Im nächsten Jahr könnte die Dauerkrise ein Ende haben. Doch Experten warnen vor zu viel Optimismus. Was nährt die Hoffnung, und wo bleiben die Risiken?
Startet die deutsche Wirtschaft 2026 endlich durch?

Drei aufeinanderfolgende Krisenjahre, schlechte Stimmung in vielen Unternehmen, steigende Firmenpleiten: Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Flaute. Die Bilanz der letzten drei Jahre ist nüchtern: nur zwei Quartale mit Wachstum. Auch die Politik der schwarz-roten Koalition hat bisher keine Stimmungsumschwung bewirkt. Wird 2026 der Aufschwung kommen?
Aufschwung auf «wackelige Beinen»
Die gute Nachricht: Es soll bergauf gehen. Allerdings nur etwas. 0,9 Prozent bis 1,3 Prozent Wachstum wird je nach Prognose erwartet – wobei viel Unsicherheit bleibt. Deutschlands führende Wirtschaftsforschungsinstitute warnten im September anlässlich ihrer Gemeinschaftsdiagnose: Die deutsche Wirtschaft stehe nach wie vor auf «wackeligen Beinen». Auch die «Wirtschaftsweisen» erwarten im kommenden Jahr keinen breit angelegten Aufschwung.
Das Wachstum im Jahr 2026 wird voraussichtlich hauptsächlich durch Sondereffekte vorangetrieben: staatliche Milliardenausgaben für Infrastruktur wie Straßen und Schienen sowie für Verteidigung. Außerdem fallen mehr Feiertage auf ein Wochenende, wodurch es 2026 mehr Arbeitstage geben wird.
Löst die Regierung Merz den Reformstau?
„Verbands und Ökonomen warnen immer wieder vor den hohen Energiekosten, steigenden Sozialabgaben, langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie der übermäßigen Bürokratie. Ohne umfassende Reformen wird es keinen echten Aufschwung in Deutschland geben.“
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte einen «Herbst der Reformen» angekündigt. Die schwarz-rote Koalition streitet aber um zentrale Vorhaben wie das Rentenpaket. In der Wirtschaft wächst die Ungeduld. «Alle in der Koalition brauchen mehr Ambition», sagt Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger.
Die IKB Deutsche Industriebank schrieb Ende November, maßgeblich für den Erfolg seien nicht nur höhere staatliche Investitionen, «sondern vor allem ein Stimmungsaufbruch unter den Unternehmen». Im November verschlechterte sich die Stimmung in den 9.000 Unternehmen, die das Münchner Ifo-Institut regelmäßig befragt. «Die deutsche Wirtschaft zweifelt an einer baldigen Erholung», kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest.
Export fällt als Motor aus
Die aggressive Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump trifft eine ohnehin geschwächte Exportnation Deutschland. Maschinenbau, Chemie, Elektro: Seit Jahren verlieren deutsche Hersteller auf den Weltmärkten an Wettbewerbsfähigkeit. «Die deutschen Exportmarktanteile sanken seit 2017 und entwickelten sich im internationalen Vergleich seit 2021 besonders schwach», analysierte die Bundesbank im Sommer.
Der Befund ist umso alarmierender, da fast jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland vom Export abhängt. Schon 2024 wurden weniger Waren «Made in Germany» ins Ausland verkauft als ein Jahr zuvor. Für das laufende Jahr prognostiziert der Außenhandelsverband BGA 2,5 Prozent Rückgang.
Und die Aussichten sind trüb: «Viele der neuen US-Zölle sind so hoch, dass Geschäfte schlichtweg unmöglich werden – für zahlreiche deutsche Exporteure bedeutet das faktisch den Verlust des US-Marktes», sagt der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel (BGA), Dirk Jandura.
Investiert der Staat an den richtigen Stellen?
In den Jahren 2026 bis 2028 ist geplant, einen staatlich subventionierten, niedrigeren Industriestrompreis einzuführen. Die Bundesregierung beabsichtigt auch, die Ticketsteuer in der Luftfahrtbranche ab dem 1. Juli 2026 zu senken. Es handelt sich um eine Summe von ungefähr 350 Millionen Euro zugunsten der Luftverkehrsindustrie in Deutschland. Des Weiteren ist eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Speisen in der Gastronomie von 19 Prozent auf 7 Prozent ab dem 1. Januar 2026 sowie eine Erweiterung der Mütterrente geplant.
Nach Ansicht der «Wirtschaftsweisen» Monika Schnitzer wird hierbei Geld an Gruppen verteilt, «die es nicht unbedingt brauchen, aber die besonders laut danach rufen». Die Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung betonte, man müsse sich «schon fragen, warum man für so etwas Geld ausgibt. Das wird das Wachstum nicht beschleunigen.»
Auch nach Meinung von Ökonomen könnten die zusätzlichen staatlichen Milliardeninvestitionen für die Infrastruktur weniger Rückenwind bringen als erhofft. Laut Einschätzungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) fließen von den bis 2029 vorgesehenen 271 Milliarden Euro im Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität rund 133 Milliarden in bereits geplante Maßnahmen – sie werden also keinen zusätzlichen konjunkturellen Impuls erzeugen.
Inflation hält sich hartnäckig über zwei Prozent
Die große Teuerungswelle mit Höchstwerten von fast neun Prozent Inflation, die Deutschland nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine erfasst hatte, ist zwar ausgelaufen. Dennoch sind viele Preise deutlich höher als vor ein paar Jahren: Lebensmittel in Deutschland haben sich seit dem Vor-Corona-Jahr 2019 um mehr als ein Drittel (37 Prozent) verteuert.
Volkswirte schätzen ein, dass Verbraucher in Deutschland vorerst mit Inflationsraten oberhalb der Zwei-Prozent-Marke rechnen müssen. Mit steigender Inflationsrate sinkt die Kaufkraft der Menschen.
Arbeitsmarkt unter Druck
Die gestiegenen Preise für Lebensmittel und Dienstleistungen wirken sich negativ auf den privaten Konsum aus. Dies könnte auch zu Jobverlusten führen: Insbesondere im Einzelhandel hat der Anteil der Unternehmen, die sich akut in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sehen, laut einer Umfrage des Ifo-Instituts zugenommen.
Der Arbeitsmarkt steht bereits unter Druck. In wichtigen Branchen wie der Automobilindustrie wurden innerhalb eines Jahres fast 50.000 Stellen gestrichen. Zudem war die Herbstbelebung auf dem deutschen Arbeitsmarkt schwach. Aufgrund der saisonalen Bedingungen wird die Zahl der Arbeitslosen in den Wintermonaten Januar und Februar voraussichtlich wieder auf über drei Millionen steigen.








