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Deutschland braucht 320.000 neue Wohnungen jährlich bis 2030

Experten stellen geringeren Bedarf fest, Bundesregierung verfehlt Ziel von 400.000 Neubauten pro Jahr.

Besonders in den Großstädten ist Wohnraum knapp und die Mieten steigen unentwegt.
Foto: Sina Schuldt/dpa

Es besteht ein hoher Bedarf an Wohnungen in Deutschland, jedoch gibt es zu wenig Angebot. Laut einer Prognose werden bis 2030 jährlich etwa 320.000 neue Wohnungen benötigt. Die regionale Verteilung des Bedarfs variiert jedoch stark, wie eine Analyse des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Auftrag des Bundesbauministeriums zeigt. Die Experten kommen zu dem Schluss, dass der Bedarf geringer ist als von vielen Verbänden und Instituten angenommen.

Ampel-Regierung verfehlte eigenes Bauziel

Die Ampel-Regierung hatte geplant, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen, aber dieses Ziel nicht erreicht. Laut BBSR wurden im Jahr 2023 etwa 294.400 Wohnungen fertiggestellt, davon knapp 90 Prozent in neu errichteten Gebäuden.

Das Bundesbauministerium verfügte nach eigenen Angaben lange Zeit über keine eigene Bedarfsanalyse und gab die BBSR-Prognose auch angesichts stark variierender Analysen am Markt in Auftrag. «Mit Hilfe der unabhängigen Prognose der Wohnungsneubaubedarfe hat die Bundesregierung nun endlich die Möglichkeit, die Zielgenauigkeit ihrer Wohnungsbaupolitik weiter zu erhöhen», sagte ein Sprecher von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). 

Die Vorhersage des BBSR bezieht sich auf den Zeitraum 2023 bis 2030. Berücksichtigt wurden unter anderem die Bevölkerungsentwicklung und die Bautätigkeit.

Wohnraummangel in den Metropolen, Leerstand auf dem Land

Laut der neuen Analyse variiert der Bedarf an Wohnraum regional stark. Insbesondere in Ballungsgebieten bleibt die Nachfrage hoch – und wo es Engpässe gibt, steigen in der Regel die Kaufpreise und Mieten. Allein in den sieben größten deutschen Städten Berlin, München, Hamburg, Frankfurt, Stuttgart, Köln und Düsseldorf wird laut Prognose jährlich ein Bedarf von 60.000 neuen Wohnungen festgestellt. Gleichzeitig nimmt in peripheren und schrumpfenden Regionen die Nachfrage nach Wohnungen ab und Leerstände nehmen zu.

Der Süden wächst, der Osten schrumpft

Laut den Angaben gibt es den höchsten Bedarf je Einwohner im Süden: An erster Stelle liegt die Stadt Landshut (pro Jahr rechnerisch 87 Wohnungen je 10.000 Einwohner), gefolgt von den Kreisen Regensburg (83), Kempten im Allgäu (77) und Memmingen (75). Der bundesweite Bedarfsdurchschnitt beträgt 38 Wohnungen je 10.000 Einwohner pro Jahr.

Die Anzahl der Haushalte im Osten Deutschlands stagniert oder sinkt, mit Ausnahme von Berlin und dem Berliner Umland, ähnlich wie die Bevölkerungsentwicklung. Den geringsten Bedarf gibt es im Landkreis Weimarer Land mit fünf Wohnungen pro 10.000 Einwohner sowie in den Landkreisen Altmarkkreis Salzwedel, Börde, Saale-Holzlandkreis und Saalekreis (jeweils 6).

Warum der Wohnungsbau stockt

Der Wohnungsbau in Deutschland steckt unter anderem angesichts hoher Baukosten und gestiegener Zinsen in der Krise. Zugleich fehlen Fachkräfte im Baugewerbe. «Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der Zinswende gehen die Baugenehmigungen deutlich zurück», sagte Matthias Waltersbacher vom BBSR. Das habe sich in den Zahlen gezeigt.

Andere Einrichtungen sehen den Wohnraumbedarf höher. So berechnete etwa das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) einen jährlichen Neubaubedarf von 373.000 Wohnungen. Laut Ralph Henger, Ökonom für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik am IW, habe sich die Wohnungspolitik unter der Leitung von Bauministerin Geywitz zu Recht auf mehr Neubau konzentriert und viele richtige Maßnahmen angestoßen. Diese seien jedoch «in unruhigen Zeiten durch massiv gestiegene Zinsen und Baukosten sowie den Fachkräftemangel konterkariert wurden».

Immer mehr Menschen leben in kleinen Haushalten

Henger bemängelt, dass die Wohnungsbaukrise seit 2022 nicht ausreichend bekämpft wurde. Er sieht die Verantwortung nicht nur beim Bund, sondern auch bei den Bundesländern sowie Städten und Gemeinden in stark wachsenden Regionen.

«Trotz langfristig stagnierender Bevölkerungszahlen wird die Anzahl der Haushalte noch zunehmen», sagte Waltersbacher vom BBSR. Das liege vor allem an dem «anhaltenden Trend der Singularisierung» und Alterung. Künftig werde es als Folge mehr kleinere Haushalte geben.

Knapp zwei Millionen Wohnungen stehen leer

Um die hohe Nachfrage nach Wohnraum in Deutschland zu befriedigen, sollten daher Neubauten in wachstumsstarken Großstädten und deren Umland entstehen. In Landkreisen mit rückläufiger Bevölkerung sollte insbesondere der bestehende Wohnraum entwickelt werden, um zukünftige Leerstände zu vermeiden. Laut Angaben des Statistischen Bundesamts standen im Jahr 2022 knapp zwei Millionen Wohnungen in Deutschland leer.

dpa