist schwierig, verlässliche Prognosen zu erstellen.

Der VDA hatte schon am Dienstag vor möglichen Ausfällen wegen der Probleme bei Nexperia gewarnt – bis hin zu Produktionsstopps. «Die Situation könnte schon in naher Zukunft zu erheblichen Produktionseinschränkungen, gegebenenfalls sogar zu Produktionsstopps führen», sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Erste Zulieferer wie ZF richteten bereits Taskforces ein. Bosch sprach von großen Herausforderungen.

Nexperia verfügt über internationale Lieferkette 

Nexperia, ansässig in Nijmegen, Niederlande, ist ein bedeutender Anbieter von diskreten Halbleitern. Diese sind zwar einfache Bauteile, aber für die Wirtschaft unerlässlich. Laut eigenen Angaben ist Nexperia in bestimmten Bereichen Weltmarktführer. Zu den Kunden gehören Automobilhersteller wie Tesla und Zulieferer wie Bosch, Stand August. Nexperia betreibt Fabriken in Hamburg und Manchester sowie Montagezentren in Asien.

Laut ZVEI übernehmen diskrete Bauteile viele Funktionen – nicht nur im Auto. Sie verarbeiten beispielsweise Signale in Steuergeräten, regulieren und stabilisieren die Spannung und verbinden Sensoren. Die Anzahl der diskreten Halbleiter, die in einem Auto verbaut werden, variiert je nach Einzelfall.

Druck aus den USA auf Den Haag

Der niederländische Minister Karremans hatte per Beschluss des Amsterdamer Wirtschaftsgerichts dem chinesischen Eigentümer von Nexperia die Kontrolle entzogen. Zuvor hatte er betont, dass der Handelsstreit zwischen den USA und China nichts mit dem Konflikt um Nexperia zu tun habe. Allerdings zeigt sich aus Gerichtsakten, dass die USA Den Haag zu diesem Schritt gedrängt hatten.

dpa