Die Forderung nach unterschiedlichen Strompreiszonen ist nicht neu. Bisher ist dies stets gescheitert. Nord-Länder versuchen nun einen neuen Anlauf zu machen.
Streit um Stromreform: Im Norden günstiger als im Süden?
Eine Initiative norddeutscher Bundesländer für eine Neugestaltung des Stromsystems zur Senkung der Preise in ihren Regionen stößt im Süden auf Widerstand. Eine Reform könnte zu Preiserhöhungen in süddeutschen Ländern führen. Bayern und Baden-Württemberg haben den Vorschlag der Nordländer, die bisher einheitliche sogenannte Stromgebotszone in Deutschland abzuschaffen, sofort abgelehnt. Die Bundesregierung verwies auf den Koalitionsvertrag, in dem keine Änderungen vorgesehen sind.
Was Nord-Länder vorschlagen
Im Norden hat die Windstromproduktion in den letzten Jahren stark zugenommen. Im Süden wird mehr Strom verbraucht. Der Ausbau des Stromnetzes, um den Windstrom in die großen Industriezentren im Süden zu transportieren, hinkt jedoch hinterher. Um eine Überlastung der Stromleitungen zu vermeiden, sind teure Maßnahmen (Redispatchkosten) zur Sicherung und Stabilisierung des Netzes erforderlich.
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte dem «Handelsblatt», unterschiedliche Stromgebotszonen wären ein starker marktwirtschaftlicher Anreiz für einen sinnvollen regionalen Ausbau der Stromnetze und der regenerativen Stromproduktion sowie für den Einsatz innovativer Technologien.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte, eine Aufteilung in Strompreiszonen könne die Lösung dafür sein, wenn es beim Netzausbau nicht vorangehe. «Damit gäbe es in den Regionen mit gutem Ausbaustand bei den Erneuerbaren deutlich günstigere Strompreise, was gut für Unternehmensansiedlungen ist.» Zugleich steige in den Regionen mit höheren Strompreisen der Druck, Netze und erneuerbare Energien auszubauen. Es gehe nicht an, dass die Länder bestraft werden, die beim Ausbau der Erneuerbaren gut aufgestellt seien.
Auch der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), und der Bürgermeister von Bremen, Andreas Bovenschulte (SPD), möchten eine Reform. Forderungen nach verschiedenen Strompreiszonen sind keine Neuigkeit. Gegenwärtig gelten in ganz Deutschland die gleichen Börsenstrompreise für alle Erzeuger und Verbraucher.
Der Süden reagiert
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) reagierten mit einer gemeinsamen Erklärung: «Von diesem Vorschlag halten wir gar nichts und deswegen werden wir uns mit aller Macht dagegenstellen. Eine Schwächung der wirtschaftlich starken Regionen im Süden und Westen durch höhere Strompreise kann nicht im Interesse der norddeutschen Bundesländer liegen.»
Deutschland sei ein einheitlicher Wirtschaftsraum. «Schon aus diesem Grund braucht es den Erhalt einer einheitlichen, liquiden deutschen Strompreiszone. Anstatt diese Debatte endlos fortzusetzen, wäre es sinnvoller, den Ausbau der Netzinfrastruktur gemeinsam entschlossen voranzutreiben.»
Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Hoffmann, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Auch der Norden muss verstehen: Wer die großen Wirtschaftsstandorte im Süden schädigt, der schadet dem ganzen Land. Das werden wir nicht zulassen.»
Baden-Württembergs Energieministerin Thekla Walker (Grüne) sagte, das beste und schnellste Mittel der Wahl gegen hohe Redispatchkosten sei und bleibe ein beschleunigter Stromnetzausbau. Sowohl der Aufwuchs erneuerbarer Energien als auch der Bau von neuen «Pufferkraftwerken» sollte durch regionale Förderfaktoren dort angeregt werden, wo sie den größten Nutzen im deutschen Stromnetz entfalteten – nämlich in den Verbrauchszentren des Südens.
Bund: Vorteile einer einheitlichen Zone überwiegen
Ein Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie wies auf den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD hin, in dem es heißt: «Wir halten an einer einheitlichen Stromgebotszone fest.» Der Sprecher betonte, dass die Vorteile einer einheitlichen Preiszone überwiegen. Es wurden Fortschritte beim Netzausbau festgestellt.
Auch Stadtwerke gegen Änderungen
Der Stadtwerkeverband VKU lehnt eine Aufteilung der einheitlichen Stromgebotszone entschieden ab, wie ein Sprecher sagte. Die Einheitlichkeit der Stromgebotszone ermögliche stabile Marktbedingungen, sichere die Planbarkeit für Stadtwerke und Unternehmen und gewährleiste eine hohe Liquidität auf den Großhandelsmärkten. Zudem sorge sie für eine gleichmäßige Verteilung von Risiken und Kosten über das gesamte Bundesgebiet. «Eine Aufteilung würde bestehende Probleme, wie Netzengpässe, nicht lösen, sondern zusätzliche Herausforderungen schaffen – insbesondere durch neue Unsicherheiten für Investitionen und eine höhere Marktvolatilität. Niedrigere Strompreise in den Bundesländern mit viel Windenergie stehen dann höheren Strompreisen in den industriestarken Bundesländern gegenüber.»