Passagiere müssen Tickets elektronisch vorzeigen. Verbraucherschützer sehen Klagen wegen möglicher Ausschlüsse. Mobilität darf nicht an Technik scheitern.
Ryanair schafft ausgedruckte Bordkarten ab

Ryanair, der Billigflieger, plant ernsthaft, die ausgedruckte Bordkarte abzuschaffen. Ab heute müssen Passagiere ihre Tickets in elektronischer Form vorweisen, um ins Flugzeug steigen zu können, wie von Europas größter Direktfluggesellschaft gefordert. Michael O’Leary, der Chef, erwartet einige Startschwierigkeiten bei der Umstellung, während deutsche Verbraucherschützer erste Anknüpfungspunkte für Klagen sehen.
Vor allem unerfahrenen Passagieren gibt das kleine Stück Papier mit dem eigenen Namen, QR-Code und Platznummer das gute Gefühl, dass beim Einsteigen eigentlich nichts mehr schiefgehen kann. Schon bei den ersten Ankündigungen der irischen Airline zur neuen Gangart kam es daher in Großbritannien zu Kritik und Protesten. Werden technisch nicht so begabte Menschen oder Internet-Verweigerer damit nicht vom Fliegen ausgeschlossen?
Verbraucherschutz verlangt Alternative
Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert für alle Reisenden einen alternativen Weg, um jede Form der Mobilität nutzen zu können. «Mobilität darf nicht an das technische Geschick oder die technischen beziehungsweise tatsächlichen Möglichkeiten von Reisenden geknüpft werden. Es darf nicht zum Ausschluss von einzelnen Gruppen kommen», warnt Fluggastrechte-Referent André Duderstaedt. Sollten behinderte Menschen betroffen sein, könnten diese mit juristisch guten Chancen auf das Gleichbehandlungsgesetz pochen.
Start in den ruhigen Herbst verschoben
Das Unternehmen versucht, mögliche Bedenken zu zerstreuen und hat den ursprünglich für Mai geplanten Start in den ruhigeren November verschoben. Statt knapp 20 Millionen Passagieren (Mai 2025) dürften in dem kühlen Herbstmonat nur gut 13 Millionen Menschen mit den Iren unterwegs sein. Mögliche Probleme lassen sich bei geringerem Andrang an den Flughäfen leichter lösen. Im laufenden Geschäftsjahr erwartet die Gesellschaft einen Rekordwert von 207 Millionen Passagieren.
Ryanair plant, die weltweit erste papierlose Fluggesellschaft zu werden. Die Einführung elektronischer Bordkarten könnte jährlich über 300 Tonnen Müll einsparen, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Im Gegensatz dazu bieten Konkurrenten wie Easyjet, British Airways, Lufthansa und Condor ihren Kunden bisher die Wahl zwischen digitalen und analogen Bordkarten.
An der App führt kaum ein Weg vorbei
Eine zentrale Rolle in der Digital-Strategie spielt die Smartphone-Anwendung «myRyanair». Sie soll für die Kunden künftig der einzige Weg sein, um im elektronischen Check-in-Prozess eine Bordkarte zu erstellen. Die Airline will auch Kunden in die App holen, die ihre Tickets bei anderen Portalen gebucht haben. Ohne die kleine Datei auf dem Smartphone gelangt man nicht einmal in den Sicherheitsbereich eines Flughafens, geschweige denn an Bord eines Flugzeuges.
Laut der Fluggesellschaft verwenden bereits weit über 80 Prozent der Gäste moderne Technologie. O’Leary ist davon überzeugt, dass auch die meisten der übrigen Passagiere auf ihren Flügen ein Smartphone dabei haben, es jedoch bisher nicht zum Boarding nutzen.
Hauptsache eingecheckt
Die App ist jedoch auch im neuen System nicht unbedingt erforderlich für alle Reisenden. Ein Hauptbucher kann die elektronischen Bordkarten für eine Gruppe vorzeigen oder sie einzeln an die Smartphones seiner Mitreisenden weiterleiten.
Im Interview mit der britischen Zeitung «The Independent» verspricht der Ryanair-Chef allen Passagieren am Flughafen unentgeltliche Hilfe, sofern sie nur eingecheckt sind. «Wenn die Batterie leer ist oder etwas passiert, haben wir nach dem Einchecken sowieso Ihre Sequenznummer am Flugsteig, und wir bringen Sie an Bord. Es braucht sich also niemand Sorgen zu machen.» Passagiere ohne Smartphone sollten sich von Freunden oder Verwandten beim Check-in helfen lassen, rät ein Sprecher des Unternehmens zusätzlich.
Letzter Ausweg am Schalter
Wer alle Warnungen und die wiederholten Erinnerungen zum Online-Check-in ignoriert, findet möglicherweise am Flughafen einen letzten und teuren Ausweg, um doch noch eine (ausgedruckte) Bordkarte zu erhalten und damit an Bord zu kommen: «In diesem Fall müssen Sie die Check-in-Gebühr am Flughafen bezahlen», vermerkt die Ryanair-Website. Das sind je nach Abflugland 30 (Spanien), 40 (Österreich) oder 55 Euro/Pfund (übrige EU/Großbritannien) pro Passagier und Strecke. Immerhin entfällt künftig die bislang erhobene Gebühr von 20 Euro für den Neuausdruck einer bereits erstellten Bordkarte.
«Nicht digital bedeutet teurer»
Komplett papierlos wird Ryanair also auch nach der Bordkarten-Reform nicht unterwegs sein. Für die Konsumenten gilt nach Auffassung des Verbraucherschutzes der bereits aus anderen Bereichen wie Bahncard oder Dienstleistungen im Zahlungsverkehr bekannte wie problematische Grundsatz: «Nicht digital bedeutet teurer».








