Verhandlungen mit Washington könnten zu neuen Zöllen auf Autos, Süßkartoffeln und Whiskey führen. Die EU will mit den USA gute Vereinbarungen erzielen und droht mit Gegenmaßnahmen.
EU plant weitere Sonderzölle auf US-Exporte im Wert von 95 Milliarden Euro
Im Zuge des Handelskonflikts mit den USA plant die Europäische Kommission, zusätzliche Sonderzölle in Höhe von bis zu 95 Milliarden Euro auf US-Exporte zu erheben. Sollten die Verhandlungen mit Washington zu keiner Lösung führen, könnten diese zusätzlichen Abgaben auf Industrie- und Agrarprodukte wie Autos, Süßkartoffeln und Whiskey erhoben werden, wie aus einer Mitteilung der Brüsseler Behörde hervorgeht.
Der Monat Juli ist derzeit die Frist dafür. In diesem Monat endet die 90-Tage-Frist, die US-Präsident Donald Trump für Angebote der EU gesetzt hat. Wenn diese nicht ausreichen, plant er zusätzliche Sonderzölle auf Einfuhren aus der EU zu erheben. Diese kämen zu den bereits bestehenden Sonderzöllen hinzu.
EU sieht US-Zölle als nicht gerechtfertigt
Der US-Präsident plant, durch die Zölle vermeintliche Handelsungleichgewichte auszugleichen und die Produktion in die USA zu verlagern. Gleichzeitig sollen die Zolleinnahmen dazu dienen, zumindest teilweise sein teures Wahlversprechen großer Steuersenkungen zu finanzieren.
Die EU betrachtet die Zölle jedoch als ungerechtfertigt und im Widerspruch zu den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). Sie plant daher, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, falls keine Einigung erzielt wird.
«Die EU ist nach wie vor fest entschlossen, mit den USA zu Verhandlungsergebnissen zu kommen. Wir sind davon überzeugt, dass es gute Vereinbarungen zum Nutzen der Verbraucher und Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks geben kann», erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu den Planungen für Gegenmaßnahmen. Gleichzeitige bereite man sich weiter auf alle Möglichkeiten vor.
Liste soll noch diskutiert werden
Möglicherweise betroffen von zusätzlichen Zöllen sind auch Maschinen, Auto- und Flugzeugteile, Chemikalien sowie neben Whiskey auch Rum und Wein aus den USA. Die Liste mit über 200 Seiten Produkten, die möglicherweise mit Zöllen belegt werden könnten, soll nun öffentlich gemacht und von der Wirtschaft diskutiert werden.
Die Hoffnung besteht darin, dass auch in den USA die Liste analysiert wird und exportorientierte Unternehmen die Regierung in Washington dazu drängen, eine Einigung mit der EU zu erzielen.
Die EU-Kommission plant, die USA wegen der Zölle bei der WTO zu verklagen, während sie gleichzeitig neue mögliche Gegenzölle vorbereitet, wie die Behörde mitteilte. Der Streitschlichtungsausschuss der WTO wird ein Expertengremium einsetzen, um zu prüfen, ob die Zölle gegen die WTO-Regeln verstoßen.
Die Kommission erwägt neben den Zusatzabgaben auch EU-Ausfuhrbeschränkungen für bestimmte Produkte im Wert von 4,4 Milliarden Euro. Dazu zählen Stahlschrott und chemische Erzeugnisse, die bisher gerne von US-Unternehmen importiert wurden.
Geplant und unstrittig ist die Wiedereinführung von EU-Sonderzöllen auf US-Produkte wie Jeans, Bourbon-Whiskey, Motorräder und Erdnussbutter im Falle des Scheiterns von Verhandlungen, wie schon zuvor vereinbart.
EU-Handelskommissar warnt vor möglichen weiteren US-Zöllen
EU-Handelskommissar Maros Sefcovic warnte kürzlich vor möglichen weiteren US-Zöllen auf europäische Waren. Er erklärte, dass Washington derzeit mehrere Untersuchungen durchführt und diese mit der nationalen Sicherheit begründet. Diese Aussagen tätigte der Spitzenpolitiker am Dienstag während einer Rede im Europaparlament in Straßburg. Wenn all diese Untersuchungen zu Zöllen führen würden, wären Exporte im Wert von 170 Milliarden Euro zusätzlich betroffen.
Dies bedeute, dass insgesamt rund 549 Milliarden Euro an EU-Ausfuhren in die USA mit Zöllen belegt würden und damit 97 Prozent der Exporte, sagte Sefcovic. Das wäre «ein gewaltiges Ausmaß». Konkret geht es bei den US-Untersuchungen laut EU-Kommission etwa um Halbleiter, Arzneimittel und Rohstoffe.
Die EU hat den USA bereits eine Vereinbarung zur gegenseitigen Aufhebung aller Zölle auf Industriegüter angeboten, um den Handelsstreit zu entschärfen. Bisher hat die Trump-Regierung jedoch nicht darauf reagiert.
Neben Zolldeals sind neue Abkommen eine Möglichkeit. Die EU-Kommission schätzt, dass die EU und Trump beispielsweise einen neuen Deal zum Ausbau amerikanischer Exporte von Flüssiggas (LNG) abschließen könnten. Es besteht auch die Möglichkeit, mehr Militärtechnik und Agrargüter zu importieren, um das US-Handelsdefizit mit der EU zu verringern.