Auf der Fahrradmesse Eurobike dreht sich fast alles um hochpreisige E-Bikes. Sie sollen die Branche aus dem Tal ziehen, in dem sie nach dem Corona-Boom steckt – und mit neuen Features Kunden locken.
Ohne Motor geht nichts: E-Bikes sollen Fahrradbranche retten

Zum Start der Eurobike-Fahrradmesse will Burkhard Stork nicht zu laut jubeln. Der Geschäftsführer des Zweiradindustrieverbands ZIV ist mit überraschend guten Zahlen nach Frankfurt gekommen, nachdem es in den letzten zwei Jahren schwach lief: Im ersten Quartal wurden in Deutschland mit 885.000 Einheiten 11 Prozent mehr Fahrräder verkauft als im Vorjahr. Auch Produktion, Import und Export sind im ersten Quartal zweistellig gewachsen.
Rabattschlachten laufen immer noch
Da das Geschäft bereits im April und Mai wieder schwächelte, versuchen Stork und andere Branchenvertreter abzuwiegeln. Die hohen Lagerbestände aus den Vorjahren konnten nicht wie erhofft abgebaut werden, so der Handelsverband Zweirad. Früh im Jahr konnten Kunden von hohen Preisnachlässen profitieren. Die Rabattschlachten führen zu sinkenden Umsätzen und Margen für die Händler.
Stork kommt dennoch zu dem Schluss: «Das Licht am Ende des Tunnels ist deutlicher zu sehen. Es wird heller.» Der Verband geht aktuell von einer Absatzsteigerung um 5 Prozent im gesamten Frühjahr aus. Erneut wurden in Deutschland mehr E-Bikes verkauft als Räder mit herkömmlichem Antrieb.
Nach dem Aufschwung in der Zeit der Corona-Pandemie verzeichnete die Branche spürbare Umsatzeinbußen. Die Anzahl der verkauften Fahrräder sank von etwa 5 Millionen im Jahr 2022 auf 3,85 Millionen im vergangenen Jahr. Dies führte zu hohen Lagerbeständen, teilweise Dumpingpreisen und einer zeitweisen Reduzierung der Produktion.
Erstmals Direktverkauf an Endkunden
Auch die Messe selbst ist von der schwachen Bike-Konjunktur betroffen. Auf der diesjährigen Ausstellung gibt es mit 1.800 Ausstellern rund 300 weniger als im Vorjahr. Außerdem ist es erstmals den Unternehmen erlaubt, ihre Waren an den Publikumstagen direkt an die Besucher zu verkaufen.
Deutschland Hochburg für E-Bikes
Im Verkauf sind motorisierte Fahrräder längst führend: Deutschland ist die E-Bike-Hochburg in Europa. Laut der Beratungsgesellschaft EY entsprachen die 5,4 Milliarden Euro Umsatz im letzten Jahr fast der Hälfte des Gesamtwerts für die gesamte Europäische Union (12 Mrd. Euro).
Das Geschäft wird durch steuerbegünstigte Leasing-Modelle über den Arbeitgeber vorangetrieben, die viele Menschen nutzen, um teure Fahrräder zu erwerben. Im Jahr 2024 sind die Zahlen jedoch auch hier leicht gesunken, von 790.000 auf 750.000 Neuverträge.
Motoren für alle Fahrradtypen
Mehr als jedes zweite hierzulande neu verkaufte Fahrrad (54 Prozent) hatte 2024 einen Motor. Wegen der höheren Durchschnittspreise sorgten die E-Bikes damit für 86 Prozent des Branchenumsatzes. «Das E-Bike ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Inzwischen wird jeder Fahrradtyp auch mit elektrischem Antrieb angeboten und gekauft», sagt Claus Fleischer, Chef des Komponentenriesen Bosch eBike Systems.
Im Bestand von 88,7 Millionen Fahrrädern finden sich inzwischen schon 15,7 Millionen E-Bikes, was einen Anteil von knapp 18 Prozent bedeutet. Letzte Bastion der «Bio-Bikes» sind hochwertige Rennräder, die zumeist noch ohne elektrische Unterstützung gefahren werden. Anders sieht es schon bei den trendigen «Gravel-Bikes» aus – etwas gröber bereifte Rennräder, die auch im leichten Gelände oder auf Schotterpisten (Gravel) zurechtkommen. Sie werden zunehmend mit Motor geordert und können leicht an die 5.000 Euro kosten.
Dienstleasing stützt Radmarkt
Einer der wenigen Lichtblicke im schrumpfenden Fahrradmarkt ist das Dienstradleasing, das immer mehr Arbeitgeber ihren Beschäftigten anbieten. Bereits 269.000 Arbeitgeber boten Dienstradleasing an – rund ein Drittel mehr als im Vorjahr, aber immer noch weniger als die Hälfte sämtlicher Betriebe.
Für den Handel liegen die Vorteile des Leasings auf der Hand: Hier leisten sich viele Leute teure Räder, zu denen sie sonst nicht greifen würden, um sich eine hohe Ersparnis zu sichern. Ein geleastes E-Bike etwa kostete laut der Beratungsgesellschaft Deloitte 2024 im Schnitt 3.720 Euro, 40 Prozent mehr als für ein vergleichbares Modell am Markt (2.650 Euro). Deloitte-Experte Stefan Ludwig rechnet künftig wieder mit Wachstum beim Dienstradleasing, wenngleich mit gedämpften Raten. «Vor allem bei kleineren und mittelständischen Unternehmen besteht für Dienstradleasing-Anbieter noch Potenzial.»
Elektronik und digitale Dienste immer wichtiger
Anti-Blockier-Systeme, automatische Schaltungen und immer stärkere Motoren: Die E-Bikes werden mit immer mehr Technologie hochgerüstet, die man sonst eher von Autos oder Motorrädern kennt. Große Komponentenhersteller wie Bosch verbessern ihr Angebot von Jahr zu Jahr und nutzen dabei ihr Know-how aus anderen Fahrzeugsegmenten.
Neben dieser «normalen» Entwicklungsarbeit an der Hardware setzt der E-Bike-Chef von Bosch, Claus Fleischer, auf digitale Dienste. «Da wird in den kommenden Jahren sehr viel passieren.» Bereits üblich sind individuelle Einstellungsmöglichkeiten der Antriebe über begleitende Apps, digitaler Diebstahlschutz, Streckenvorausberechnungen und Software-Updates «over the air» – also drahtlos. Geplant sind zudem digitale Zustandsberichte insbesondere zu Batterie und Motor, die ebenfalls drahtlos übermittelt werden könnten – wichtig beim Handel mit gebrauchten E-Bikes.