Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Deutschland plant staatlich subventionierten Industriestrompreis ab 2026

Bundeswirtschaftsministerin Reiche kündigt Entlastung für energieintensive Unternehmen an, um Arbeitsplätze zu sichern.

Wirtschaftsministerin Reiche: in den letzten Zügen der Verhandlungen mit der Kommission. (Archivbild)
Foto: Michael Kappeler/dpa

Energieintensive Unternehmen in Deutschland sollen ab 2026 durch einen staatlich subventionierten Industriestrompreis entlastet werden. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sagte in Berlin: «Ich gehe davon aus, dass wir den Industriestrompreis zum 1. 1. 2026 einführen werden.»

Reiche kündigte kurz vor dem «Stahlgipfel» bei Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Donnerstag eine weitere Entlastung für Unternehmen mit hohem Stromverbrauch an. Es handelt sich um eine Verlängerung der sogenannten Strompreiskompensation. Die IG Metall warnte davor, dass ohne wettbewerbsfähige Energiepreise Zehntausende Arbeitsplätze gefährdet seien.

Industriestrompreis soll 2026 kommen

Unternehmen in Deutschland beklagen sich seit langem über die im internationalen Vergleich hohen Strompreise. Firmen sind daher nicht konkurrenzfähig. Der Industriestrompreis ist seit Jahren Gegenstand politischer Debatten. Die Bundesregierung plant nun Maßnahmen. Reiche sagte, dass man sich in den finalen Verhandlungen mit der EU-Kommission befinde. Die Kommission muss zustimmen, da es sich um eine Beihilfe handelt.

Reiche sagte bei einer Industriekonferenz mit anderen EU-Ministern zum Industriestrompreis, Haushaltsmittel sollten rückwirkend 2027 eingesetzt werden. Man habe mit der EU-Kommission vereinbart, dass Nachweise der Unternehmen, im Gegenzug für einen Industriestrompreis mehr in Effizienz zu investieren, so «bürokratiearm» wie möglich sein sollten.

Im Juni hatte Brüssel allgemein grünes Licht für einen Industriestrompreis gegeben. Zu dieser Zeit wurde angegeben, dass ein Rabatt von bis zu 50 Prozent auf den Großhandelsstrompreis erlaubt sei, jedoch höchstens für die Hälfte des jährlichen Stromverbrauchs eines Unternehmens. Subventionen dürften nur für höchstens drei Jahre pro Unternehmen gewährt werden und müssten bis spätestens Ende 2030 auslaufen.

Konkrete Ausgestaltung offen

Es ist noch nicht klar, wie genau der Industriestrompreis aussehen wird. In einem früheren Dokument des Ministeriums wurde von 5 Cent pro Kilowattstunde gesprochen.

Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft von Anfang Oktober beträgt der durchschnittliche Strompreis für Neuabschlüsse bei kleinen und mittleren Industriebetrieben derzeit bis zu 18 Cent pro Kilowattstunde, wobei Unternehmen mit einem höheren Verbrauch etwas weniger zahlen.

Die staatliche Förderung dürfte Milliarden kosten. Das Geld dafür könnte aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen, einem Sondertopf des Bundes. In dem Konzept einer Allianz um die bundeseigene Deutsche Energieagentur heißt es laut «Handelsblatt», ein Industriestrompreis von fünf Cent für rund 2.000 Unternehmen würde den Bund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr kosten.

Weitere Entlastung

Der Industriestrompreis sei ein wichtiger Baustein für die Wettbewerbsfähigkeit der Stahlbranche, sagte Reiche mit Blick auf den «Stahlgipfel». Als noch wichtiger bezeichnete sie es, die sogenannte Strompreiskompensation über 2030 hinaus zu verlängern. Auch dazu gebe es gute Signale der Kommission. Man gehe davon aus, dass dies in den nächsten Wochen beschlossen werde.

Firmen werden durch die Strompreiskompensation indirekt von den Kosten des CO2-Emissionshandels entlastet. Außerdem sind bereits Entlastungen bei den Netzentgelten auf dem Weg.

IG Metall und BDI begrüßen Industriestrompreis

«Es ist ein wichtiges Signal, dass sich die Wirtschaftsministerin klar zum Industriestrompreis bekennt und die kurzfristige Einführung in Aussicht stellt», sagte Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall. Es gebe keine Alternative zum Industriestrompreis, wenn Deutschland Industrieland bleiben wolle. Der Industriestrompreis dürfe aber kein «Blankoscheck» sein, sondern müsse an Beschäftigungssicherung, Tarifbindung und Zukunftsinvestitionen gekoppelt werden.

Zustimmung kam auch vom Bundesverband der Deutschen Industrie. «Für besonders energieintensive Industrien ist jede schnelle Entlastung von den hohen Stromkosten essenziell, um kurzfristig international wettbewerbsfähig zu bleiben», sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Holger Lösch.

Ein Industriestrompreis würde den energieintensiven Industrien in Deutschland ein wichtiges Signal senden. Die strengen Vorgaben der EU-Kommission begrenzten jedoch die Entlastungswirkung erheblich. Lösch betonte, dass neben dem Industriestrompreis auch strukturelle Reformen im Energiesystem erforderlich seien, um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Klingbeil fordert Ende aller Stahlimporte aus Russland

Am Donnerstag plant Kanzler Merz, mit Reiche, anderen Ministern und Vertretern der Stahlindustrie über die schwierige Situation der Branche zu sprechen – die neben Billigimporten aus China und den hohen Kosten für den Übergang zu einer umweltfreundlicheren Stahlproduktion auch unter hohen Energiepreisen leidet.

Vizekanzler Lars Klingbeil fordert härtere Maßnahmen gegen Russland. Es müsse schnell ein «vollständiges Ende aller Stahlimporte aus Russland geben», sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. «Noch immer sind Stahlbrammen, die in Russland produziert und in der EU weiterverarbeitet werden, von Sanktionen ausgenommen.» Stahlbrammen sind ein Vormaterial für Bleche und Bänder. Die EU-Kommission hatte Anfang Oktober Schutzmaßnahmen für die heimische Stahlindustrie angekündigt.

dpa