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Künftig auch Zölle auf in EU importierte Billigwaren?

Auf Temu, Shein und auch Amazon und Co sind oftmals sehr günstige Produkte zu bestellen und kommen bislang oft zollfrei in die EU. Das könnte sich ändern – mit Folgen für Verbraucher?

Bislang können Waren unter 150 Euro zollfrei in die EU importiert werden.
Foto: Wolf von Dewitz/dpa

Shein, Temu, AliExpress und Co müssen möglicherweise in Zukunft höhere Zollabgaben für ihre Sendungen in die EU zahlen. Bei einem Treffen in Brüssel stimmen Bundesfinanzminister Lars Klingbeil und seine Amtskollegen der EU-Länder heute (ab 10.30 Uhr) darüber ab, ob auch für günstige Waren Abgaben erhoben werden sollen, die bisher oft kostenfrei in die Europäische Union eingeführt werden können. Ob dies dazu führen wird, dass preiswerte Produkte teurer werden, bleibt abzuwarten.

Mit dem von der Bundesregierung unterstützen Vorstoß soll etwa gegen Wettbewerbsverzerrung und Betrug vorgegangen werden. Es sei ein ganz wichtiges Signal dafür, «dass wir keine Ramschware aus China wollen, dass wir unsere Märkte schützen», sagte Vizekanzler Klingbeil jüngst.

EU-Kommission schlug Reform für faireren Wettbewerb vor

Das Projekt basiert auf einem Vorschlag der Europäischen Kommission zur Reform der Zollregeln der EU. Gemäß dem Wunsch der Brüsseler Behörde sollen ab 2028 viele Waren unter 150 Euro zollpflichtig werden. Dies soll sicherstellen, dass alle Händler – unabhängig von ihrem Standort – unter den gleichen Wettbewerbsbedingungen agieren. Bisher wird kein Zoll erhoben, wenn der Warenwert unter 150 Euro liegt.

Des Weiteren ist es geplant, mit den neuen Richtlinien gegen Betrug vorzugehen: Gemäß der EU-Kommission wird geschätzt, dass bei 65 Prozent der Pakete, die in die EU versandt werden, vorsätzlich ein zu niedriger Wert in der Zollanmeldung angegeben wird, um von der Befreiung zu profitieren. Dies stellt laut der Behörde eine Benachteiligung für EU-Unternehmen dar, die nicht mit den entsprechend niedrigeren Verkaufspreisen konkurrieren können – insbesondere kleine und mittlere Unternehmen.

Des Weiteren ist die Befreiung für Verkäufer ein Anreiz, größere Bestellungen bei Lieferungen in die EU in kleinere Pakete aufzuteilen, so die Kommission. Dies führt zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen in der EU und verursacht zusätzlich unter anderem Verpackungsmüll.

«Erster Baustein» gegen Paketflut

Der Online-Handel hat in den letzten Jahren zu einem exponentiellen Anstieg bei Lieferungen kleiner Warenpakete mit geringem Wert in die EU geführt. Laut EU-Kommission waren 2024 täglich rund zwölf Millionen Pakete in der EU angekommen – deutlich mehr als in den beiden Vorjahren. Von der Abgabe dürften Online-Shoppingportale wie auch Amazon oder Etsy sowie E-Commerce-Giganten wie Temu, AliExpress und Shein betroffen sein.

Laut dem Handelsverband Deutschland werden täglich rund 400.000 Pakete von Shein und Temu an deutsche Kunden versandt. Der Umsatz der beiden Portale in Deutschland belief sich im Jahr 2024 auf 2,7 bis 3,3 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr haben laut HDE mehr als 14 Millionen Menschen in Deutschland bei Temu und Shein eingekauft.

Die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Ramona Pop, nennt die Abschaffung der Zollfreigrenze einen ersten Baustein, um die Paketflut einzudämmen. «Außerdem müssen Online-Marktplätze grundsätzlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie unsichere oder gefährliche Produkte vertreiben», forderte sie weiter. Eine Untersuchung der Stiftung Warentest habe kürzlich wieder gezeigt, dass besonders Produkte im Preissegment unter 150 Euro häufig nicht den EU-Regelungen entsprächen. Auch sei der Start ab dem Jahr 2028 zu spät, mahnte Pop.

Die Abschaffung der 150 Euro-Freigrenze könne den europäischen Binnenmarkt spürbar fairer machen, heißt es vom Mittelstandsverbund. Sie sei ein überfälliger Schritt, sagte Präsident Günter Althaus. «Wer in Europa verkauft, muss sich auch an europäische Regeln halten – egal ob aus Köln oder aus Shenzhen. Damit die Reform ihre Wirkung entfalten kann, müssen die Zollämter personell und digital so ausgestattet werden, dass sie den wachsenden Warenverkehr tatsächlich kontrollieren können», mahnt er.

 

Vom Online-Riesen Amazon heißt es, man unterstütze das Ziel, die Fähigkeiten der Zollkontrolle zu stärken, um Betrug und Nichteinhaltung zu bekämpfen und so für fairere Wettbewerbsbedingungen im internationalen Handel zu sorgen. «Wir verpflichten uns, künftig mit der Europäischen Kommission und den Zollbehörden zusammenzuarbeiten, um moderne, effiziente und vereinfachte Zollverfahren für regelkonforme Händler sicherzustellen», sagte eine Sprecherin auf Anfrage.

Die EU-Kommission erwägt laut Berichten, neben der bereits beschlossenen Zollpflicht für günstige Produkte, eine Pauschalabgabe von bis zu zwei Euro auf entsprechende Bestellungen aufgrund der zunehmenden Anzahl von Paketen aus Drittstaaten.

Konzerne bei Verbrauchern beliebt

Temu ist ein Online-Marktplatz, auf dem viele Unternehmen verschiedene Waren verkaufen. Das chinesische Unternehmen ist seit Frühjahr 2023 in Deutschland tätig und zieht immer wieder mit niedrigen Preisen und hohen Rabatten die Aufmerksamkeit auf sich. Oft werden Produkte direkt vom Hersteller zum Kunden geliefert. Der in China gegründete und heute in Singapur ansässige Modekonzern Shein fungiert sowohl als Hersteller, Händler als auch als Marktplatz.

Die beiden Einkaufsportale sind bei Verbrauchern sehr beliebt. Gemäß einem aktuellen Ranking des Handelsforschungsinstituts EHI war Shein im Jahr 2024 bereits der siebtgrößte Onlineshop in Deutschland. Temu belegt den 4. Platz bei den Marktplätzen.

Beide Anbieter sind kontrovers. Politiker, Handelsvertreter und Verbraucherschützer kritisieren unter anderem Produktqualität, unzureichende Kontrollen und unfaire Wettbewerbsbedingungen. Sie fordern eine strengere Regulierung und verbesserten Schutz beim Online-Einkauf.

In Frankreich ist Shein in letzter Zeit verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Nachdem bekannt wurde, dass der Onlinehändler Sexpuppen mit kindlichem Aussehen anbietet und Waffen verkaufen soll, hat die französische Regierung letzte Woche ein Verfahren gegen die Plattform eingeleitet. Im Zuge dessen kündigte die Regierung an, am Pariser Flughafen 200.000 Shein-Pakete zu kontrollieren. Shein hat angekündigt, mit den Behörden zusammenzuarbeiten.

dpa