Deutschland hinkt international hinterher, nur jeder fünfte Vorstandsposten von Frau besetzt, Stiftung fordert bessere Nutzung des weiblichen Potenzials.
Stagnation bei Frauen in Vorstandsposten der deutschen Wirtschaft

Die deutsche Wirtschaft kommt bei der Besetzung von Vorstandsposten mit Frauen nicht vom Fleck. Nach Jahren einer positiven Entwicklung stagnierte zuletzt der Frauenanteil in im Top-Management der 160 börsennotierten Unternehmen auf niedrigem Niveau, wie aus einem Bericht der gemeinnützigen deutsch-schwedischen AllBright Stiftung hervorgeht. «Wenn die deutsche Wirtschaft endlich wieder Fahrt aufnehmen will, muss sie das Potenzial der Frauen besser nutzen», erklärten Wiebke Ankersen und Christian Berg, Geschäftsführerin und Geschäftsführer der Stiftung.
Nur knapp jedes fünfte Vorstandsmitglied laut Bericht weiblich
Die Stiftung untersucht den Frauenanteil in den Top-Etagen führender Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen, Schweden und den USA für den Bericht. Am 1. September dieses Jahres war in Deutschland wie bereits zum gleichen Stichtag des Vorjahres knapp jeder fünfte Vorstandsposten der 160 in den Aktienindizes Dax, MDAX und SDAX notierten Unternehmen mit einer Frau besetzt.
Bei den neu hinzugekommenen Vorstandsmitgliedern betrug der Frauenanteil nur noch 20 Prozent – vor zwei Jahren seien es noch 37 Prozent gewesen. «So kann Deutschland im internationalen Vergleich nicht aufholen und fällt noch weiter hinter Spitzenreiter Großbritannien zurück», erklärte die Stiftung.
Am besten schnitten die 40 Dax-Konzerne ab: Mit rund 40 Prozent Frauen in ihren Aufsichtsräten wurde ein ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen in den Aufsichtsgremien erreicht. In den Vorstandsetagen der Dax-Unternehmen lag der Frauenanteil dagegen nur bei 25,7 Prozent – damit belegte Deutschland erneut den vorletzten Platz vor Polen (18,8 Prozent Frauenanteil). In Großbritannien lag der Frauenanteil bei Spitzenreiter bei 33,8 Prozent.
«Rückgriff auf ganz alte Muster»
Als Grund für die Stagnation sieht die Stiftung eine «Krisenlähmung» der Wirtschaft. «Der Rückgriff auf ganz alte Muster bei der Wahl des Führungspersonals ist ein Reflex, der schon in der Corona-Krise zu beobachten war, aber keine Strategie für den Neustart», so Ankersen und Berg. Benötigt würden jetzt die besten Köpfe an der Spitze – «und das sind zur Hälfte Frauen.»
Gerade die kriselnde deutsche Automobilindustrie sei «auffällig schlecht» aufgestellt, sagte Ankersen: So finde sich im Vorstand von Volkswagen, BMW und der Porsche AG nur jeweils eine Frau. Bei ihren Geschäftsmodellen komme die Branche nicht voran – und versuche, «auf allen Ebenen so lange wie möglich weiterzumachen wie bisher. Und das zeigt sich ja gerade, dass das natürlich überhaupt nicht geht.»
Deutschland laut Statistik auch unter EU-Durchschnitt
Das Statistische Bundesamt hat kürzlich berichtet, dass der Frauenanteil in Führungspositionen in Deutschland deutlich unter dem EU-Durchschnitt liegt und sich seit 2014 praktisch nicht verändert hat. Im vergangenen Jahr waren weniger als jede dritte Führungskraft in Deutschland weiblich, was einem Frauenanteil von 29,1 Prozent entspricht. Im Vergleich dazu lag der EU-Durchschnitt bei 35,2 Prozent. Betroffen waren die Geschäftsführung kleiner Unternehmen, die Geschäftsführung oder Bereichsleitung großer Unternehmen sowie leitende Positionen im Verwaltungsdienst.
Auch das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit kam zu ähnlichen Ergebnissen in einer bereits am Dienstag vorgestellten Studie, die auf dem IAB-Betriebspanel basiert. Trotz des Anteils von Frauen mit 45 Prozent an den Beschäftigten in der Privatwirtschaft sind nur 29 Prozent der obersten Führungskräfte weiblich. Dieser Anteil hat sich in mehr als 20 Jahren nur um 4 Prozentpunkte erhöht.
Zwar sei der Anteil von Frauen in Spitzenpositionen in Betrieben mit familienfreundlichen Maßnahmen stärker gestiegen als in Betrieben, die keine solchen Angebote haben, doch bleibe der «Gender Leadership Gap» (deutsch etwa: Geschlechtsbedingte Führungslücke) bestehen.








