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Poker um Lagardes Nachfolge: Geht EZB-Spitze an Deutschland?

Bei den Leitzinsen gibt es wenig Bewegung – daran dürfte auch der heutige EZB-Zinsentscheid nichts ändern. Langeweile kommt trotzdem nicht auf: Denn das Rennen um Lagardes Nachfolge hat begonnen.

Die EZB hat die Leitzinsen im Euroraum deutlich gesenkt. (Archivbild)
Foto: Boris Roessler/dpa

Die Europäische Zentralbank hat zuletzt die Leitzinsen stabil gehalten, aber ein anderes Thema wird immer wichtiger: die Nachfolge von EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Obwohl die Amtszeit der Französin erst im Oktober 2027 endet, hat der Kampf um die Spitzenposition in Frankfurt bereits begonnen. Kann Deutschland zum ersten Mal die Führung der EZB übernehmen?

Welche Optionen gibt es für die EZB-Spitze?

Lagarde übernahm am 1. November 2019 das Amt als Nachfolgerin von Mario Draghi aus Italien. Der Präsident oder die Präsidentin der EZB wird für acht Jahre ernannt. Lagarde wird also bis Ende Oktober 2027 im Amt sein. Es wird jedoch bereits über ihre Nachfolge spekuliert.

Gleich zwei deutsche Notenbanker haben Interesse bekundet. «Grundsätzlich dürfte jeder Notenbanker im EZB-Rat die Kompetenz zur Nachfolge für das Spitzenamt im Eurosystem haben», sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel dem «Spiegel». Deutlicher wurde EZB-Direktorin Schnabel im Gespräch mit dem Finanzdienst Bloomberg: «Wenn ich gefragt würde, stünde ich bereit.»

Kann sich Deutschland Hoffnung machen?

Mit Lagarde und ihrem Vorgänger Jean-Claude Trichet hat Frankreich bereits zweimal die Spitze der EZB besetzt, während Deutschland dies noch nie getan hat. Daher könnte ein deutscher Kandidat Chancen haben.

SPD-Mitglied Nagel kann auf die Unterstützung der Bundesregierung zählen. Schnabel wird als hervorragende Ökonomin angesehen, aber es gibt eine rechtliche Hürde: Ihr Mandat, das 2027 endet, darf formell nicht verlängert werden. Ein weiteres Argument gegen eine deutsche Besetzung des EZB-Präsidentenamtes ist, dass bereits die deutsche Ökonomin Claudia Buch den Chefposten der EZB-Bankenaufsicht innehat.

In den Medienberichten wurden zuletzt auch der ehemalige niederländische Notenbankchef Klaas Knot sowie der Spanier Pablo Hernández de Cos als mögliche Nachfolger von Lagarde genannt, der derzeit Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) ist.

Wer entscheidet über die Nachfolge von Lagarde?

Die Besetzung der Führungspositionen in der EZB ist Teil eines Personalpokers in Brüssel. Die Entscheidung liegt bei den Eurostaaten. Vor Lagarde wird EZB-Vize Luis de Guindos die Zentralbank verlassen: Sein Mandat endet Ende Mai 2026. EZB-Chefvolkswirt Philip R. Lane geht ein Jahr später.

Die Lagarde-Nachfolge dürfte daher Teil eines größeren Personalpaketes werden. Üblicherweise achten die Verhandler darauf, dass es ein Gleichgewicht von kleinen und großen, südlichen und nördlichen Euroländern gibt. Das gilt auch für das Verhältnis von Befürwortern einer harten Geldpolitik («Falken») und den Verfechtern eines eher lockeren Kurses («Tauben»). Mitte 2029 endet zudem die Amtszeit von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Auch das dürfte im Ringen um die Spitzenposten eine Rolle spielen.

Wie geht es mit den Zinsen im Euroraum weiter?

Hier ist wenig Bewegung zu erwarten. «Die Zinssenkungen der EZB sind abgeschlossen und die Geldpolitik wird keine zusätzlichen expansiven Impulse mehr setzen», prognostiziert Robin Winkler, Chefvolkswirt Deutschland bei der Deutschen Bank. In der Tat scheint die Neigung, die Leitzinsen weiter zu senken, gering. Immer wieder betont EZB-Präsidentin Lagarde, die Geldpolitik sei derzeit «gut aufgestellt».

EZB-Direktorin Schnabel sprach sich in einem Interview für wieder steigende Leitzinsen aus. Sie sei «durchaus einverstanden» mit der Erwartung der Märkte, «dass der nächste Zinsschritt eine Anhebung sein wird, wenn auch nicht in naher Zukunft.»

Wie steht es um die Wirtschaft im Euroraum?

Trotz düsterer Prognosen bleibt die Wirtschaft im Euroraum trotz des Zollstreits mit den USA robust. Im dritten Quartal stieg das Bruttoinlandsprodukt um 0,2 Prozent, angetrieben von ehemaligen Krisenländern wie Spanien und Portugal sowie Frankreich, während Deutschland schwächelt. Die EZB hat ihre Prognose für das Wachstum im Euroraum bereits leicht auf über ein Prozent angehoben.

Hat die EZB die Inflation im Griff?

Die Inflation, die nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine ausgebrochen ist, wurde eingedämmt. Im November dieses Jahres betrug die Teuerungsrate im Euroraum laut den neuesten Angaben von Eurostat 2,1 Prozent. Die wichtigste Aufgabe der EZB ist es, einen stabilen Euro zu gewährleisten und somit die Kaufkraft der Menschen zu erhalten. Das Ziel der EZB ist es, eine mittelfristige Inflationsrate von 2,0 Prozent zu erreichen.

Was heißt das alles für Sparer?

Die „Tages- und Festgeldzinsen“ sind relativ gering. Normalerweise können Anleger nicht die Inflation ausgleichen, die im November in Deutschland bei 2,3 Prozent lag. Daher verlieren Ersparnisse an Wert.

Was sind die Folgen für Hausbauer und Immobilienkäufer?

Die Kreditzinsen werden nicht unmittelbar von den EZB-Leitzinsen beeinflusst, sondern richten sich nach der Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen. Aufgrund der Erwartung der Investoren angesichts der Milliardeninvestitionen in Infrastruktur und Verteidigung, dass die Staatsverschuldung in Deutschland steigen wird, sind die Renditen dieser Papiere gestiegen. Dies führt zu einem Aufwärtsdruck bei den Bauzinsen.

dpa