Die Preise für Haselnüsse sind um mehr als ein Drittel gestiegen, was Unternehmen vor Herausforderungen stellt. Experten führen dies auf Frostschäden und den Klimawandel zurück.
Haselnusspreise steigen dramatisch an, Auswirkungen auf Schokoladenhersteller und Müslimarken spürbar
Die Preiserhöhung betrifft Schokolade, Aufstriche und Müsli. Seit Jahresbeginn bis zur Erntezeit sind die Haselnusspreise um mehr als ein Drittel gestiegen, was in Deutschland Unternehmen wie Ritter Sport, Seeberger oder Zentis betrifft.
Die hohen Preise hängen mit der Besonderheit des Haselnussmarkts zusammen. Denn mit der Türkei gibt es ein Erzeugerland, das den Weltmarkt dominiert. Rund 60 Prozent der Haselnüsse wachsen vor allem an den grünen Berghängen entlang der Schwarzmeerküste, wo die Nuss wegen ihrer Bedeutung auch «grünes Gold» genannt wird.
Im April gab es einen Kälteeinbruch, der Blüten und Triebe beschädigte – wodurch die Preise bereits vor Beginn der Ernte stiegen. Landwirtschaftsminister Ibrahim Yumakli sprach von einem der schlimmsten Agrarfröste in der Geschichte der Türkei. Experten führten den Klimawandel als Ursache an, der zu häufigerem Extremwetter führt.
Laut der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu wird erwartet, dass der Getreiderat, ein staatlicher Marktregulierer, dieses Jahr einen Rückgang der Ernte um 36 Prozent auf etwa 450.000 Tonnen verzeichnen wird.
Ritter Sport stellt sich auf Doppelbelastung ein
Der Preisanstieg betrifft vor allem Unternehmen, die auch teuren Kakao beziehen. Zum Beispiel den Schweizer Schokoladenhersteller Lindt & Sprüngli, die Elmshorner Müslimarke Kölln oder Ritter Sport aus Waldenbuch bei Stuttgart. Ritter Sport verarbeitet jedes Jahr mehrere Tausend Tonnen Haselnüsse, die hauptsächlich von der türkischen Schwarzmeerküste stammen, in geringerem Umfang auch aus den USA.
Die Nachtfröste in der Türkei und die Preissteigerungen hätten spürbare Auswirkungen auf den Schokoladenhersteller, sagt ein Unternehmenssprecher. Haselnüsse seien wie Kakao kostenintensiv. «Wir registrieren mithin eine massive (Doppel-)Belastung auf der Rohstoffseite.» Die Belastung werde auch nicht wieder weggehen – auch wegen des Klimawandels.
Seeberger: Entwicklung ist Ausdruck von Klimarisiken
Der Snackanbieter Seeberger aus Ulm bietet naturbelassene Haselnusskerne an. Die Kerne stammen aus Italien, dem zweitwichtigsten Anbauland. Dennoch träfen die erwarteten Ausfälle in der Türkei auch Seeberger, berichtet ein Firmensprecher. Denn die Türkei habe als größter Produzent Auswirkungen auf den globalen Markt, was auch Preise in Italien steigen lasse.
«Die aktuelle Entwicklung ist auch Ausdruck der zunehmenden Klimarisiken für die Landwirtschaft», heißt es von Seeberger. Dass Klimawandelfolgen Preise steigen lassen, etwa von Essen, nennen Wissenschaftler «Climateflation».
Ferrero verneint Lieferunterbrechungen
Die Preiserhöhungen dürften hauptsächlich den weltweit größten Einkäufer von Haselnüssen, den Nutella-Produzenten Ferrero, treffen, der schätzungsweise etwa ein Drittel aller Haselnüsse bezieht. Das Unternehmen hat auf Anfrage keine Stellungnahme zur Preisentwicklung abgegeben. Ferrero leugnet, dass es zu Lieferunterbrechungen kommt. Neben der Türkei bezieht Ferrero Haselnüsse auch aus Italien, Chile und den USA, um die Versorgung sicherzustellen.
Marktbeobachter: «Der Haselnusspreis ist derzeit sehr hoch»
Alexander Sterk hat in Amsterdam die Plattform Vesper BV gegründet, die Daten zu Lebensmittelmärkten bereitstellt, die oft undurchsichtig sind. Dazu befragt Vesper Produzenten, Händler und Lebensmittelunternehmen – auch aus Deutschland. Sterk berichtet, eine Tonne türkischer Haselnusskerne koste inzwischen etwa 9.400 Euro. Das entspreche seit Jahresbeginn einem Plus von mehr als einem Drittel.
«Der Haselnusspreis ist derzeit sehr hoch», sagt der frühere Händler Sterk. Deshalb werden Haselnüsse ihm zufolge zurzeit kaum gehandelt – anders als etwa Erdnüsse. Auch bekomme er mit, dass Unternehmen versuchten, Rezepte zu ändern, um den Haselnussanteil zu senken.
Mandeln als günstigere Alternative
Rainer Lückenhausen ist Partner beim traditionsreichen Hamburger Handelshaus Schlüter & Maack, das unter anderem auf Haselnüsse spezialisiert ist. Er schätzt, dass Unternehmen auf andere Nussarten ausweichen werden: insbesondere Mandeln, «die preislich interessanter sind».
Lückenhausen vermutet, dass zumindest weitere Preissprünge der Haselnusskerne ausbleiben werden. «Mit gravierenden weiteren Ernterückgängen wird derzeit nicht gerechnet.» Ein Unsicherheitsfaktor sei der Klimawandel. Der führe zu Wetterveränderungen, die Einfluss auf die Erträge hätten. Die Auswirkungen ließen sich schwer vorhersagen.
Abhängigkeit vom «grünen Gold» und höhere Preise
Die Frostschäden in der Türkei treffen vor allem die Produzenten. Viele Bauern sind nicht gegen Ernteausfälle versichert. In Dörfern an der Schwarzmeerküste ist der Haselnussanbau wirtschaftlich so dominant, dass er oft die einzige Einkommensquelle bildet. «Der Winter war hart hier. Der Schnee im April hat alles ruiniert», sagt eine Erntehelferin der türkischen Nachrichtenagentur DHA.
Vor kurzem hat die staatliche Getreidebehörde wie jedes Jahr zur Erntezeit einen offiziellen Mindesteinkaufspreis für Haselnüsse festgelegt, um den Markt zu stabilisieren. Der Preis pro Kilogramm Nüsse beträgt in diesem Jahr etwa 4,20 Euro. Das entspricht einem Anstieg von knapp 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr in Euro. In der Landeswährung Lira, die regelmäßig abwertet, bedeutet dies eine Steigerung von mehr als 50 Prozent.
Nurittin Karan, der Vorsitzende der Landwirtschaftskammer der Anbauregion Giresun, geht davon aus, dass Abnehmer aus Deutschland und anderen Ländern die Bestände schnell aufkaufen werden. Dies könnte einer Knappheit in Deutschland entgegenwirken: Ein deutlich geringerer Teil der Ernte soll für den türkischen Markt zurückgehalten werden, während der Rest exportiert wird.