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Homeoffice: Büromöbel-Branche profitiert vom Ortswechsel

Homeoffice? Wer so eine Frage früher seinem Chef gestellt hat, der dürfte eher nicht auf große Begeisterung gestoßen sein. Dann kam Corona, und die Arbeit in den eigenen vier Wänden wurde zur Normalität.

Holzplatten für Schreibtische werden in der Produktion von fm Büromöbel GmbH automatisch zugeschnitten.
Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Es ist der Tag, an dem der eigene Schreibtisch «umzog»: Am 16. März 2020 wurde der erste Lockdown in der Corona-Pandemie beschlossen – viele Beschäftigte nahmen das zum Anlass, ihren Arbeitsplatz in die eigenen vier Wände zu verlegen.

Wer ein kurzes Intermezzo erwartet hatte, wurde eines Besseren belehrt: Der Arbeitsplatz daheim wurde für viele zur Dauereinrichtung. Nun wird das coronabedingte Homeoffice zwei Jahre alt. Die veränderten Arbeitswelten wirken sich auch auf das Geschäft von Büromöbel-Herstellern aus, die Branche ist im Umbruch.

Vielen Menschen dürften die Firmen wenig bekannt sein, obwohl sie bei der Arbeit vermutlich schon längst mit Stühlen, Tischen oder Regalen der Hersteller in Berührung gekommen sind: fm, Palmberg, Sedus, König +Neurath, Assmann oder Interstuhl. Die Branche ist mittelständisch geprägt – in Deutschland sind rund 80 Unternehmen ansässig, die sich komplett oder im Wesentlichen auf die Herstellung von Büromobiliar spezialisiert haben. 13.700 Menschen arbeiten in diesen Firmen, wie es vom Industrieverband Büro und Arbeitswelt (IBA) heißt. Im Jahr 2020 sackte der Branchenumsatz laut IBA um 11,8 Prozent auf 2,19 Milliarden Euro ab, 2021 stieg er um 5,7 Prozent auf 2,32 Milliarden.

Es war, wie die Zahlen zeigen, ein tiefer Fall, danach aber hat sich die Branche wieder berappelt. Dan Lühr von fm Büromöbel aus dem niedersächsischen Bösel erinnert sich an das Frühjahr 2020 als «Stillstand, bei dem man geschluckt und sich gefragt hat: «Uff, wie geht das weiter?»» Firmenkunden hätten Investitionen erstmal auf Eis gelegt oder Aufträge stark reduziert. «Statt 100 haben wir dann nur noch 50 Arbeitsplätze neu gestalten können – wenn überhaupt.»

fm brachte damals ein neues Produkt auf den Markt: die Homeoffice-Box. Die enthielt einen Tisch, Stuhl, ein Regal und einen Rollcontainer. Andere Firmen peilten ebenfalls den Homeoffice-Nutzer als neue größere Zielgruppe an. Seither hat sich der Anteil der Möbel, die in Privatwohnungen landen und nicht mehr in Büros, erhöht – bei fm Büromöbel ebenso wie bei anderen Unternehmen. Die Höhe des Homeoffice-Anteils ist aber unklar, auch weil mitunter Firmen Möbel einkaufen und Mitarbeiter diese dann mitnehmen.

Dass mehr Menschen daheim einen Drehstuhl oder einen höhenverstellbaren Tisch brauchen, ist positiv für die Hersteller. Unsicherheit bringt aber die Frage mit sich, ob die Firmen zukünftig ihre Bürofläche reduzieren, weil viele Beschäftigte im Homeoffice bleiben und nur gelegentlich ins Büro kommen. Studien haben zwar ergeben, dass der Büromarkt bisher robust ist. Dass die Bürofläche schrumpfen könnte, bleibt aber die große Sorge in der Möbelbranche – ihr Markt würde dann kleiner werden.

Mehr Gemütlichkeit ist angesagt

fm-Chef Lühr bleibt gelassen. Er ist der Auffassung, dass sich der Büromarkt nach Corona stabil entwickeln oder sogar wachsen werde. Klar sei aber auch, dass sich der Bedarf verändert habe. «Die Zeiten von grauen Teppichböden, weißen Raufaser-Tapeten und farblosen Möbeln sind vorbei – in so einem Umfeld will niemand mehr arbeiten», sagt der Manager. Stattdessen würden die Büros immer wohnlicher – der Lounge-Bereich samt Sofa mit hoher Rückenlehne werde größer, Besprechungs- und Kreativräume würden immer wichtiger.

Der Trend zu einem wohnlicheren Büro habe schon vor Corona eingesetzt, die Pandemie habe ihn jedoch beschleunigt: Die Firmen wollten den Beschäftigten nach der Rückkehr aus dem Homeoffice ein kreatives Ambiente bieten – «sie sollen zurückkommen wollen und nicht zurückkommen müssen», sagt Lühr.

Für fm bedeutet das: Die Aufträge werden tendenziell hochwertiger und damit auch höherpreisiger – höhenverstellbare Tische, besonders ergonomische Stühle sowie Sessel oder Sofas werden der Regelfall und nicht die Ausnahme. Wichtiger werden zudem Akustikelemente – also Trennwände und andere Komponenten, um Lärm abzuschwächen.

Anziehende Nachfrage nach Polstermöbeln

Der Branchenverband IBA verweist auf eine anziehende Nachfrage nach Produkten der Kategorie «Soft Seating», also Polstermöbeln. Hier mache sich der beschleunigte Wandel der Arbeitswelt bemerkbar, sagt eine Verbandssprecherin. «Für die neuen Arbeitsformen werden mehr und vor allem unterschiedliche Kommunikationsbereiche benötigt.» Dass sich die Nachfrage ändert, bekräftigt auch der Hersteller Sedus aus dem Schwarzwald: Die Arbeitswelt werde «immer mehr durch einen gewissen Lifestyle geprägt», heißt es von dem Unternehmen. Und die Firma Palmberg aus Mecklenburg-Vorpommern teilt mit, die Bürowelt werde «immer bunter, wohnlicher und individualisierbarer».

Ralph Seemann von der Beratungsgesellschaft PwC sieht ein gut eingerichtetes Büro mit kreativer und freundlicher Umgebung als einen Baustein für Arbeitgeber, um in Zeiten des Fachkräftemangels attraktiv zu sein. Auch das Thema Gesundheit sei präsenter als früher – ergonomische Stühle oder höhenverstellbare Tische würden nicht mehr als etwas Besonderes wahrgenommen, sondern als etwas Selbstverständliches.

Und wie geht es nach Corona weiter? Die Beschäftigten werden zwar wieder viel mehr in Firmenbüros arbeiten. Aber Homeoffice werde ein Massenphänomen bleiben, sagt Seemann. Für die Möbelhersteller sei dies ein zusätzlicher und durchaus lukrativer Markt. «Weil die Büromöbel zu Hause sind, ist den Privatmenschen ihr Design und ihre Qualität besonders wichtig – sie sollen ergonomisch funktional sein und sich gleichzeitig in die Optik der Wohnung einfügen.»

dpa