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Steigender Marktanteil: Zweiter Frühling für Kompaktklasse

Jahrelang schien der Siegeszug der SUVs auf dem deutschen Automarkt unaufhaltsam. Doch aktuell könnte sich etwas drehen. Der alte Platzhirsch Kompaktklasse hat seit einiger Zeit wieder Aufwind.

SUVs schwächeln, die Kompaktklasse ist gefragt.
Foto: Ingo Wagner/dpa

Eine Trendwende zeichnet sich auf dem deutschen Automarkt ab. Trotz jahrelang sinkender Absatzzahlen erlebt die Kompaktklasse derzeit eine Renaissance. Zum 50. Geburtstag des bekanntesten Vertreters, des VW Golf, beträgt der Marktanteil in diesem Jahr 19,6 Prozent – ein Anstieg um 3,3 Punkte im Vergleich zum Gesamtjahr 2023 und sogar 3,7 Punkte über dem Tiefpunkt von 2022. Diese Zahlen stammen vom Kraftfahrt-Bundesamt, wie von der dpa analysiert.

Die SUVs verlieren gleichzeitig an Stärke: Obwohl sie seit Jahren kontinuierlich Marktanteile gewinnen und 2019 die Kompaktklasse als beliebteste Fahrzeugklasse in Deutschland ablösten, liegen sie aktuell bei 28,4 Prozent und somit 1,4 Punkte im Minus. Der Vorsprung ist zwar immer noch deutlich, aber es schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die SUVs im Jahr 2022 das doppelte des Marktanteils der Kompaktklasse erreichen würden.

Angebot an Kompaktwagen wurde zurückgefahren

«Ich glaube, die Entwicklung hängt vor allem am Angebot», sagt der Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), Thomas Peckruhn. «Die Nachfrage nach kompakten Autos ist groß. Wir hatten in letzter Zeit einfach zu wenige davon. Das hat sich inzwischen aber wieder geändert. Und die Hersteller bieten auch wieder Aktionen für diese Modelle an.»

Nach den für die Kompaktklasse besonders schwachen Vorjahren gebe es Nachholbedarf, sagt Branchenexperte Frank Schwope, der Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands in Köln und Hannover lehrt. In den vergangenen Jahren sei die Kompaktklasse deutlich hinter ihrem Potenzial zurückgeblieben. «Erst Corona, dann Teilemangel. Wir hatten da sehr schwache Verkaufszahlen.» 

Angesichts knapper Chips hatten Hersteller wie VW die wenigen verfügbaren Halbleiter gezielt in höherpreisigen Modellen verbaut und die Produktion von Klein- und Kompaktwagen gedrosselt. «Da gibt es jetzt Ersatzbedarf», so Schwope. Und die Nachfrage könne dank wieder besser verfügbarer Teile nun auch bedient werden. Von den Herstellern werde dies angesichts der insgesamt schwachen Nachfrage noch unterstützt, um ihre Werke auszulasten. Zur Angebots-These passt auch eine andere Zahl: Im Kompakt-Segment listet das KBA aktuell 32 Modelle, bei SUVs sind es mehr als 100. 2014 waren es noch in etwa gleich viele. 

Wirtschaftslage macht die Kompakten attraktiver

Hinzu kommt nach Ansicht Schwopes die derzeit angespannte Wirtschaftslage. «Die Leute halten ihr Geld zusammen.» Und kauften sich statt eines teuren SUVs lieber einen günstigeren Kompakten. Mit dem Ergebnis, «dass viele jetzt lieber Golf fahren als Tiguan». 

Es könnte sein, dass weniger sparwillige Kunden zu noch kleineren Autos gewechselt sind, weil das Angebot abgenommen hat. Laut KBA wurden beispielsweise die Minis – also die besonders kleinen Autos – zuletzt stark reduziert. Aktuell gibt es 9 Modelle, während es 2021 noch 13 waren. Damals betrug der Marktanteil 6,4 Prozent, jetzt ist es nur noch die Hälfte.

Ein weiterer Faktor, der wahrscheinlich zur aktuellen Verschiebung zugunsten der Kompaktfahrzeuge beigetragen hat, ist die geringere Leistung der Elektroautos. Dies betrifft die Kompaktklasse weniger als beispielsweise SUVs, bei denen die Elektroautos einen deutlich höheren Anteil haben.

SUV-Trend am Ende?

Und gerade angesichts der aktuellen Diskussion um eine Abkehr vom Verbrenner-Aus 2035 in Europa gebe es bei den Kunden viel Verunsicherung, sagt Schwope. «Viele waren noch am Abwarten, wie es mit der Elektromobilität weitergeht. Jetzt kaufen sie doch noch mal einen neuen Golf.»

Eine generelle Trendwende zurück zum Kompakten will Schwope darin aber nicht sehen. «Das ist noch einmal ein Zwischenaufbäumen, das letzte Aufbäumen der Kompaktklasse.» Am generellen Trend hin zum SUV werde sich dadurch nichts ändern. «Der wird so weitergehen.» Wenn auch nicht mehr so rasant wir bisher, glaubt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. «Der Trend zur SUVsierung hat irgendwo auch seine Grenzen. Ich glaube jetzt nicht, dass wir demnächst 70 Prozent SUVs haben werden.» Spürbar sinken werde der Anteil aber auch nicht wieder. «Das kehrt sich nicht wieder um.»

Zumindest teilweise könnte auch der Golf zum aktuellen Aufschwung der Kompaktklasse beigetragen haben. In den ersten fünf Monaten 2024 liegt der Marktanteil des Modells mit knapp 4,5 Prozent deutlich über dem des Jahres 2023. So deutlich, dass es rein rechnerisch fast die Hälfte des aktuellen Anstiegs der Kompaktklasse erklärt.

Die Rückkehr der Kompaktklasse ist keine reine Golf-Geschichte, da nur noch etwa ein Drittel des Anstiegs auf den alten Platzhirsch zurückzuführen ist. Früher verkaufte VW in Deutschland zeitweise mehr als 380.000 Golf pro Jahr, aber der Golf ist weit von diesen Erfolgen entfernt. Selbst wenn man die aktuellen Zahlen auf das ganze Jahr hochrechnet, käme er nur auf etwa die Hälfte.

dpa