Deutschland und Europa sollten sich an den USA orientieren und verstärkt auf lokale Beschaffung setzen. Bürokratieabbau und Vertrauensaufbau zwischen Industrie und Behörden sind dringend nötig.
Manager von Hensoldt fordert neue Beschaffungssysteme
Oliver Dörre, der Chef des Rüstungskonzerns Hensoldt, fordert nach der Einigung im Bundestag auf deutlich höhere Verteidigungsausgaben ein grundlegend neues Beschaffungssystem. Deutschland und Europa sollten sich an den USA orientieren und verstärkt auf die lokale Beschaffung von Rüstungsgütern setzen, sagte Dörre am Dienstagabend im Frankfurter Wirtschaftspresseclub ICFW. «Wir brauchen eine Buy-European und eine Buy-German-Strategie».
«Die Balten spüren den Atem Putins»
Nach dem Ausrufen der Zeitenwende unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit einem ersten Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr habe Deutschland teils in den USA einkaufen müssen. Nötig seien nun ein Bürokratieabbau und ein besseres Beschaffungssystem für die geplanten immensen Rüstungsausgaben in Deutschland. «Das Vertrauen zwischen Industrie und Behörden muss steigen, da haben beide Seiten Nachholbedarf», sagte Dörre, der mehr als 20 Jahre Offizier bei der Bundeswehr war.
Die Bedrohung «durch Russland und andere hegemoniale Mächte» bezeichnete der Manager als sehr konkret. «Die Bedrohung durch Russland wird nicht kleiner, sondern größer. Die Balten spüren den Atem Putins.»
Verteidigung als «gigantisches Konjunkturprogramm»
Die Lockerung der Schuldenbremse für mehr Verteidigungsausgaben sieht Dörre als «Zeitenwende 2.0» Das erste Sondervermögen sei eine gute Anschubfinanzierung gewesen. Doch die Abhängigkeit von den USA sei weiter groß, Deutschland fehle es bei der Verteidigung an Eigenständigkeit. Mehr Verteidigung könne zudem die Wirtschaft ankurbeln. «Rüstungsausgaben sind ein gigantisches Konjunkturprogramm.»
Radare für Ukraine und den Eurofighter
Hensoldt, ansässig in Taufkirchen bei München, hat sich auf Radare und Sensoren spezialisiert. Radare von Hensoldt werden im Ukraine-Krieg eingesetzt, um die Bevölkerung vor russischen Luftangriffen zu schützen und sind in den Kampfjet Eurofighter integriert. Der Bund besitzt eine Sperrminorität von gut 25 Prozent an dem MDax-Konzern, der im Jahr 2024 einen Umsatz von rund 2,2 Milliarden Euro erzielte und einst zu Airbus gehörte.
Europa sei in Rüstungsfragen fragmentiert, kritisierte Dörre. «Die Nationen müssen sich zusammenraufen.» Kunden wollten bei Aufträgen an Hensoldt verschiedene Sprachen in der Software, verschiedene Garantien und Ausstattungen. Jede Vereinheitlichung sei willkommen.