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Kippt der Peso – und kann Amerika ihn retten? Was hinter Washingtons Rettungsplan steckt

Der argentinische Peso stürzt weiter ab, doch US-Finanzminister Scott Bessent stellt eine dramatische Rettung in Aussicht. Welche Instrumente geplant sind, warum die Zeit drängt – und was das für die Wirtschaft bedeutet. Lesen Sie den Hintergrund.

Peso-Absturz Argentinien USA Unterstützung
Foto: Newsflash24 (KI)

Argentiniens Währung steht am Abgrund: Der Peso-Absturz der vergangenen Monate hat dramatische Ausmaße angenommen. Die Zentralbank hat ihre Dollarreserven im Eiltempo in die Märkte geworfen, doch die Landeswährung fällt weiter. Jetzt mischen sich ausgerechnet die USA ein: Finanzminister Scott Bessent hat angekündigt, Washington werde „alles tun, was in unserer Macht steht“, um den südamerikanischen Partner zu unterstützen. Das klingt spektakulär – aber kann Amerika den Peso wirklich retten? Wir erklären, warum Argentiniens finanzielle Situation so brisant ist, welche Instrumente Washington zur Unterstützung nutzt und welche politischen Risiken bleiben.

Peso im freien Fall: Warum Argentiniens Währung kollabiert

Argentinien steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Inflation ist seit Jahren zweistellig, das Vertrauen in den Peso bröckelt. Vor allem seit dem Frühjahr 2025 hat die Landeswährung einen regelrechten Sturzflug hingelegt: An den inoffiziellen Märkten kostete der Dollar zuletzt 1 520 Peso – so viel wie nie zuvor. Um einen kompletten Zusammenbruch zu verhindern, griff die Zentralbank zu drastischen Maßnahmen: Allein am Freitag verkaufte sie 678 Millionen US‑Dollar – die größte Intervention seit sechs Jahren – und innerhalb dreier Handelstage insgesamt 1,1 Milliarden Dollar. Argentiniens Finanzminister Luis Caputo kündigte an, man werde „bis zum letzten Dollar“ intervenieren. Doch diese Feuerkraft ist begrenzt: Die Reserven schrumpfen, und die hohe Nachfrage nach Dollar treibt die Parallelsätze weiter nach oben. Investoren sind nervös, weil der Kursverfall nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale Folgen hat – höhere Preise belasten die Bevölkerung, Unternehmen stocken Investitionen auf.

Washingtons Rettungsplan: Was Bessent wirklich zusagt

Vor diesem Hintergrund sorgte Scott Bessent für Aufsehen. Der designierte US‑Finanzminister erklärte auf der Plattform X, dass alle Optionen für die Stabilisierung des Peso auf dem Tisch seien. Konkret nannte er drei Instrumente: Swap‑Linien mit der Federal Reserve, direkte Dollar‑Käufe durch das US‑Finanzministerium und Ankäufe argentinischer Staatsanleihen in US‑Dollar aus dem „Exchange Stabilization Fund“. Bessent kündigte außerdem an, er werde gemeinsam mit Ex‑Präsident Donald Trump den argentinischen Präsidenten Javier Milei in New York treffen, um die Details zu besprechen. Die USA betrachten Argentinien als strategischen Verbündeten in der Region – Milei bekennt sich zu amerikanischen Werten und Fiskaldisziplin – und wollen das Land nicht in Richtung China oder Russland abdriften lassen. Bessent betonte, die Hilfe werde nur im Rahmen des US‑Mandats gewährt und erwarte im Gegenzug Reformen. Interessant ist, dass Bessent noch im Sommer eine Kreditlinie an Argentinien nur für den Fall eines globalen Schocks ins Spiel gebracht hatte. Dass er nun alle Register zieht, zeigt, wie ernst Washington die Lage einschätzt.

