Bei der Kabinettsklausur spielte die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft eine große Rolle. Eine wichtige Branche ist besonders unter Druck. Wie kann die Regierung helfen?
Klingbeil und Reiche wollen Jobs in Stahlindustrie sichern
Die deutsche Stahlindustrie steht unter erheblichem Druck, da tausende Arbeitsplätze bedroht sind – die Bundesregierung plant konkrete Unterstützung. Ein Schlüsselinstrument soll ein staatlich subventionierter niedrigerer Industriestrompreis sein. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) wollen dies ermöglichen.
Die Zustimmung der EU-Kommission ist erforderlich. Sie hat unter bestimmten Bedingungen die Genehmigung von direkten staatlichen Subventionen zur Senkung der Strompreise für energieintensive Unternehmen ermöglicht. Reiche sagte, dass die Verhandlungen mit der Kommission bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein sollten. Es handelt sich dabei um die konkrete Ausgestaltung des Industriestrompreises.
Klingbeil und Reiche sowie Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) kamen im Finanzministerium mit Stahl-Betriebsräten sowie Gewerkschaften zusammen. Das Treffen dient als Vorbereitung für den von Kanzler Friedrich Merz (CDU) angekündigten «Stahlgipfel» im Herbst.
Unternehmen sollen Planungssicherheit bekommen
Reiche sagte, die Unternehmen müssten zu Beginn des Jahres 2026 wissen, dass der Industriestrompreis komme. Die Erstattung solle dann rückwirkend mit dem Haushalt 2027 erfolgen. Die Koalition bekenne sich zum Industriestrompreis und wolle ihn mit «aller politischen Durchsetzungskraft» umsetzen.
Klingbeil erwähnte ein bedeutendes Vorhaben. Eine genaue Summe konnte er noch nicht nennen. Der Finanzminister betonte jedoch, dass die entsprechenden Mittel für einen Industriestrompreis aus dem Klima- und Transformationsfonds des Bundes bereitgestellt werden würden. Das Ziel sei es, einer wichtigen Industrie zu unterstützen.
Kriselnde Branche
Die Stahlindustrie in Deutschland ist von der Krise in Abnehmerbranchen, insbesondere der Autoindustrie, betroffen. Dazu kommen gestiegene Energiepreise, Billigimporte hauptsächlich aus China und die Kosten für die Umstellung auf eine umweltfreundlichere Stahlproduktion.
Auch hohe Zölle auf Stahlimporte in die USA machen der Branche zu schaffen. Bas nannte die Lage sehr prekär. «Wir haben die ersten Zulieferer, die sagen, dass sie Arbeitsplätze abbauen in der Stahlbranche.»
Industriestrompreis soll helfen
Yasmin Fahimi, die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, betonte, dass es für Investoren wichtig sei, Klarheit darüber zu haben, ob die Stahlindustrie in Deutschland eine Zukunft habe. Unternehmen benötigten mehr Planungssicherheit. Sie erklärte: „Die Erwartung ist, dass der Industriestrompreis im Zielkorridor von fünf Cent pro Kilowattstunde liegen sollte.“
Laut Jürgen Kerner, dem Zweiten Vorsitzenden der IG Metall, muss bis spätestens zum 1. Januar 2026 ein Industriestrompreis von höchstens 5 Cent pro Kilowattstunde eingeführt werden. Die Bundesregierung sollte schnell und entschlossen handeln, um die Stahlbranche als Grundstoffindustrie zu stabilisieren und somit den Industriestandort Deutschland zu stärken.
Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft beträgt der durchschnittliche Strompreis für kleine und mittlere Industriebetriebe bei Neuverträgen derzeit bis zu 18 Cent pro Kilowattstunde.
Laut IG Metall kann es bei großen Industriebetrieben mit langfristigen direkten Lieferverträgen anders aussehen. Es gibt bereits Vergünstigungen wie reduzierte Netzentgelte. Dennoch liegt auch bei ihnen der Strompreis weit über 5 Cent pro Kilowattstunde und somit weit über einem international wettbewerbsfähigen Niveau.
Weitere Maßnahmen geplant
Klingbeil sagte mit Blick auf einen Schutz der EU-Stahlbranche vor Billigimporten aus dem Ausland: «Wenn wir das Ziel haben, eine starke europäische, deutsche Stahlindustrie zu haben, dann müssen wir auch über entsprechende Maßnahmen nachdenken.» Der Finanzminister sprach von einem «gesunden europäischen Patriotismus». Man dürfe sich nicht von Staaten wie China abhängig machen.
Heimischen Stahl bei Investitionen bevorzugen?
Klingbeil schlug eine alternative Idee vor. In Bezug auf das Sondervermögen für zusätzliche Milliarden-Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur stellte der SPD-Chef die Frage, warum es kein eindeutiges Bekenntnis dazu gebe, bevorzugt heimischen Stahl zu verwenden.