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Mit KI gegen Pflegenotstand – Messe zur Pflege der Zukunft

Die Pflegebranche kämpft mit Personalmangel und Geldsorgen. Bei der Leitmesse in Essen zeigen Aussteller, wie Pflege trotzdem in einigen Jahren noch gelingen kann. Viele Ideen sind erstaunlich simpel.

Personalmangel und Geldsorgen in der Pflegebranche stehen auf der Tagesordnung. Bei der Leitmesse wird gezeigt, wie Pflege in der Zukunft gelingen kann. Viele Ideen sind erstaunlich simpel.
Foto: Marijan Murat/dpa

Die bedeutenden Innovationen in der Pflegebranche wirken derzeit fast ein wenig unauffällig. „Roboter sind auf der Altenpflege-Messe, die morgen in Essen beginnt, nur noch vereinzelt zu sehen.“

Die Branche setzt ihre Hoffnungen vielmehr auf kleine, clevere Hilfsmittel: „Apps und Künstliche Intelligenz sollen den Arbeitsalltag für Pflegekräfte attraktiver machen – oder Pflegebedürftigen helfen, mit weniger professioneller Unterstützung zurechtzukommen.“ Rund 500 Aussteller nehmen an der Leitmesse der Branche teil. Die Herausforderung für alle besteht darin, wie immer mehr ältere Menschen trotz des Personalmangels und knapper Kassen eine gute Pflege erhalten können.

«Die Herausforderungen sind gerade so groß wie nie zuvor in der Altenpflegebranche», sagt Steve Schrader, Experte für stationäre Pflege beim Messeveranstalter Vincentz Network. Längst warnten Fachleute davor, dass bald nicht mehr alle Pflegebedürftigen die Hilfe bekommen könnten, die sie brauchen. «Die Versorgungssicherheit ist inzwischen deutschlandweit gefährdet», betont Schrader.

In 25 Jahren fehlen Hunderttausende Pflegekräfte

Wenn Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Messekongress eröffnet, möchte die Branche ihm hauptsächlich die Forderung nach verbesserten finanziellen Rahmenbedingungen für die Pflege mitgeben. Allerdings wird allein mehr Geld nicht ausreichen. Der Mangel an Personal ist vor allem das Problem: Zwischen 280.000 und 690.000 Pflegekräfte werden Deutschland in 25 Jahren fehlen, wie das Statistische Bundesamt im Januar berechnet hat.

Aufsehenerregende Entwicklungen der vergangenen Jahre wie Pflegeroboter werden da kaum helfen können. «Die ganz großen Versprechungen, die es beim Thema Robotik in der Pflege gab, haben sich bislang nicht erfüllt», sagt Schrader. Dafür rücken einfachere Lösungen in den Fokus: Bei der Sonderschau Aveneo, bei der es im Rahmen der Messe um innovative Ideen geht, zeigen viele Aussteller in diesem Jahr kleine Tools, die auf dem Handy oder dem Bildschirm für spürbare Entlastung in der Branche sorgen sollen.

Künstliche Intelligenz bringt menschliche Bedürfnisse zusammen

„Es geht darum, Dienstpläne zu erstellen, die alle Wünsche der Pflegekräfte und Pflegebedürftigen berücksichtigen“, erklärt Carolin Pauly, Geschäftsführerin des Instituts für Universal Design, das für die Sonderschau verantwortlich ist. Wenn ein menschlicher Planer an seine Grenzen stößt, soll Künstliche Intelligenz für mehr Zufriedenheit bei allen Beteiligten sorgen.

Eine weitere Firma bietet ein Gerät an, das Pflegekräften bei der Dokumentation von Wunden hilft. Die Gesundheit der Fachkräfte ist ebenfalls von großer Bedeutung, da viele aufgrund von Rückenerkrankungen den Beruf aufgeben. Ein Exoskelett soll ihnen bei körperlich anspruchsvollen Tätigkeiten mit Pflegebedürftigen unterstützen.

Hilfsmittel für ein langes eigenständiges Leben

Die Pflegebranche könnte entlastet werden, indem Menschen im Alter weniger Hilfe benötigen und länger in ihren eigenen vier Wänden bleiben können. Ein Unternehmen präsentiert beispielsweise einen Bilderrahmen, der mithilfe einer Kamera den Pflegebedürftigen überwacht und bei ungewöhnlichem Verhalten oder Anzeichen von schlechter Laune KI-gestützt Alarm auslöst. Ein anderes Unternehmen präsentiert eine Weste mit integriertem Airbag – im Falle eines Sturzes bei älteren Menschen bläst sie sich auf und schützt Kopf und Oberkörper.

Schrader betont, dass mehr Geld, bessere Arbeitsbedingungen und eine flexible Einbindung von Angehörigen und Ehrenamtlichen in die Pflege Erfolg versprechende Ansätze für die Zukunft seien. Es gehe darum, welche Pflege die heute 50- und 60-Jährigen im Alter noch erhalten können.

«Die Gefahr besteht durchaus, dass es zu einer Zwei-Klassen-Pflege kommt», warnt Schrader. «Dann könnten sich gute Pflege in einer wohnlichen Atmosphäre nur noch Menschen leisten, die über das nötige Geld verfügen – und der Sozialhilfeempfänger oder der Normalverdiener bekäme nur noch eine Standardpflege.» Um das zu verhindern, müssten die Weichen in Politik und in der Branche jetzt gestellt werden.

dpa