Immer wieder wurde der Start des Megaprojekts in der baden-württembergischen Landeshauptstadt verschoben. Nun sollen ab Dezember 2026 Züge im neuen Tiefbahnhof halten – allerdings nicht alle.
Stuttgart-21-Start soll teilweise auf 2027 verschoben werden
Das Bahnprojekt Stuttgart 21 wird teilweise erst im Jahr 2027 in Betrieb genommen, was später ist als geplant. Der Fernverkehr und ein Teil des Regionalverkehrs werden wie geplant ab Dezember 2026 in den neuen Tiefbahnhof fahren, während ein anderer Teil des Regionalverkehrs bis Juli 2027 weiterhin am alten oberirdischen Kopfbahnhof endet, wie die Deutsche Bahn (DB) in Stuttgart bekannt gab.
Das Unternehmen nennt die Entzerrung von Sperrungen als Grund für die schrittweise Inbetriebnahme, die wegen der Arbeiten für den Anschluss der neuen Infrastruktur an die bestehenden Strecken notwendig sind. DB-Infrastrukturvorstand Berthold Huber sagte, dass dies dazu beitragen könne, die Beeinträchtigungen für die Fahrgäste so gering wie möglich zu halten. Ursprünglich war geplant, den Tiefbahnhof im Dezember 2026 vollständig in Betrieb zu nehmen und den Betrieb im alten Kopfbahnhof einzustellen.
Im Mai informierte die Bahn die Projektpartner von Stuttgart 21 darüber, dass im Zuge der Arbeiten für die Inbetriebnahme zahlreiche Sperrungen erforderlich sind, die zu erheblichen Einschränkungen für die Fahrgäste führen würden. Daraufhin wurde eine Taskforce eingesetzt, die beraten sollte, wie der Start möglichst fahrgastfreundlich gestaltet werden kann.
Entzerrung soll weniger Einschränkungen für Fahrgäste bringen
Am Freitag informierte die Bahn ihre Projektpartner in einer Sitzung des Lenkungskreises über die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe. Neben der Bahn sind am Projekt das Land Baden-Württemberg, die Landeshauptstadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart und der Flughafen Stuttgart beteiligt.
Demnach sollen vor allem die Arbeiten im Bereich Stuttgart-Bad Cannstatt entzerrt werden. Für das letzte Baujahr habe ein monatelanger Stillstand im Knoten Stuttgart gedroht, sagte Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Mit dem gestaffelten S21-Start könne man die Schwierigkeiten für den Bahnbetrieb in und um Stuttgart in planbare Einschränkungen überführen. «Die Leidenszeit der Fahrgäste dauert länger, aber sie wird erträglicher – und vor allem: planbarer», sagte Hermann.
Start schon mehrfach verschoben
Die Inbetriebnahme war bereits mehrfach verschoben worden, zuletzt auf Dezember 2026. Bei Abschluss der Finanzierungsvereinbarung im Jahr 2009 war man von einer Eröffnung 2019 ausgegangen. Die Gründe für die mehrmaligen Verschiebungen sind laut Bahn unterschiedlich: Klagen gegen das Projekt und geänderte Auflagen etwa beim Brandschutz. Weitere Faktoren für die Verzögerungen seien der «geologisch anspruchsvolle Untergrund im Stuttgarter Stadtgebiet» oder aufwendige Genehmigungsverfahren durch geänderte Gesetze beim Artenschutz.
Das Vorhaben Stuttgart 21 symbolisiert nicht nur den Bau des neuen Hauptbahnhofs in der Landeshauptstadt, sondern auch die umfassende Neugestaltung des Bahnknotens Stuttgart. Es werden neue Bahnhöfe errichtet – wie beispielsweise ein neuer Fernbahnhof am Flughafen -, sowie Dutzende Kilometer Schienenwege, Tunnelröhren, Durchlässe und Brücken. Das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm umfasst neben Stuttgart 21 auch den Neubau der bereits 2022 eröffneten Schnellfahrstrecke Wendlingen-Ulm. Das zentrale Element von Stuttgart 21 ist der neue unterirdische Hauptbahnhof, der im Gegensatz zum bisherigen Kopfbahnhof ein Durchgangsbahnhof sein wird.
Nicht nur neuer Bahnhof, sondern auch einmalige neue Digitaltechnik
Im Rahmen von Stuttgart 21 wird der Bahnknoten in Stuttgart als erster bundesweit komplett digitalisiert. Züge des Fern- und Regionalverkehrs sowie S-Bahnen sollen dann ausschließlich mit dem digitalen Zugsicherungssystem ETCS fahren. Klassische Lichtsignale werden im Stuttgarter Bahnknoten nicht mehr installiert. Die Bahn nannte die umfangreichen Arbeiten zur Digitalisierung als Grund für die letzte Verschiebung der Inbetriebnahme auf Dezember 2026.
Die Ausgaben für das Projekt sind über die Jahre stark angestiegen. In einem Finanzierungsvertrag von 2009 sind nur Kosten bis zu 4,5 Milliarden Euro festgelegt. Die Bahn gab kürzlich an, dass die aktuellen Kosten bei etwa 11 Milliarden Euro liegen, zusätzlich ist ein Puffer von 500 Millionen Euro eingeplant. Dieser ist fast aufgebraucht: In der letzten Sitzung des Lenkungskreises informierte die Bahn die Projektpartner, dass die Kosten nun bei rund 11,3 Milliarden Euro liegen. Die Frage, wer die zusätzlichen Kosten tragen muss, ist umstritten.