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Neuer Dieselprozess: Verfahren gegen die zweite VW-Riege?

Während sich die VW-Konzernzentrale in Wolfsburg seit Jahren anderen Dingen widmet, wird nebenan in Braunschweig die VW-Dieselaffäre weiter aufgearbeitet. Was kann das neue große Verfahren bringen?

Am Landgericht Braunschweig beginnt ein zweiter Betrugsprozess zur Aufklärung des Dieselskandals bei VW. (Archivbild)
Foto: Julian Stratenschulte/dpa Pool/dpa

Wird der VW-Dieselskandal zu den Akten gelegt? – Ganz im Gegenteil: Am Landgericht Braunschweig beginnt zum zweiten Mal ein großes Verfahren zur weiteren Untersuchung der Abgasmanipulationen bei Europas größtem Autobauer. Das Verfahren gegen fünf Angeklagte könnte sich bis Ende 2026 hinziehen – droht ihnen dann immer noch Haft?

Worum geht es in dem Prozess? 

Es handelt sich weiterhin um die rechtliche Untersuchung eines der größten deutschen Wirtschaftsskandale. Über zehn Jahre nach dem Bekanntwerden der VW-Dieselaffäre werden fünf Angeklagte vor Gericht gestellt, um ihre potenzielle strafrechtliche Verantwortung zu prüfen. Juristisch ausgedrückt, soll das Verfahren die vermutliche Tatbeteiligung der fünf Angeklagten am Dieselskandal klären.

Im September 2015 wurde bekannt, dass VW anstelle teurerer Abgastechnik die Messwerte durch versteckte Software-Codes manipulierte. Dadurch wurde bei Tests eine vollständige Reinigung erreicht, während im Straßenbetrieb jedoch ein Vielfaches der Emissionen auftrat.

Unmittelbar vor der Bekanntgabe der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA über Manipulationen bei Dieselfahrzeugen gab VW zu, falsche Prüfergebnisse vorgelegt zu haben. Kurz darauf trat der Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn zurück und das Unternehmen geriet in eine der schwersten Krisen seiner Geschichte.

Wer sitzt jetzt auf der Anklagebank? 

Die Ankläger bezeichnen die vier Männer und eine Frau als zum Teil ehemalige Führungskräfte des Autobauers. Durch ihre «leitenden Stellungen» in für die illegale Abschalteinrichtung «relevanten Abteilungen» sollen sie von den Täuschungen von Kunden und Behörden in Europa und den USA gewusst haben. 

Die Angeklagten werden beschuldigt, die Vorgehensweise absichtlich gewollt zu haben. Es wird ihnen nicht nur vorgeworfen, Kenntnis davon gehabt zu haben, sondern auch die Software mitentwickelt zu haben oder nicht gegen die Weiterentwicklung eingeschritten zu sein.

Die Vorwürfe, die für das neue Verfahren relevant sind, stammen aus dem Jahr 2006. Es wird den Angeklagten vorgeworfen, die Tat zwischen November 2006 und September 2015 begangen zu haben. Man wirft ihnen vor, dass sie das Unternehmen dazu bringen wollten, hohe Gewinne zu erzielen, da ihre Bonuszahlungen davon abhängig waren.

Droht Gefängnis? 

In der Verhandlung der 11. großen Strafkammer wird gewerbsmäßiger Betrug in Verbindung mit Steuerhinterziehung und strafbarer Werbung verhandelt; auch Beihilfe zu diesen Straftaten ist denkbar. Das Strafgesetzbuch sieht allein für Betrug eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor, in besonders schweren Fällen sind bis zu zehn Jahre Haft möglich.

Laut Gericht betrifft die Betrugsvorwurf insgesamt etwa neun Millionen Fahrzeuge. Der Verkauf in Europa und den USA hat zu einem Vermögensschaden von mehreren Milliarden Euro geführt.

Die möglichen Strafen bei Steuerhinterziehung bewegen sich im selben Rahmen wie für Betrug. Das Gesetz sieht bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe für strafbare Werbung vor. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.

Welche Urteile gab es bisher? 

In den Vereinigten Staaten wurden Haftbefehle und Gefängnisstrafen relativ zügig verhängt. Frühere VW-Manager haben bereits langjährige Haftstrafen verbüßt.

In Deutschland wurde der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler in München im ersten strafrechtlichen Urteil wegen Betrugs zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe von 1,1 Millionen Euro verurteilt. Trotz einer Verständigung legten die Verteidiger Revision ein.

Im Mai 2025 endete das erste große Betrugsverfahren in Braunschweig mit der Verurteilung von vier ehemaligen VW-Führungskräften. Zwei wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, während zwei Bewährungsstrafen erhielten. Der frühere Leiter der Dieselmotoren-Entwicklung muss beispielsweise für viereinhalb Jahre ins Gefängnis.

Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts in Niedersachsen betrachtete das Verhalten als einen besonders schweren Fall von Betrug und schätzte den Schaden auf etwa 2,1 Milliarden Euro. Die Verurteilten betrachten sich als Bauernopfer und haben ebenfalls Berufung eingelegt. Keines der deutschen Urteile ist damit rechtskräftig.

Verfahren gegen die zweite Riege? 

Schon beim ersten Betrugsprozess in Braunschweig war eine zentrale Kritik, dass der frühere Vorstandschef Martin Winterkorn nicht auf der Anklagebank saß. «Die Botschaft, hier zu sitzen ohne Herrn Winterkorn, ist eine Katastrophe», sagte damals ein Verteidiger. «Sich der Verantwortung für das eigene Handeln zu stellen, sieht anders aus», kritisierte ein anderer Anwalt. Auch die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde ein. 

Der Prozess gegen Winterkorn wurde kurz vor Beginn im September 2021 aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt. Das separate Verfahren gegen ihn wurde 2024 nach nur wenigen Verhandlungstagen aufgrund gesundheitlicher Probleme unterbrochen und später vorläufig wegen Verhandlungsunfähigkeit eingestellt.

In den wenigen Verhandlungstagen wies der von Operationen sichtbar gezeichnete Winterkorn jegliche strafrechtliche Verantwortung zurück. Der einstige «Mr. Volkswagen» widersprach den Vorwürfen gegen sich und sah seine erfolgreiche Karriere durch die Dieselaffäre beschädigt. Auch in seinem Fall gilt die Unschuldsvermutung.

dpa