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Insolvenzverwalter: «Enorme Geldverbrennung» bei Wirecard

Eine zentrale Frage im Wirecard-Prozess ist, ob das Unternehmen echtes Geld verdiente oder seine Geschäfte erdichtete. Laut Insolvenzverwalter lebte der Dax-Konzern von Krediten.

Der Dax-Konzern brach 2020 zusammen.
Foto: Peter Kneffel/dpa

Im Münchner Wirecard-Prozess hat der Insolvenzverwalter Michael Jaffé die Zweifel an der Unschuld des früheren Vorstandschefs Markus Braun genährt. Der Anwalt Jaffé ist seit fünf Jahren mit der Sicherung des übrig gebliebenen Vermögens beschäftigt. Er fand nach eigenen Angaben im Sommer 2020 nach dem Kollaps des Dax-Konzerns keine profitablen Geschäfte vor, sondern ein Unternehmen, das pro Woche zehn Millionen Euro verbrannte. «Ein Betrieb mit weltweiter Struktur und enormem Cash Burn ohne jegliche Liquidität», sagte Jaffé als Zeuge vor dem Landgericht München I. Die Gesamtsumme der Geldverbrennung im Laufe der Jahre bezifferte Jaffé auf 1,1 Milliarden Euro.

Geld war «nicht vorhanden»

Der ehemalige Vorstandsvorsitzende Braun sitzt seit fast fünf Jahren in Untersuchungshaft. Laut seiner im Prozess mehrfach vorgebrachten Darstellung war Wirecard ein profitables Unternehmen mit echten Geschäften. Braun beschuldigt seinerseits den ehemaligen Vertriebsvorstand Jan Marsalek und dessen Komplizen, Milliarden aus dem Konzern abgezweigt und beiseite geschafft zu haben.

Jaffé hingegen sprach von «1,1 Milliarden Euro Cash Burn» – «echtes Geld, das von den Fremdfinanzierern zur Verfügung gestellt und über die Jahre verbrannt wurde, um die Struktur aufrecht zu erhalten und zu betreiben». Als «Fremdfinanzierer» bezeichnete Jaffé die kreditgebenden Banken. Allein den Geldbedarf für die zehn Wochen nach dem Insolvenzantrag bezifferte Jaffé auf eine dreistellige Millionensumme. «Funding war nicht vorhanden.» Zu Brauns Argumentation nahm der Insolvenzverwalter nicht ausdrücklich Stellung.

Seit 2020 werden 1,8 Milliarden Euro vermisst 

Es besteht kein Zweifel daran, dass bei Wirecard in großem Umfang betrogen wurde – die Frage ist, wer die Täter waren. Laut Anklage soll Braun ein maßgebliches Mitglied der Betrügerbande im Unternehmen gewesen sein. Braun hingegen betrachtet sich als unschuldiges Opfer der wahren Täter. Der Konzern brach im Juni 2020 zusammen, weil 1,8 Milliarden Euro unauffindbar waren, die die Wirecard-Chefetage in der Konzernbilanz verbucht hatte.

Jaffé wurde in den ersten Stunden seiner Zeugenvernehmung zunächst nicht nach diesen fehlenden Geldern gefragt. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass es sich um Scheingeschäfte handelte und das Geld nie existierte. Braun bestreitet dies.

dpa