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Post: Beschäftigte stimmen für unbefristeten Streik

Acht Jahre ist der letzte große Arbeitskampf bei der Deutschen Post her. Nun sprechen sich große Teile der Briefträger und Paketboten in einer Urabstimmung für einen unbefristeten Streik aus.

In einer Urabstimmung votierten die meisten Befragten für einen unbefristeten Streik.
Foto: Monika Skolimowska/Deutsche Presse-Agentur GmbH/dpa

Ein unbefristeter Streik bei der Deutschen Post mit erheblichen Verspätungen von Millionen Briefen und Paketen ist vorerst abgewendet. Zwar sprachen sich in einer Urabstimmung bei dem Bonner Logistikkonzern 85,9 Prozent der Befragten gegen das Tarifangebot der Post und für einen längeren Streik aus.

Zugleich beschloss die Gewerkschaft Verdi aber, der Forderung des Unternehmens nachzukommen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren, wie sie am Donnerstag weiter mitteilte. Daher wird es zunächst keinen Arbeitskampf geben. Verdi fordert 15 Prozent höhere Entgelte, was die Post als wirtschaftlich nicht tragfähig ablehnt.

Schon an diesem Freitag sollen die Tarifgespräche, die Verdi im Februar für gescheitert erklärt hatte, weitergehen. Das Ergebnis der Urabstimmung versteht Verdi-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis als Stärkung ihrer Position.

«Die Arbeitgeber sind gut beraten, dieses Votum sehr ernst zu nehmen», sagte sie. «Die Deutsche Post AG steht jetzt in der Verantwortung, durch eine deutliche materielle Verbesserung des abgelehnten Angebots einen unbefristeten Streik abzuwenden.» Das Ergebnis der Befragung zeige «die Entschlossenheit unserer Mitglieder, für ein gutes Tarifergebnis zu kämpfen».

Post will zu einem tragfähigen Ergebnis kommen

Post-Personalvorstand Thomas Ogilvie sagte als Reaktion auf die Verdi-Entscheidung, man wolle «kurzfristig doch noch zu einem zustimmungsfähigen und wirtschaftlich tragfähigen Ergebnis kommen». Laut Finanzvorständin Melanie Kreis ist bei den Tarifverhandlungen aber nicht mehr viel Spielraum. «Dass da nicht mehr viel geht, ist […] offensichtlich», sagte sie der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX. «Wir können nichts machen, wo man uns dann zurecht in drei Jahren vorwirft, «mein Gott, wie konntet ihr nur?!»»

Die Post bietet eine Tariferhöhung in zwei Stufen ab 2024 an, die Firmenangaben zufolge die Bezahlung um durchschnittlich 11,5 Prozent verbessern würde. Separat hierzu sollen die Beschäftigten schon ab diesem Jahr schrittweise 3000 Euro netto bekommen, die als Inflationsausgleichsprämie fließen.

Verdi ist der Auffassung, dass die Gewerkschaftsforderung nach einem Entgeltplus von 15 Prozent erfüllbar wäre und dass die Beschäftigten angesichts der hohen Arbeitsbelastung und wegen der Inflation deutlich besser bezahlt werden müssten als bisher.

Am Morgen noch Freude

Wenige Stunden vor Bekanntgabe des Urabstimmungsergebnisses hatte der Post-Vorstand am Morgen in seiner Jahrespressekonferenz Zahlen für 2022 vorgelegt, die insgesamt positiv ausfielen. Der operative Gewinn (Ebit) kletterte um 5,7 Prozent auf 8,4 Milliarden Euro – es war der vierte Jahreshöchstwert in Folge. Der Konzernumsatz legte um 15,5 Prozent auf 94,4 Milliarden Euro zu. Der Blick nach vorn ist allerdings etwas eingetrübt. Wegen der allgemeinen Konjunkturlage rechnet die Post mit sinkenden Gewinnen.

Die profitablen Geschäfte machte die Post 2022 vor allem im Ausland, die Fracht- und Lieferkettensparten zogen kräftig an. Im heimischen Stammgeschäft hingegen, auf das sich der Tarifkonflikt bezieht und bei dem Geld mit dem Brief- und Paketversand verdient wird, musste die Post einen Dämpfer hinnehmen: Das Betriebsergebnis brach um mehr als ein Viertel ein auf 1,27 Milliarden Euro. Damit sank der Wert auf ein noch niedrigeres Niveau als die Post im Oktober prognostiziert hatte. Sie begründete die Entwicklung mit höheren Kosten für Energie, Transport und für Saisonkräfte.

Vorstandschef Frank Appel betonte das positive Gesamtentwicklung des Konzerns, den er seit 15 Jahren führt: «Es war ein sehr erfolgreiches Jahr, aus dem wir als Konzern in bester Verfassung herausgehen.» Zum schwächelnden Stammgeschäft sagte er, für langfristigen Erfolg brauche man eine «Balance zwischen spürbarer Lohnerhöhung und wirtschaftlicher Tragfähigkeit». «Nur gemeinsam können wir die Weichen für eine erfolgreiche Transformation des Post- und Paketgeschäfts in Deutschland stellen, ohne langfristig Arbeitsplätze zu gefährden.»

Post im Wandel der Zeit

Für den 61-Jährigen war es das letzte Mal, dass er die Post-Jahreszahlen als Vorstandschef präsentieren konnte. Im Oktober scheidet er aus der Chefetage aus und kann sich dann auf seine Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Telekom konzentrieren, eines anderen Teils der früheren Bundespost. Unter Appels Führung hat sich der Konzern radikal verändert: Bei seinem Dienstantritt lag der Anteil des deutschen Brief- und Paketgeschäfts noch bei 85 Prozent, die anderen Bereiche waren gewissermaßen nur Beiwerk.

Inzwischen hat sich das Verhältnis umgekehrt: Post & Paket Deutschland kommt nur noch auf 15 Prozent des operativen Ergebnisses. Das verdeutlicht die schwindende Bedeutung des Inlandsgeschäfts eines Unternehmens, das nur noch dem Namen nach sehr deutsch ist. Von den 600.000 Beschäftigten, die weltweit für die Deutsche Post DHL arbeiten, ist nicht mal jeder Dritte für Post & Paket Deutschland tätig – Ende 2022 waren das 192.000.

Mit Spannung werden die kurzfristig einberaumten Tarifgespräche an diesem Freitag erwartet. Das Schreckgespenst des Streiks hat sich vorerst zwar etwas verflüchtigt im Bonner Post-Tower. Sollten die Verhandlungen erneut fehlschlagen, könnte es doch noch zu dauerhaften Arbeitsniederlegungen kommen.

Das würde den Konzern viel Geld kosten und bei Verbrauchern zu langen Wartezeiten auf Briefe und Pakete führen. Schon im Januar und Februar hatte es zeitlich befristete Warnstreiks gegeben, bei denen Millionen Sendungen zwischenzeitlich liegengeblieben sind. Folgen eines Streiks dürften gravierender sein.

dpa