Bürokratie kostet Firmen Milliarden. In der Pharmaindustrie wird jede fünfte Arbeitsstunde für Vorschriften aufgewendet, warnt der Branchenverband VFA. Er sieht aber auch eine Chance für den Standort.
Studie: Bürokratie kostet deutsche Wirtschaft 67 Milliarden

Laut einer neuen Studie des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (VFA), die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, hat die Bürokratie in Deutschland im Jahr 2024 die Wirtschaft gut 67 Milliarden Euro gekostet. Dies entspricht etwa eineinhalb Prozent der Wirtschaftsleistung.
Bürokratie verringere die Produktivität und binde Mittel, die nicht anderweitig eingesetzt werden könnten, etwa in Forschung und Entwicklung oder der Produktion. «Es ist deshalb ein Standortvorteil, wenn bürokratische Prozesse mit möglichst geringem Aufwand umgesetzt werden können – beispielsweise automatisiert und digital», schreibt der VFA. Und warnt: «Umgekehrt verlieren Standorte mit hohen bürokratischen Lasten an Attraktivität.»
Die Kosten seien konservativ geschätzt und fallen dem Verband zufolge fast ausschließlich wegen der Arbeitszeit an, die für Bürokratie nötig sind. In der Pharmabranche werde schon jede fünfte Arbeitsstunde für die Erfüllung von Dokumentations- und Berichtspflichten aufgewendet, heißt es in dem Papier, der VFA am heutigen «Tag der innovativen Gesundheitswirtschaft» in Berlin vorlegt. Im Blickpunkt steht der Erfüllungsaufwand, finanzielle Vorteile für Unternehmen durch Bürokratie wurden dem nicht gegenübergestellt.
Bürokratie modernisieren
Bürokratie sei kein Selbstzweck, sondern sichere Qualität, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit, heißt es jedoch in dem Papier. Dies sei Voraussetzung für eine regelbasierte Marktwirtschaft. Ziel sei daher nicht Deregulierung, betont VFA-Chefvolkswirt Claus Michelsen, sondern eine Modernisierung, die Prozesse einfacher, digitaler und schneller mache. «Eine schlanke, international kompatible Bürokratie kann Deutschland von einem Hemmschuh zu einem Standortvorteil machen.»
Laut VFA entfallen die meisten Kosten, etwa 51 Milliarden Euro, auf allgemeine Vorschriften. Hierzu gehören arbeitsrechtliche sowie steuer- und handelsrechtliche Anforderungen, beispielsweise für die Abwicklung der Lohnbuchhaltung oder die Nachweispflichten im Rahmen der Unternehmensbesteuerung.
Etwa ein Viertel aller Bürokratielasten (ca. 16 Milliarden Euro im Jahr 2024) entstehen durch branchenspezifische Regulierung. Besonders viele Vorschriften gibt es im Bereich der Finanzdienstleistungen, vor allem im Hinblick auf den Verbraucherschutz.
Laut Angaben entfällt der zweitgrößte branchenspezifische Kostenblock auf die Industrie mit einem Aufwand von 2,5 Milliarden Euro. Pro Beschäftigten fallen in der Industrie rechnerisch jährlich gut 1400 Euro für die Erfüllung bürokratischer Pflichten an.
Pharmabranche streng reguliert
Laut VFA ist die Pharmaindustrie besonders von Bürokratie betroffen, auch aufgrund von Vorgaben zum Patientenschutz. Die Bürokratiekosten pro Mitarbeiter liegen mehr als zwölfmal höher als im Industriedurchschnitt. Seit 2012 haben sich die Bürokratiekosten der Pharma-Branche auf fast 2,5 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Haupttreiber sind komplexere Informationspflichten wie Prüfprotokolle, Kennzeichnungen und Packungsbeilagen.
Umgekehrt wirken aber Entlastung, etwa durch den Abbau von Doppelregulierungen, überproportional. «Gerade in der Pharmaindustrie mit globalen Wertschöpfungsketten kann effiziente Regulierung dazu führen, dass Unternehmen Forschung, Entwicklung und Produktion bevorzugt in Deutschland ansiedeln.»