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Materialmangel in Industrie – China wahrscheinliche Ursache

Eigentlich wollte Deutschland weniger abhängig von China werden, eingetreten ist das Gegenteil. Die Industrie kämpft mit neuerlichem Materialmangel – mit mutmaßlich politischer Ursache in Peking.

Das Münchner Ifo-Institut berichtet von zunehmendem Materialmangel in der Industrie. (Archivbild)
Foto: Leonie Asendorpf/dpa

Die deutsche Industrie kämpft mit zunehmendem Materialmangel für ihre Produktion – mit wahrscheinlicher Ursache in Peking. Laut einer aktuellen Unternehmensumfrage des Münchner Ifo-Instituts sind vor allem Branchen betroffen, die auf Halbleiter und andere elektronische Bauteile angewiesen sind. Im Durchschnitt haben 11,2 Prozent der Unternehmen Schwierigkeiten bei der Beschaffung des benötigten Materials, was doppelt so hoch ist wie im Oktober.

Eine mögliche Ursache sind die chinesischen Exportkontrollen für seltene Erden, da diese Metalle für viele Chips benötigt werden. Nach einer separaten Umfrage der Handelskammer der EU in China planen mittlerweile fast 30 Prozent der europäischen Unternehmen vor Ort, neue Lieferanten außerhalb Chinas zu finden.

Autoindustrie am härtesten getroffen

«Die fehlenden Halbleiter verschärfen die bereits schwierige Situation der Industrie», sagte Umfrage-Leiter Klaus Wohlrabe. Besonders stark zu spüren bekommt das die ohnehin leidende Autoindustrie als wichtigster deutscher Industriezweig: Mehr als ein Viertel (27,6 Prozent) der Unternehmen klagt über Materialmangel. Auch die Hersteller elektronischer und optischer Produkte haben demnach vermehrt Schwierigkeiten, der Anteil der Firmen mit Nachschubproblemen stieg hier von 10,4 auf 17,5 Prozent. 

Zusammenhang mit China wahrscheinlich

Das Ifo-Institut hat nicht nach den Gründen gefragt, aber Wohlrabe hält einen politischen Zusammenhang für naheliegend. Die chinesische Regierung hatte im Frühjahr Exportkontrollen für seltene Erden angekündigt. Auch der europäisch-chinesische Streit um den niederländischen Chiphersteller Nexperia und dessen chinesischen Eigentümer hatte Sorgen in der deutschen Industrie ausgelöst. Viele Experten glauben, dass die Pekinger Regierung die Abhängigkeit europäischer und US-amerikanischer Unternehmen von chinesischen Vorprodukten ausnutzt, um politischen Druck auszuüben und die eigene Industrie zu fördern.

Nicht nur direkte Importe aus China betroffen

Laut Wohlrabe haben die Exportkontrollen Auswirkungen über den direkten deutsch-chinesischen Außenhandel hinaus, da sie auch für andere Länder gelten, die chinesische Vorprodukte verwenden. Dies betrifft die deutsche Industrie nicht nur bei Importen aus China.

Die EU-Außenhandelskammer in China hat in einer Umfrage erneut gezeigt, wie stark europäische Unternehmen von China abhängig sind. Über zwei Drittel der befragten Unternehmen gaben an, dass ihre Werke außerhalb der Volksrepublik auf Vorprodukte aus China angewiesen sind.

Die Exportkontrollen Chinas haben die Unsicherheit bei europäischen Unternehmen in der Volksrepublik erhöht, erklärte Kammer-Präsident Jens Eskelund. Die Risiken sind eine beeinträchtigte Produktion oder sogar ein Stillstand. Die EU-Kammer fordert daher einen Mechanismus für generelle Genehmigungen.

Deutsche Industrie im Pekinger Würgegriff

Laut Berechnungen des Berliner Mercator-Instituts für China-Studien importiert die deutsche Industrie 95 Prozent ihrer benötigten seltenen Erden aus China, was weit über dem europäischen Durchschnitt liegt.

Bereits während der Amtszeit von Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde in der deutschen Politik über die Verringerung der Abhängigkeit von der weltgrößten Diktatur diskutiert. Stattdessen ist das Gegenteil eingetreten.

Schrumpfende Ausfuhren, steigende Importe

Germany Trade & Invest (GTAI) – die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Bundes – erwartet in diesem Jahr ein Rekordhandelsdefizit von knapp 88 Milliarden Euro. Denn die deutschen Exporte in die Volksrepublik könnten demnach um 10,6 Prozent sinken, die Einfuhren aus China jedoch um gut 7 Prozent steigen. Aus der einst von vielen deutschen Managern und Politikern gepriesenen «Win-Win-Situation» ist längst ein Win-Lose geworden. China gewinnt, Deutschland verliert. Peking hingegen hat seine einstige technologische Abhängigkeit vom Rest der Welt erfolgreich reduziert.

Chinesischer Druck auf deutsche Industrie wächst weltweit 

Die deutschen Industrie hat bislang hauptsächlich in China globale Marktanteilsverluste zu verzeichnen. Die chinesische Industrie hat in verschiedenen Bereichen enorme Produktionskapazitäten aufgebaut, die den heimischen Markt übersteigen. Deshalb versuchen chinesische Unternehmen, deutsche Firmen weltweit zu verdrängen. Die Staats- und Parteiführung unterstützt sie dabei aktiv. Laut einem im Oktober veröffentlichten Bericht des Mercator-Instituts könnten Exportkontrollen für seltene Erden die Preise steigen lassen, die Industrieplanung stören und ausländischen Wettbewerbern schaden.

dpa