Die Dominanz der Gründerhochburg Berlin bröckelt: Start-ups aus Bayern profitieren von Boombranchen – und ziehen beim Geld von Investoren vorbei. Das verändert die Gründerbranche grundlegend.
München zieht bei Geldern für Start-ups an Berlin vorbei - auch wegen starker Firmen in der Rüstungsbranche (Archivbild).
Foto: Sven Hoppe/dpa
Die Gründermetropole Berlin sieht sich mit harter Konkurrenz konfrontiert: Start-ups aus Bayern ziehen immer mehr Investorengelder an und überholen damit die einst unangefochtene Hauptstadt. Laut einer Studie der Beratungsgesellschaft EY haben bayerische Wachstumsfirmen im ersten Halbjahr knapp 2,1 Milliarden Euro Wagniskapital eingesammelt, was deutlich mehr ist als bei Start-ups aus Berlin (1,5 Milliarden).
Dabei profitierten bayerische Start-ups vom Boom um Rüstung und Künstliche Intelligenz (KI), schreibt EY und spricht von einer «Wachablösung». Demnach floss vom ganzen Wagniskapital für deutsche Start-ups, das im ersten Halbjahr um ein Drittel auf 4,6 Milliarden Euro stieg, knapp jeder zweite Euro nach Bayern.
Während Wachstumsfirmen aus dem Freistaat die Gelder binnen Jahresfrist fast vervierfachen konnten, gab es in Berlin ein Plus von 41 Prozent; in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg waren Rückgänge zu verzeichnen. Wagniskapital, mit dem sich Fonds und Konzerne an Start-ups beteiligen, spielt eine entscheidende Rolle für das Wachstum in der Gründerbranche.
«Gewichte verschieben sich»
Bereits 2024 habe Bayern hauchdünn vor Berlin gelegen, nun werde der Vorsprung deutlich, resümiert EY. «Das Startup-Ökosystem in Deutschland hat sich in den vergangenen zwei Jahren deutlich verändert, die Gewichte verschieben sich», sagt EY-Partner Thomas Prüver.
Auch unter den größten Finanzierungsrunden hat Bayern die Nase vorn mit großen Geldspritzen für die KI-Firma Helsing (600 Millionen Euro) und den Batteriespeicheranbieter Green Flexibility aus Kempten (400 Mio. Euro). Es folgen das Rüstungsunternehmen Quantum Systems und die Finanzplattform Scalable Capital. Unter den Top 5 landet aus Berlin nur die Softwarefirma Amboss, so die Studie, die auf der Datenbank «Crunchbase» und Zahlen von Start-ups und Investoren basiert.
Berlin bleibt mit 132 Finanzierungsrunden deutlich vor Bayern (76) und behält die Führung im Online-Handel. Allerdings konzentrieren sich die Geldgeber derzeit auf Rüstung, KI und Energietechnologien – Bereiche, in denen der Freistaat gut aufgestellt ist.
Zudem profitiere der Start-up-Standort von der Wirtschaftskraft Bayerns, sagt Prüver. «Das hilft vor allem, wenn es darum geht, die eigenen Dienstleistungen, Anwendungen oder Produkte traditionellen Industrien anzubieten, wie beispielsweise dem Automobil- und Maschinenbau oder der Medizintechnik, oder hier Kooperationspartner und Investoren zu finden.»
Mehr Finanzierungsrunden, mehr Mega-Deals
Die Studie zeigt zudem, dass sich die Gründerbranche von ihrer Krise nach dem Ende des Corona-Booms erholt. Mit der Summe von 4,6 Milliarden Euro Wagniskapital bundesweit verbuchten deutsche Start-ups das drittbeste erste Halbjahr seit 2015, so EY. Auch wuchs die Zahl der Finanzierungsrunden und der großen Deals jenseits von 100 Millionen Euro. Die Start-up-Branche habe nach dem Rekordjahr 2021 eine harte Landung erlebt, als Ganzes sei sie «aber offenbar gestärkt aus dieser Phase hervorgegangen».