Buenos Aires im Peso-Absturz: Schuldenberge und leere Reserven

Die panische Dollar‑Suche hat einen konkreten Hintergrund: Im Januar 2026 muss Argentinien rund 4 Milliarden US‑Dollar an Auslandsschulden begleichen, im Juli weitere 4,5 Milliarden. Ein Großteil davon entfällt auf Kredite bei internationalen Investoren und Anleihen, die in US‑Dollar denominiert sind. Gleichzeitig ist die Devisenreserve nach den Interventionen auf unter 20 Milliarden Dollar gefallen. Die Regierung will sich deshalb frisches Geld in Washington leihen. Laut Präsident Milei sind die Gespräche über eine Kreditlinie aus dem US‑Stabilisierungsfonds „sehr weit fortgeschritten“. Doch die Bedingungen sind hart: Eine solche Kreditlinie würde das Land zu weiteren Einsparungen zwingen, denn der Fonds wird üblicherweise nur für kurzfristige Stabilisierungsmaßnahmen genutzt. Kritiker warnen zudem, dass die Zentralbank mit jeder Intervention die Reserven weiter dezimiert und damit die Spielräume schrumpfen.

IWF, Wirtschaftskrise und politische Risiken

Parallel zu den Gesprächen mit Washington läuft ein milliardenschweres Programm mit dem Internationalen Währungsfonds. Der IWF hat Argentinien im Rahmen eines Vierjahresplans rund 20 Milliarden Dolar zu

esagt und erst im August eine weitere Tranche von 2 Milliarden Dollar freigegeben. Um die Mittel zu erhalten, musste Buenos Aires den Primärhaushalt ausgeglichen halten, die Geldpresse stoppen und einen bandbreitenorientierten Wechselkurs einführen. Dennoch hat das Land das Ziel, neue Devisenreserven aufzubauen, verfehlt. Der IWF hat daher die Reserveziele nach unten korrigiert und die nächste Bewertung nach den Parlamentswahlen ausgesetzt. Die Wirtschaft leidet unter der harten Sparpolitik: Die Arbeitslosenquote ist zwar auf 7,6 Prozent gefallen, doch die meisten neuen Jobs sind im informel

en Sektor, wo die Menschen keine Sozialabsicherung haben. Die Bau‑ und Fertigungsindustrie schrumpfen – Folgen der drastischen Haushaltskürzungen – und der Börsenindex S&P Merval gehört zu den schwächsten weltweit. Hinzu kommen politische Risiken: Korruptionsaffären und Niederlagen der Regierungskoalition bei Zwischenwahlen schüren Zweifel, ob Milei seine Reformagenda im Parlament durchsetzen kann.

Blick nach Europa und die globale Bedeutung

Der Peso-Kollaps ist nicht nur ein argentinisches Thema. Die Instabilität in Südamerika beeinflusst auch andere Regionen – etwa das exportorientierte Europa. Dort beziehen Unternehmen wichtige Rohstoffe aus dem Cono Sur und leiden gleichzeitig unter eigenen Krisen. Der Rekordsommer 2024 kostete in Europa mehr als 62 700 Menschen das Leben und zeigte, wie verwundbar hochentwickelte Volkswirtschaften gegenüber Krisen sind. So wie Klimaschocks die Energie- und Landwirtschaftsmärkte belasten, wirken Währungs- und Schuldenkrisen in Südamerika über die Finanzmärkte auf Europa zurück. Argentiniens Niedergang droht beispielsweise den Soja- und Fleischhandel zu stören und Investoren aus Deutschland abzuschrecken. Globale Herausforderungen hängen zusammen – ein stabil

er Peso liegt daher auch im Interesse europäischer Unternehmen.

Wird Washingtons Rettungsversuch reichen?

Ob Washingtons Rettungsan

ker ausreicht, ist ungewiss. Die Ankündigung von Swap‑Linien, Dollar‑Käufen und Anleiheaufkäufen hat die Märkte kurzfristig beruhigt: Argentiniens Dollarbonds legten um bis zu sechs Cent zu, und der in New York gehandelte Merval‑Ind

ex sprang zweistellig. Doch das dicke Ende kommt erst noch: Der Peso fällt, weil das Vertrauen der Bevölkerung und der Investoren in die Politik fehlt. Solange strukturelle Probleme wie ein marodes Steuersystem, eine ineffiziente Verwaltung und die Abhängigkeit von Landwirtschaftsexporten ungelöst bleiben, droht der nächste Absturz. Washington kann Zeit kaufen, aber keine Wunder vollbringen. Dass Bessent dennoch alle Instrumente mobilisiert, unterstreicht, wie wichtig Argentinien als geopolitischer Partner ist. Für Präsident Milei bedeutet das: Reformen energisch durchziehen, damit der Rettungsplan nicht zur letzten Patrone wird.

Ricardo Bohn