Europas größter Luftverkehrskonzern breitet sich nach Süden aus. Mit dem größten Zukauf ihrer Geschichte erwirbt Lufthansa in Italien zunächst eine Minderheit an einer echten Legende.
Lufthansa bei Italiens Staatsairline Ita gelandet
Die Lufthansa hat den ersten Schritt zur Übernahme der italienischen Staatsairline Ita gemacht. Laut eigenen Angaben hat der MDax-Konzern 325 Millionen Euro eingezahlt und im Gegenzug eine Minderheitsbeteiligung von 41 Prozent an Ita erhalten. Die Mehrheit der Anteile bleibt vorerst in den Händen des italienischen Staates.
Die Übernahme der Alitalia-Nachfolgerin Italia Trasporto Aereo (Ita) mit 99 Flugzeugen und 5.000 Beschäftigten ist vertraglich mit der Regierung in Rom vereinbart. Lufthansa hat die Möglichkeit, in zwei Schritten zunächst 90 Prozent und später die restlichen Anteile zu übernehmen, sofern die Geschäftszahlen passen.
Der Schritt zur Mehrheit sei nicht für das laufende Jahr geplant, hat Konzernchef Carsten Spohr in einem Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» gesagt. «Es ist in unserem Interesse, die italienische Regierung in den nächsten Monaten an Bord zu halten. Eine 100-Prozent-Übernahme ist aber das klare Ziel.» Dafür sei ein Festpreis von 829 Millionen Euro vereinbart, inklusive einer potenziellen variablen Komponente.
Wettbewerbsauflagen der EU
Nach langen Verhandlungen hat die Europäische Union der Übernahme unter strengen Wettbewerbsvorschriften zugestimmt. Die Ita musste umfangreiche Start- und Landerechte in Rom und Mailand an den Direktflieger Easyjet abgeben. Passagiere der Konkurrenten IAG (British Airways, Iberia) und Air France müssen zudem von der Ita zu Vorzugskonditionen an deren Drehkreuze gebracht werden. Lufthansa war bereits vor dem Einstieg in Italien der umsatzstärkste Luftverkehrskonzern Europas.
Die Einführung von 27 neuen Easyjet-Routen zu verschiedenen europäischen Städten zielt darauf ab, die dominierende Stellung des Lufthansa-Konzerns einzuschränken. In Italien ist Ryanair, die irische Billigfluggesellschaft, der größte Anbieter.
Neuer Chef ein Deutscher
Bereits vor der rechtlichen Umsetzung des Einstiegs von Lufthansa hat der italienische Staat als bisheriger Besitzer das neue fünfköpfige Führungsteam der Fluggesellschaft bestimmt. Lufthansas Chief Strategist Jörg Eberhart, der bereits acht Jahre lang die norditalienische Regionaltochter Air Dolomiti geleitet hat, ist als Chief Executive Officer vorgesehen. Außerdem stammt die Vertriebsexpertin Lorenza Maggio von Lufthansa.
Konzernchef Carsten Spohr lobt die Aufbauarbeit bei der Nachfolgerin der Alitalia. «Wir freuen uns, diese Erfolgsgeschichte mit Ita Airways gemeinsam fortzusetzen. Mit unserer Beteiligung stärken wir nun zukünftig den italienischen und europäischen Luftverkehrsmarkt und die Position der Lufthansa Group als Nummer Eins in Europa.»
Die Ita wird nach Lufthansa, Swiss, Austrian und der belgischen Brussels Airlines die fünfte privatisierte Staatsairline unter dem Dach des Konzerns. Die mitten in der Corona-Krise 2020 gestartete Gesellschaft hat bislang unter dem Strich immer Verluste eingeflogen, aber für 2024 wie schon im Vorjahr einen operativen Gewinn angekündigt. Im vergangenen Jahr hatte sie rund 18 Millionen Fluggäste. Die neue Beteiligung soll schnell von gemeinsamem Einkauf und einheitlicher Vermarktung im Lufthansa-Konzern profitieren und jährlich einen dreistelligen Millionengewinn beitragen.
Die Airline, die zunächst als Minderheitsbeteiligung geführt wurde, wird sofort zur größten Auslandsgesellschaft im Konzern, wobei der Leonardo-da-Vinci-Flughafen in Rom-Fiumicino zum sechsten Drehkreuz des Multi-Marken-Anbieters wird. Lufthansa-Chef Spohr hat angekündigt, dass Stammkunden einen schnellen Übergang in das Lufthansa-Programm Miles&More haben werden. Der Übergang zur Airline-Allianz Star Alliance ist daher für 2026 geplant.
Frühere Übernahmepläne
Die Deutsche Lufthansa AG hatte schon unter Spohrs Vor-Vorgänger Wolfgang Mayrhuber mit einer Übernahme in Italien geliebäugelt, schließlich aber doch die Finger von der Ita-Vorgängerin Alitalia gelassen. Dort haben in der Folge die arabische Etihad und Air France viel Geld verloren. Der italienische Staat musste die als nationales Symbol geschätzte Fluggesellschaft mehrfach vor der Pleite retten. Im Übergang zur Ita wurde das Unternehmen schließlich stark verkleinert und wieder vollständig verstaatlicht. Die neue Gesellschaft kaufte zwar die Namensrechte der legendären Vorgängerin, ist aber im rechtlichen Sinne nicht deren Nachfolgerin.