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Stromnetzausbau: Geld sparen mit Freileitungen

Netzentgelte könnten um einen Cent pro Kilowattstunde gesenkt werden, um Haushalte zu entlasten.

Freileitungen sind günstiger als Erdkabel. (Symbolbild)
Foto: Patrick Pleul/dpa

Beim Ausbau des Stromnetzes in Deutschland könnten durch den Wechsel von Erdkabeln zu Freileitungen erhebliche Kosten eingespart werden – was auch den Verbrauchern zugute kommen könnte. Laut Tim Meyerjürgens, dem Vorstandsvorsitzenden des Stromnetzbetreibers Tennet, könnten allein bei den nächsten drei großen geplanten Neubau-Leitungen – OstWestLink, NordWestLink und SuedWestLink – mindestens 20 Milliarden Euro eingespart werden, so die Deutsche Presse-Agentur.

«Mittelfristig könnten dadurch die Netzentgelte um einen Cent pro Kilowattstunde gesenkt werden», sagte Meyerjürgens. «Es gilt, jede Möglichkeit zu nutzen, um Industrie, Gewerbe und private Haushalte zu entlasten.» Über die Netzentgelte, die auch private Verbraucher bezahlen, wird unter anderem der Netzausbau finanziert.

Eine Sprecherin der Bundesnetzagentur sagte: «Freileitungen haben unbestritten Kostenvorteile.» Die potenziellen Einsparungen bei den Neubau-Leitungen OstWestLink, NordWestLink und SuedWestLink lägen bei rund 16,5 Milliarden Euro. «Ein Schwenk zu Freileitungen würde die Planung dieser bisher als Erdkabel geplanten Vorhaben allerdings zeitlich zurückwerfen.» Der Stromnetzbetreiber Amprion äußerte sich zurückhaltend zu einem Ende des Erdkabelvorrangs. 

Vorrang für Erdkabel 

Im Zuge der Energiewende mit einem Ausbau der erneuerbaren Energien sollen Tausende neue Kilometer Stromleitungen verlegt werden, um den vor allem im Norden produzierten Windstrom in große Verbrauchszentren im Süden zu transportieren. Seit 2016 gilt ein Erdkabelvorrang für große «Stromautobahnen». Er war von der damaligen Koalition aus Union und SPD eingeführt worden, um die Akzeptanz in der Bevölkerung für den Netzausbau zu erhöhen. Hintergrund waren Sorgen vor «Monstertrassen». 

Laut einem Bericht der Übertragungsnetzbetreiber Tennet, TransnetBW und 50Hertz hat der Einsatz von Erdkabeln im Allgemeinen nicht die erwartete größere Akzeptanz gebracht. Die drei Unternehmen befürworten einen Kurswechsel.

Koalition hat Reform angekündigt

Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es, die neu zu planenden Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsnetze (HGÜ) sollten, «wo möglich», als Freileitungen umgesetzt werden. «Dabei werden wir besonders belastete Regionen berücksichtigen.» Durch diese Maßnahmen könne der Netzausbau effizienter gestaltet werden. 

Ein Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie erklärte, dass im Rahmen eines Monitorings bis zur Sommerpause 2025 der prognostizierte Strombedarf sowie andere Faktoren wie die Versorgungssicherheit, der Netzausbau und der Ausbau erneuerbarer Energien als Grundlage für zukünftige Maßnahmen überprüft werden sollen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen bei der Entscheidungsfindung über zukünftige HGÜ und deren Umsetzung berücksichtigt werden.

Amprion zurückhaltend

Der Chef des vierten großen Stromnetzbetreibers Amprion, Christoph Müller, sagte: «Vor der Debatte um Technologien steht für uns die Frage der Notwendigkeit. Wir sollten nur bauen, was wir wirklich brauchen. Die derzeitige Entwicklung der Nachfrage spricht dafür, dass es weniger ist als vormals angenommen.» 

