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Kann uns Frankreich einfach den Strom abdrehen?

In Frankreich erwägen Rechte und auch Linke, aus dem europäischen Strommarkt auszusteigen. Muss sich Deutschland nun warm anziehen? Ein Blick auf die Fakten führt zu Entwarnung.

In Frankreich sind Atomkraftwerke noch in Betrieb. Wenn Deutschland aus dem Nachbarland Strom importiert, kann es also gut sein, dass dieser aus einem Akw kommt.
Foto: epa Karaba/EPA_FILE/dpa

Die extremen Rechten in Frankreich sind besorgt über Stromlieferungen ins europäische Ausland. Bedeutet das Ergebnis der vorgezogenen Parlamentswahlen, bei denen das Rassemblement National (RN) mit Marine Le Pen die drittstärkste Kraft wurde, jetzt eine Erleichterung? Immerhin teilen die Linken die Ansicht über den Ausstieg aus dem europäischen Strommarkt. Und mit La France Insoumise hat gerade das neue Linksbündnis gewonnen. Deutschland wäre von Stromimporten direkt betroffen. Wie hoch sind diese? Und: Ist ein Ausstieg Frankreichs überhaupt realistisch?

Behauptung

Frankreich hat die Möglichkeit, die Stromlieferungen nach Deutschland zu stoppen.

Bewertung

Es ist nicht so einfach.

Fakten

Die größte Sorge der Menschen in Frankreich und damit das wichtigste Thema in Wahlkämpfen ist derzeit die Kaufkraft. “Le Pens Rechtsnationale, aber auch die Linkspartei La France Insoumise und die Kommunisten fordern daher regelmäßig einen Ausstieg aus dem europäischen Strommarkt und raten den Menschen, dass sich Frankreich mit seinem Atomstrom und einem selbst festgelegten Tarif günstiger versorgen könnte – die Menschen hätten also mehr Geld im Portemonnaie.”

Le Pen kritisierte auch, dass die europaweit abgestimmten Strompreise Frankreichs Industrie benachteiligen würden, da sie aufgrund des deutschen Atomausstiegs mehr zahlen müsse. Derzeit fordert der Vorsitzende des Rassemblement National, Jordan Bardella, eine Ausnahme für Frankreich von den europäischen Regeln zur Festlegung der Energiepreise. Dies würde jedoch nicht bedeuten, dass Frankreich sich von seinen europäischen Partnern abwendet.

Experten zu Frankreich: Beim Ausstieg steigt der Strompreis

Experten, darunter der Präsident des Energiekonzerns Engie, Jean-Pierre Clamadieu, und der Wirtschaftsprofessor an der Universität Paris Dauphine, Patrice Geoffron, sind der Ansicht, dass Frankreich auf den ständigen Austausch von Strom im europäischen Netz angewiesen ist, auch wenn es unter dem Strich mehr exportiert als importiert. Bei einem Ausstieg aus dem europäischen Strommarkt drohten Stromausfälle und Frankreich müsste massiv in zusätzliche Kraftwerke investieren, was den Strompreis in die Höhe treibe, sagen Experten. Außerdem verdient Frankreich mit den Stromexporten tüchtig Geld, es würde also wenig Sinn haben, diese zu kappen.

Eine Abweichung von den europäischen Regeln für die Festlegung der Energiepreise könnte theoretisch von Frankreich mit der EU verhandelt werden; Portugal und Spanien erhielten während der Energiekrise eine solche Ausnahme. Experten halten dies jedoch aufgrund der Bedeutung des europäischen Strommarkts für Frankreich für kontraproduktiv. Ein vollständiger Austritt Frankreichs aus dem europäischen Strommarkt würde europäische Verträge und Abkommen verletzen. Dies wäre praktisch nur möglich, wenn Frankreich europäische Vereinbarungen einfach nicht mehr einhält. Dies würde zu Strafmaßnahmen durch Brüssel führen.

Beim europäischen Strommarkt heißt es Geben und Nehmen

Deutschland und Frankreich sind innerhalb der EU als sogenannte Stromtransitländer bekannt. Das heißt, es wird kontinuierlich Strom importiert und exportiert, um ihn dorthin zu bringen, wo er gebraucht wird. Die geplante Zusammenarbeit mit anderen Ländern soll es ermöglichen, Geld zu sparen und Emissionen zu reduzieren, um einen gemeinsamen Strommarkt in Europa zu schaffen.

Laut den Daten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) hat Deutschland bis zum 8. Juli dieses Jahres rund 26,2 Terawattstunden (TWh) Strom an andere europäische Länder geliefert. Im Gegenzug erhielt die Bundesrepublik von ihren Nachbarn 38,3 TWh.

Im Vergleich dazu beträgt die öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland (also ohne die Eigenversorgung der Industrie) im selben Zeitraum etwa 234 TWh. Davon entfallen knapp fünf Prozent auf Stromimporte.

Zwischen Frankreich und Deutschland geht es Hin und Her

Der Blick auf den Stromaustausch zwischen den Nachbarländern zeigt, dass Deutschland 2024 bisher mehr Strom aus Frankreich importiert hat als dorthin exportiert. Den Fraunhofer-Daten zufolge erhielt Deutschland bis zum 8. Juli 8,44 TWh aus Frankreich und exportierte 1,62 TWh dorthin. Das macht Frankreich zu einem der größten, wenn auch nicht dem größten Stromexporteur nach Deutschland in diesem Jahr. Knapp an der Spitze steht derzeit Dänemark mit 8,6 TWh, die zu uns gekommen sind.

Es wird durch Daten, die vom Bundestag zitiert werden, verdeutlicht, dass es in der deutsch-französischen Energiezusammenarbeit auch in die andere Richtung gehen kann: Deutschland exportierte zwischen Ende November 2022 und Ende November 2023 14,2 Terawattstunden Strom nach Frankreich und erhielt umgekehrt 12 Terawattstunden.

dpa