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Dieselprozess gegen Winterkorn vorerst gestoppt

Martin Winterkorn war VW-Chef als der Dieselskandal aufflog. Lange Zeit blieb unklar, ob sich der Topmanager vor Gericht verantworten muss. Jetzt steht dahinter ein dickes Fragezeichen.

Der Prozess gegen Winterkorn war zuletzt ausgesetzt. (Archivbild)
Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Der einstige «Mr. Volkswagen» ist langfristig erkrankt und verhandlungsunfähig: Angesichts des schlechten Gesundheitszustands von Ex-Konzernchef Martin Winterkorn ist das Strafverfahren zur Dieselaffäre deswegen vorläufig eingestellt. Die zuständige Wirtschaftsstrafkammer sehe in der andauernden Erkrankung ein vorübergehendes Verfahrenshindernis, teilte das Landgericht Braunschweig mit. 

Winterkorn, der mittlerweile 78 Jahre alt ist, wird laut Gericht weiterhin als verhandlungsunfähig angesehen. Es bleibt unklar, ob das Verfahren gegen den ehemaligen Topmanager überhaupt abgeschlossen werden kann. Der aktuelle Beschluss dokumentiert jedoch eher einen juristischen Schritt der Strafprozessordnung. Es ist nicht bekannt, ob sich der Gesundheitszustand von Winterkorn oder die Perspektive des Strafverfahrens dadurch geändert haben.

Winterkorn als Schlüsselfigur? 

Winterkorn war VW-Konzernchef, als im September 2015 der Skandal um Manipulationen bei Abgastests von Dieselautos durch die US-Umweltbehörde EPA bekannt wurde. Kurz zuvor hatte VW in den USA falsche Testergebnisse zugegeben. Winterkorn trat wenige Tage später zurück und der Autobauer geriet in eine der größten Krisen der Unternehmensgeschichte. Seitdem wird Winterkorn als Schlüsselfigur des Dieselskandals angesehen.

Der ehemalige Vorstand betonte jedoch immer wieder, dass er mit seinem Rücktritt zwar die politische Verantwortung übernehme, strafrechtlich relevantes Verhalten aber zurückweise. In dem Verfahren vor der Wirtschaftsstrafkammer in Braunschweig werden ihm gewerbsmäßiger Betrug, Marktmanipulation und uneidliche Falschaussage vorgeworfen. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.

Prozessflut längst nicht abgearbeitet 

Die Dieselaffäre hat Volkswagen eigenen Angaben zufolge rund 33 Milliarden Euro gekostet und eine große Anzahl von Prozessen ausgelöst, die noch lange nicht abgeschlossen sind. Die rechtliche Bewertung von Winterkorns Rolle zieht sich bereits seit mehreren Jahren hin. Weder die Staatsanwaltschaft Braunschweig noch die Verteidigung wollten sich auf Anfrage zum aktuellen Beschluss des Landgerichts äußern.

Ursprünglich war geplant, dass der einst bestbezahlte Manager Deutschlands ab September 2021 zusammen mit vier anderen ehemaligen VW-Führungskräften auf der Anklagebank in Braunschweig sitzen würde. Allerdings wurde bereits vor Beginn des Prozesses deutlich, dass Winterkorn fehlen würde. Sein Verfahren wurde aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt.

Haftstrafen für Mitangeklagte 

Nach fast vier Jahren Verfahren mit 175 Verhandlungstagen wurden die vier anderen Manager und Ingenieure wegen ihrer Rolle im Abgasskandal vor wenigen Wochen schuldig gesprochen. Zwei Angeklagte müssen mehrjährige Haftstrafen antreten, zwei Ex-Mitarbeiter erhielten Bewährung. Die Verteidigung kündigte aber direkt im Anschluss an, gegen das «falsche Urteil» Revision einzulegen. 

Nach einigen Verzögerungen begann schließlich im September 2024 der Einzelprozess gegen Winterkorn. Trotz der sichtbaren Spuren mehrerer Operationen betonte der ehemalige Vorstandsvorsitzende kurz vor Beginn des Verfahrens mit einem Lächeln seine Zuversicht. In seiner ersten Stellungnahme als Angeklagter wies er die Anschuldigungen erneut zurück und sah seine erfolgreiche Karriere durch die Dieselaffäre beeinträchtigt.

Winterkorn vor Gericht: Funktion weder gefordert noch gefördert 

Die Anklage spiegele nicht die Haltung wider, die er in fast 15 Jahren als Vorstandsvorsitzender an der Spitze von Audi und Volkswagen eingenommen habe. «Das entspricht auch nicht meinem Verständnis, wie man in dieser Funktion seine Pflichten erfüllt», sagte Winterkorn damals. «Ich habe diese Funktion damals weder gefordert noch gefördert oder ihren Einsatz auch nur geduldet». 

Die Anklage wirft ihm jedoch vor, VW-Kunden über die Beschaffenheit der Autos getäuscht zu haben. In den entscheidenden Septembertagen 2015 soll er den Kapitalmarkt vorsätzlich nicht rechtzeitig über Risiken durch Strafzahlungen informiert haben. 2017 soll er auch vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags uneidlich falsch dazu ausgesagt haben.

Nach nur wenigen Tagen wurde der Prozess durch einen Unfall von Winterkorn im häuslichen Umfeld unterbrochen. Es ist nun unklar, ob und wann dieses langjährige Verfahren fortgesetzt werden kann.

dpa