Ferner seien Genehmigungsverfahren schneller geworden, das habe auch mit dem Erdkabelvorrang zu tun. Wenn diese Verfahren wieder länger dauerten, habe man durch steigende sogenannte Redispatch-Kosten nichts gespart. Damit sind Ausgleichsmaßnahmen gegen Engpässe im Stromnetz gemeint, die über die Netzentgelte bezahlt werden. «Insofern ist es gefährlich, den Vorrang für Erdkabel abzuschaffen, ohne einen neuen Vorrang für Freileitungen zu schaffen», sagte Müller.

Neustart bei Vorhaben?

Die Gleichstrom-Vorhaben OstWestLink, NordWestLink und SuedWestLink wurden vor der Bundestagswahl im Februar nicht mehr in den Bundesbedarfsplan aufgenommen. Die Planfeststellung kann daher nicht mehr bis zum 30. Juni unter der EU-Notfallverordnung gestartet werden, so die Bundesnetzagentur. Beschleunigte Genehmigungsverfahren nach der Notfallverordnung kämen für diese Vorhaben daher nicht in Betracht.

«Seit langem fordern wir, den Erdkabelvorrang für Gleichstromvorhaben durch einen Freileitungsvorrang zu ersetzen», sagte Meyerjürgens. «Der Neustart der Genehmigungsverfahren zentraler Netzausbauprojekte bietet jetzt die Chance, noch rechtzeitig umzusteuern und konsequent auf Freileitungen statt Erdkabel zu setzen.»

Um diese Vorhaben geht es

Der OstWestLink soll zukünftig grünen Strom von der Küste Niedersachsens nach Sachsen übertragen. Der NordWestLink soll Strom aus Windenergie an Land in Schleswig-Holstein und Niedersachsen sowie Offshore-Windstrom in der Nordsee nach Baden-Württemberg transportieren. Der SuedWestLink soll die Übertragungskapazität zwischen Schleswig-Holstein und Süddeutschland erhöhen.

Die Planfeststellungsunterlagen für alle Abschnitte des SuedLink wurden gemäß Tennet bei der Bundesnetzagentur eingereicht, um den endgültigen Verlauf der Leitung festzulegen. An einigen Stellen wurde dies bereits abgeschlossen und die Bauarbeiten haben begonnen. Der SuedLink ist als Erdkabelvorhaben geplant. Es gibt zahlreiche Bürgerinitiativen gegen neue Stromtrassen.

Die Sprecherin der Bundesnetzagentur sagte, für den NordWestLink und den SuedWestLink seien bereits sogenannte Präferenzräume ermittelt worden, die für eine Erdverkabelung konzipiert worden seien. «Bei einer Entscheidung zur Umstellung auf Freileitungen wären diese Präferenzräume obsolet und müssten komplett neu für Freileitungen ermittelt werden.» Dies hätte massive Verzögerungen zur Folge.

Netzentgelte gestiegen

Die Netzentgelte dienen unter anderem der Finanzierung des Stromnetzausbaus. In den letzten Jahren sind die Entgelte als Teil des Strompreises deutlich angestiegen. Laut Tennet würde eine Reduzierung der Netzentgelte um einen Cent pro Kilowattstunde durch einen Wechsel zu Fernleitungen für private Haushalte bedeuten: Ein Zwei-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3.000 Kilowattstunden würde dadurch etwa 30 Euro im Jahr sparen, bei einem Verbrauch von 5.000 Kilowattstunden wären es jährlich 50 Euro.

Warum Freileitungen günstiger sind

Laut dem Papier der drei Übertragungsnetzbetreiber lassen sich Freileitungen deutlich schneller und kostengünstiger bauen als Erdkabel. Jeder Kilometer Erdkabel statt Freileitung kostet rund 10 bis 20 Millionen Euro mehr. Nach Tennet sind die Baukosten für Freileitungen je nach topographischen Gegebenheiten um den Faktor vier bis acht günstiger als Erdkabel. Außerdem sind Freileitungen laut dem Papier einfacher im Betrieb und schneller zu reparieren.

dpa