Im Zollstreit mit den USA schwindet die Zeit für Verhandlungen. In der Digitalbranche wächst die Sorge, dass die EU Interessen von Start-ups zugunsten von US-Tech-Riesen opfern könnte.
Start-ups warnen EU vor Kuhhandel mit USA bei Digitalgesetz

Die Start-up-Branche in Europa befürchtet, dass die EU möglicherweise das zentrale Digitalrecht lockern könnte, um den USA im aktuellen Zollstreit entgegenzukommen. In einem Schreiben an die EU-Kommission warnen Digitalverbände vor potenziellen Zugeständnissen beim Digital Markets Act (DMA), mit dem Brüssel unter anderem US-Techunternehmen reguliert und kürzlich hohe Geldstrafen gegen Apple und den Facebook-Konzern Meta verhängt hat.
Man verfolgt mit großer Sorge Berichte, dass der US-Handelsbeauftragte vorgeschlagen hat, die Durchsetzung des DMA für amerikanische Digitalunternehmen vorübergehend im Rahmen eines bilateralen Dialogs mit der EU auszusetzen, heißt es in dem Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Der Brief liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
«Der DMA ist kein geopolitisches Manöver und darf auch nicht zu einem solchen werden», schreiben die Unterzeichner, darunter das European Startup Network, der deutsche Startup-Verband und France Digitale. «Lassen Sie nicht zu, dass die Durchsetzung des DMA geschwächt oder verzögert wird.»
Hohe Strafen gegen Apple und Co verärgern USA
Seit März 2024 ist der DMA in Kraft, um mehr Wettbewerb bei digitalen Diensten zu gewährleisten. Die Annahme ist, dass einige große Plattformbetreiber so dominant sind, dass sie ihre Marktposition festigen können. Das Gesetz zielt darauf ab, dies durch Regeln für Gatekeeper zu verhindern. Die Kommission hat mehrere Gatekeeper-Dienste von Unternehmen wie den US-Tech-Giganten Apple, Amazon, Microsoft, Alphabet und Meta identifiziert. Die Verordnung soll auch Verbraucher stärken, indem sie von niedrigeren Preisen und einem besseren Datenschutz profitieren.
Erst im April hatte die EU-Kommission das Digitalgesetz eingeführt und hohe Geldstrafen gegen Apple und Meta verhängt. Die Maßnahmen der Europäer führen regelmäßig zu Spannungen in den USA und haben Auswirkungen auf den Zollstreit. Der Vorsitzende der US-Bundeshandelskommission, Andrew Ferguson, hatte kürzlich den DMA als eine Art Besteuerung von US-Unternehmen kritisiert.
Zeit für Verhandlungen im Zollstreit knapp
Zuletzt hatte das «Wall Street Journal» berichtet, die EU und die USA näherten sich bei nicht tarifären Handelsfragen von Regulierungen bis hin zur Behandlung von US-Techkonzernen einer Einigung. Der Entwurf scheine fast final, könne sich aber noch ändern.
Das alarmiert die Digitalbranche: «Wenn die EU europäische Technologie-Champions fördern will, darf sie nicht gleichzeitig die zentralen regulatorischen Grundlagen für faire digitale Märkte untergraben», warnen die Verbände in dem Brief. Der DMA sei für Wachstumsfirmen in Europa «ein elementares Instrument, um faire Wettbewerbsbedingungen, Marktzugang und damit Innovation zu gewährleisten». Mit ihrer jüngsten Strategie für Start-ups wolle die Kommission selbst bessere Bedingungen für innovative Unternehmen schaffen.
Merz dringt auf Tempo
Im Zollstreit mit den USA läuft die Zeit für Europa ab. US-Präsident Donald Trump hat die hohen Importzölle für 90 Tage ausgesetzt – diese Frist endet am 9. Juli. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) äußerte sich zuletzt vorsichtig optimistisch über ein knappes Rahmenabkommen mit den USA. Kanzler Friedrich Merz drängte auf eine rasche Entscheidung für vier, fünf große Industrien und nannte dabei die deutschen Schlüsselbranchen Auto- und Maschinenbau, Chemie und Pharma.